Vatikanexperte präsentiert Buch über die Geschichte der Papstwahlen

"Weißer Rauch und falsche Mönche"

In seinem Buch "Weißer Rauch und falsche Mönche" betrachtet der Vatikanjournalist Stefan von Kempis den Ablauf einer Papstwahl und die geschichtliche Entwicklung des Konklaves. Dabei hat sich über die Zeit einiges geändert.

Autor/in:
Johannes Schröer
Symbolbild: Kardinäle vor einem Konklave in der Sixtinischen Kapelle / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Symbolbild: Kardinäle vor einem Konklave in der Sixtinischen Kapelle / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( (Link ist extern)KNA )

DOMRADIO.DE: Warum gibt es überhaupt ein Konklave? Johannes Paul II. soll ja sogar mal gesagt haben, ein Konklave sei gar nicht notwendig. 

Stefan von Kempis (privat)
Stefan von Kempis / ( privat )

Stefan von Kempis (Vatikanexperte, Buchautor und Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Vatican News): Irgendeine Art und Weise, sich auf einen neuen Bischof von Rom zu verständigen, muss es ja geben. Da hat sich im Laufe von ungefähr zwei Jahrtausenden das Konklave herausgebildet. Also die Abschottung der Kardinäle, dann die geheime Wahl mit einer nötigen Zweidrittelmehrheit. 

Johannes Paul II. schreibt in seiner Konklaverordnung von 1996, dass man "die Ernennung eines neuen Papstes" ja auch anders regeln könnte. Das war aus meiner Sicht ein päpstlicher Prankenhieb, um mal zu sagen, also letztlich ist das eine Entscheidung, die dem Papst zukommt, wie man im Einzelnen verfährt und keinem anderen. 

Immerhin gab es im Lauf der Jahrhunderte eigentlich von Anfang an immer wieder mal eine Tendenz, dass ein Papst noch zu Lebzeiten schon seinen Nachfolger designiert, nur dass man sich dann nach seinem Tod nicht immer daran gehalten hat. 

Stefan von Kempis

"An den Ursprüngen der Papstwahl herrscht stellenweise noch tiefe Dunkelheit."

DOMRADIO.DE: Wie ist denn da genau die Quellenlage? Welche Ursprünge gibt es, die wichtig sind, um die Papstwahl zu verstehen? 

von Kempis: Es war in der frühen Kirche von Anfang an klar, dass Bischöfe gewählt werden. Und da machte auch der Bischof von Rom, das ist ja der Papst, keine Ausnahme. 

Die Quellenlage für die ersten christlichen Jahrhunderte ist naturgemäß ziemlich dürftig und fragmentarisch. Wir finden eine erste Liste von Päpsten erst etwa im Jahr 180 n. Chr. beim Bischof Irenäus von Lyon in einer Streitschrift. Da zählt er ungefähr zehn Nachfolger des heiligen Petrus in Rom auf, also von Petrus bis in seine Zeit hinein, eine ununterbrochene Kette von Namen. Irenäus macht aber ganz unterschiedliche und schwer verständliche Angaben, wie denn diese einzelnen Leute jetzt in ihr Amt gelangt sind. 

Konklave Vorbereitungen (KNA)

Von Päpsten ist da natürlich noch keine Rede, denn diesen Ehrentitel gab es im Jahr 180 noch nicht. Der Erste, der sich "Papst" nennen ließ, war, soweit wir das wissen, im dritten Jahrhundert der Bischof von Karthago. Wir sehen, an den Ursprüngen der Papstwahl herrscht stellenweise noch tiefe Dunkelheit. 

DOMRADIO.DE: Haben denn immer nur Kardinäle, also hohe Geistliche, den Papst gewählt oder waren irgendwann auch Laien beteiligt? 

von Kempis: Nein, es waren nicht immer Kardinäle, die den Papst wählten, einfach weil es Kardinäle, so wie wir sie heute kennen, nicht immer schon gegeben hat. Sie haben sich als eine Art Senat des Papstes, als Kardinalsstand, erst im frühen Mittelalter herausgebildet. 

Dass nur Kardinälen die Wahl eines Papstes zusteht, das entscheidet erstmals Nikolaus II., da sind wir im Jahr 1055. Seitdem hat es zwar in der Geschichte immer wieder auch Interferenzen von Außen, von weltlichen Mächten gegeben, und zwar bis ins 20. Jahrhundert hinein. Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen heute. Letztlich hat es sich aber schon durchgesetzt, dass nur Kardinäle das Recht haben, einen Papst zu wählen. 

In den ersten Jahrhunderten allerdings gab es tatsächlich eine Beteiligung von Laien – und zwar war das die christliche Gemeinde von Rom. Da wählten Männer, Frauen zusammen mit dem höheren Klerus von Rom und mit den Bischöfen aus den umliegenden Städten, etwa Ostia, alle zusammen den neuen Bischof der Ewigen Stadt. 

