DOMRADIO.DE: Die Ermittler wurden in drei Geschäften am Vatikan rund um Engelsburg und Petersplatz fündig. Es heißt, die Geschäfte sind in chinesischer Hand, aber die Häuser gehören dem Vatikan. Können Sie das so bestätigen?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Buchautor): Wir wissen nicht genau, um welche Häuser es sich handelt. Ob diese Miethäuser dem Vatikan gehören oder auch nicht, ist unerheblich. Ich glaube, wichtiger ist die Tatsache, dass man gefälschte Produkte mit offiziellem Logo gefunden hat.
DOMRADIO.DE: Passiert das häufiger?
Nersinger: Das ist eine Sache, die hat es schon seit ewigen Zeiten gegeben. Man hat schon immer versucht, offizielle Produkte zu fälschen. Das ist nichts Neues, aber die Menge ist schon beeindruckend.
DOMRADIO.DE: Der finanzielle Schaden ist nicht unerheblich.
Nersinger: Der ist gewaltig. Gott sei Dank haben wir in Italien die italienische Finanzpolizei, die Guardia di Finanza, die sehr clever ist. Die kann sehr gut handeln und deckt immer wieder solche Betrügereien auf.
DOMRADIO.DE: Wie wird man heutzutage offizieller Vatikanlieferant zum Beispiel von Rosenkränzen?
Nersinger: Ja, ich denke, dass man bestimmte Verträge mit dem Vatikan eingeht. Man versucht vom Vatikan aus Händler und Produzenten zu nehmen, die vertrauenswürdig sind. Das ist heute nicht so einfach. Früher gab es gewisse Sicherheitsnormen und -Vorkehrungen, die besser griffen als heute.
DOMRADIO.DE: Es waren früher offizielle Hoflieferanten, die zuständig waren. Was waren das für Firmen?
Nersinger: Bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts gab es die sogenannten päpstlichen Hoflieferanten. Das klingt sehr altertümlich, ist aber eine Sache, die wir heute noch in Großbritannien haben. Diese Hoflieferanten waren vom Vatikan genauestens geprüft.
Jeder Hoflieferant trachtete danach, solche Sachen auf jeden Fall zu vermeiden. Denn es ist so, wie es auch heute noch in Großbritannien ist: Wenn man sich irgendwelche Vergehen zukommen lässt, dann ist man den Titel sofort los. Das war auch bei dem vatikanischen Hoflieferanten so.
So hatte man eine gewisse Kontrolle vom Vatikan aus. Es war auch eine Versicherung, dass diese Leute danach trachten, dass keine Produkte auf den Markt kamen, die gefälscht oder minderwertig waren. Hoflieferanten gab es in allen Bereichen. Das konnten Weinhändler sein, das konnten Bäckereien sein, das konnten genauso Bekleidungsgeschäfte für Geistliche sein wie eben auch Andenkenhändler.
DOMRADIO.DE: Das war eine Win-win-Situation. Der Vatikan bekam die Ware, die er wollte und die Herstellerbetriebe konnten Werbung mit dem Vatikanlogo für sich machen. Warum hat man diese Hoflieferanten abgeschafft?
Nersinger: Ich denke, das war im Zuge der 1960er und 1970er Jahre. Damals wollte man vom Vatikan aus gewisse alte Zöpfe abschaffen. Das galt für bestimmte Formulierungen und Ämter, die sehr nach Hof klangen.
Man hat aber wahrscheinlich nicht bedacht, dass man damit auch Sicherheitsbarrieren abgebaut hat. Die waren jedoch notwendig. Man hat damit auch eine Institution abgeschafft, die für eine gewisse Form der Sicherheit stand.
DOMRADIO.DE: Wenn ich mir einen gefälschten Rosenkranz aus möglicherweise China kaufe, ist der rein spirituell gesehen weniger wert als ein Rosenkranz, der das echte Vatikanlogo trägt. Was sagen Sie?
Nersinger: Nein, es geht um die Intention und wie ich selber dazu stehe. Das hat nichts mit dem spirituellen Wert zu tun. Das ist genauso wie beim Material. Das hat keine Bedeutung für die spirituelle Motivation oder den spirituellen Gewinn, den man dabei hat.
Das ist nicht mal sekundär, würde ich sagen. Das spielt keine Rolle, da braucht keiner Sorge zu haben.
DOMRADIO.DE: Vor dem Heiligen Jahr 2025, wenn Millionen Menschen Richtung Rom aufbrechen, ist das natürlich keine schöne Nachricht. Wenn man durch die Straßen läuft und möglicherweise etwas kauft, was nicht echt ist.
Nersinger: Ja gut, aber damit muss man jederzeit rechnen. Ich erinnere mich, in meiner Studienzeit war das schon so. Wenn man durch die Straßen von Rom ging, kamen die Straßenhändler und boten teure Sachen wie zum Beispiel Schals, Handtaschen oder andere Artikel von Marken an, die in den Originalgeschäften ungeheuer viel Geld gekostet hätten.
Da muss man selber mitdenken und damit muss man auch rechnen. Ich denke, das ist eine Sache, die nicht auf religiöse Artikel beschränkt ist, sondern die leider auch in Groß- und Touristenstädten mehr oder weniger üblich ist.
Das Interview führte Carsten Döpp.