DOMRADIO.DE: Sie haben mal ein Buch herausgegeben, das heißt: "Der Vatikan - Das Lexikon". Steht dort was drin über Bischofsrücktrittsangebote und wann der Papst sie annimmt?
Jürgen Erbacher (Theologe, Journalist und Leiter der ZDF-Redaktion "Kirche und Leben"): Nein, da steht noch nicht mal was über Papstrücktritte drin. Das war damals, als das Buch erschienen ist, noch nicht in Mode. Und mit Bischofsrücktritten ist es ebenfalls sehr kompliziert, wie wir das jüngst in Deutschland erfahren haben, auch schon an anderen Stellen, als es früher mal um einen Limburger Bischof ging.
Es ist weltkirchlich gesehen nicht das erste Mal, dass ein Bischof zurücktritt im Kontext des Missbrauchsskandals und der Frage, wie der Bischof im Kontext der Aufarbeitung gearbeitet und vielleicht auch Fehler gemacht hat. Aber für Deutschland ist es das erste Mal. Das wirft auch bei uns Journalisten Fragen auf, das muss man ehrlicherweise sagen. Warum wird dieser Rücktritt angenommen und andere nicht? Aber vielleicht kann man auch ein paar Indizien ausmachen, warum das jetzt so passiert ist.
DOMRADIO.DE: Da kommen wir gleich noch mal drauf. Hat Bischof Bode jetzt das getan, wovor sich viele Bischöfe drücken, nämlich Verantwortung übernommen für sein Versagen und das der Bistumsverantwortlichen im Missbrauchsskandal?
Erbacher: Es gab durchaus in der Vergangenheit auch Bischöfe, die gesagt haben, ich habe Fehler gemacht im Umgang mit Missbrauchsfällen. Ich bitte um Entschuldigung, ich übernehme hier Verantwortung. Bischof Bode hat es in der Vergangenheit mehrfach gesagt. Auch der Bischof von Essen hat gesagt, es gab Fälle, in denen ich nicht richtig gehandelt habe. Das war schon da.
Was aber viele Betroffene und auch Gläubige immer wieder nicht verstehen konnten, ist, dass diese Übernahme von Verantwortung nicht so weit geht, dass auch personelle Konsequenzen gezogen werden bis in die oberste Ebene. Sprich, dass ein Bischof dann auch zurücktritt und sagt, ich möchte damit ein ganz klares Zeichen setzen. Denn gerade viele Betroffene sagen, das ist mit der Bitte um Entschuldigung nicht getan. Es gibt auch immer wieder Gottesdienste mit Schuldbekenntnis, aber es braucht einfach auch klare Signale. Und das ist jetzt mit diesem Akt von Bischof Bode zum ersten Mal auch klar so gesetzt worden.
DOMRADIO.DE: Die Entschuldigung oder die Übernahme von Verantwortung ist das eine, das andere ist das Angebot des Rücktritts, dem der Papst aber immer zustimmen muss. Waren Sie überrascht, dass Papst Franziskus dem Bode-Rücktrittsgesuch stattgegeben hat?
Erbacher: Ich glaube, wir waren am Samstag alle überrascht, dass Bischof Bode den Rücktritt eingereicht hat. Denn dafür gab es eigentlich keine Anzeichen. Es war so, dass im vergangenen September in Osnabrück Zwischenergebnisse einer Studie der Universität vorgestellt wurden, dort, wo es um die Aufarbeitung von Missbrauch im Bistum Osnabrück ging. Da wurde noch mal deutlich, dass auch dieser Bischof Fehler gemacht hat in der Vergangenheit.
Es gab Rücktrittsforderungen und er hat damals gesagt: Nein, ich will nicht zurücktreten. Ich will mich jetzt noch engagierter einsetzen für die Aufarbeitung und für die Prävention, dass Missbrauch nicht mehr vorkommen kann. Daher kam es ganz überraschend, dass er schon am 21. Januar dem Papst den Rücktritt angeboten hat. Wenige Wochen später, das ging sehr schnell, schon Ende Februar wurde ihm dann signalisiert, wir werden das zum 25. März tun.
DOMRADIO.DE: Bei Bischof Bode heißt es, nicht nur aus Verantwortung in Sachen Missbrauch und Vertuschung, sondern es wurden dazu auch gesundheitliche Gründe genannt. Macht das wohl einen Unterschied im Annehmen oder Ablehnen von Rücktrittsgesuchen?
Erbacher: Da müsste man jetzt in den Vatikan hineinschauen können, inwieweit das auch noch mal eine Rolle gespielt hat. Man muss ehrlicherweise sagen, der Papst sagt mit Blick auf seine eigene Person - er leidet seit einiger Zeit an Kniebeschwerden - die Weltkirche wird nicht mit dem Knie regiert, sondern mit dem Kopf. Wenn der Kopf klar ist, dann kann auch der Papst im Amt bleiben.
Da stellt sich die Frage, ob er da einen Unterschied machen würde für einen Bischof. Oder ob es nicht am Ende die Dinge sind, die Bischof Bode ihm vielleicht auch dargelegt hat in seinem Schreiben, das ja bisher nicht veröffentlicht ist, mit Blick auf das Thema Missbrauch, Aufarbeitung, eigene Fehler, die gemacht wurden. Dann zu sagen, Heiliger Vater, es ist an der Zeit, dass hier ein klares Zeichen gesetzt wird und ich möchte das jetzt auch setzen.
DOMRADIO.DE: Wie kann man das dem Durchschnittskatholiken erklären? Vor allem im Zusammenhang mit der Tatsache, dass Papst Franziskus die vor geraumer Zeit eingereichten Rücktrittsangebote von Rainer Kardinal Woelki noch gar nicht beschieden und die von Bischof Stefan Heße und Kardinal Reinhard Marx abgelehnt hat?
Erbacher: Ja, das ist schwierig, da eine Begründung zu finden. Eine könnte sein, dass man durchaus auch im Vatikan gesehen hat, wie die Reaktionen auf die letzten Entscheidungen waren. Dass die Rücktritte nicht angenommen wurden, hat durchaus zu weiterer Irritation und weiterem Vertrauensverlust in die katholische Kirche in Deutschland geführt. Vielleicht sagt man jetzt, wir sind nun ein oder zwei Jahre weiter, wenn man das Rücktrittsangebot von Kardinal Marx sieht, und wir müssen einfach anders reagieren.
Ich weiß nicht, ob auch Bischof Bode dem Papst noch mal deutlich gemacht hat in seinem Schreiben, wie massiv auch sein Vertrauensverlust war im Bistum. Der Rückhalt hat ihm nach Veröffentlichung der Studie doch massiv gefehlt, sodass er am Ende, so zusagen ohne die wichtigste Währung dastand, die ein Bischof am Ende hat, nämlich das Vertrauen.
Da muss man jetzt mal schauen. Sie haben auch gesagt über das Rücktrittsangebot des Kölner Erzbischofs Kardinal Woelki ist nach wie vor nicht entschieden. Das heißt aber auch alles ist möglich, oder vielmehr beide Dinge sind möglich. Der Papst nimmt ihn an oder er wird irgendwann sagen, es ist jetzt vom Tisch, ihr müsst schauen, dass ihr weiter gemeinsam geht, Bistum und Kardinal. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen, dass nun auch andere Entscheidungen fallen, die noch ausstehen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.