Wahrscheinlich war es so, dass die Laien Vorschläge machten, und dass dann der höhere Klerus wirklich wählte. Es war auch immer so, dass die besonders angesehenen oder besonders reichen Mitglieder der christlichen Gemeinde, sozusagen die Trumps von damals, von Anfang an immer versucht haben, den Laien das Wahlrecht aus der Hand zu nehmen. 

Übrigens, der erwähnte Klerus von Rom und die Bischöfe aus den umliegenden Städten, das sind die Leute, aus denen sich dann die Kardinäle entwickelt haben. Die Kardinäle von heute sind gedanklich Nachfolger des Klerus von Rom und der Bischöfe aus den umliegenden Städten. 

DOMRADIO.DE: Ihr Buch heißt "Weißer Rauch und falsche Mönche." Was sind denn falsche Mönche? 

von Kempis: Was der weiße Rauch ist, ist eigentlich klar, obwohl es den noch gar nicht so lange gibt nach einer Papstwahl. Aber dieses Bild vom Schornstein auf dem Dach der sixtinischen Kapelle, das hat so etwas Emblematisches, so was Urtümliches, dass man irgendwie das Gefühl hat, das muss es ja schon seit der Antike gegeben haben, auch wenn das gar nicht ist. 

13. März 2013 - weißer Rauch über der Sixtina (dpa)

Die "falschen Mönche" stehen für die vielen Versuche im Laufe der Geschichte, Papstwahlen auf unangemessene Weise zu beeinflussen. Da sind wir zuerst im sogenannten Investiturstreit im elften Jahrhundert. Das war ein Ringen zwischen Kaisertum und Papsttum. Da nannte Heinrich IV. den Papst Gregor VII. einen "falschen Mönch" und erklärte ihn für abgesetzt – "steig herab, steig herab, du falscher Mönch". Wir wissen, wie das weiterging. Ein Jahr später kniete dann Heinrich scheinbar reumütig in Canossa vor dem Papst. 

Ziemlich genau 800 Jahre später, also etwa 1878, da regiert Pius IX., der Papst, dem der Kirchenstaat verloren geht und der ist in Panik angesichts der Tatsache, dass sich Italien gegründet hat und dass der Papst im Exil in den vatikanischen Gärten hockt. Pius IX. fürchtet, dass jetzt das Papsttum an sich am Ende ist, dass er der Letzte ist und darum erlässt er eine ganze Salve von Konklave-Verordnungen, aus denen wirklich Paranoia spricht. 

Da ist die Rede von Anhängern des Revolutionärs Garibaldi, die sich als Priester oder als falsche Mönche verkleiden könnten, um sich ins Konklave zu schmuggeln und unter den Wählern Panik hervorzurufen. In dem Fall, so schreibt Pius IX., wäre die Papstwahl automatisch suspendiert. 

Stefan von Kempis

"Die geheime schriftliche Wahl eines Papstes wurde erst 1621 eingeführt."

DOMRADIO.DE: Wie und inwieweit konnten Sie denn in die Konklaven hineinblicken? Denn das ist doch alles streng geheim. Und doch geben Sie uns in Ihrem Buch Einblicke in vergangene Konklave mit ganz genauen Angaben, wer wie viele Stimmen bei einem Konklave bekommen hat. 

von Kempis: Das ist tatsächlich jetzt alles geheim, aber das war gar nicht immer so. Die geheime schriftliche Wahl eines Papstes wurde erst 1621 durch einen Papst eingeführt. Bis dahin war eigentlich klar, dass ein Kardinal nicht einfach so abstimmen konnte, wie er gerade wollte, sondern dass er zum Beispiel der Familie des Papstes, der ihn zum Kardinal gemacht hatte, verpflichtet war. Deren Kandidaten musste er also seine Stimme geben. 

Man wusste genau, der wählt für die Familie Barberini und der wählt für die Familie Farnese und so weiter. Es gibt in vielen Archiven, nicht nur in den Vatikanischen, aber da auch ganz genaue Listen, wer für wen gestimmt hat und in welchem Wahlgang. Das wäre heute unvorstellbar. 

DOMRADIO.DE: Wie schauen Sie denn auf die Zukunft? Wird es irgendwann, ich spinne jetzt einfach mal ein bisschen, ein Online-Konklave geben können? 

von Kempis: Vorstellen kann man sich vieles. Falls zum Beispiel irgendwann mal der Kreis der Papstwähler über die Kardinäle hinaus erweitert werden sollte, dann muss man ja sagen, so ein erweitertes Gremium würde gar nicht mehr in die Sixtinische Kapelle passen. Das wird jetzt schon ziemlich eng. 

Und es ist keine Zukunftsmusik, wenn man bedenkt, dass schon Paul VI. im 20. Jahrhundert mit dem Gedanken gespielt hat, dass außer den Kardinälen doch auch die ostkirchlichen Patriarchen und gewählte Vertreter der Bischofssynode im Konklave mitmachen könnten. Falls sich also der Kreis der Wähler mal über die Kardinäle hinaus erweitern sollte, dann wäre ein Online-Konklave auch vorstellbar. 

DOMRADIO.DE: Sie erzählen in ihrem Buch auch sehr anschaulich, wie ein Konklave genau abläuft. Ist das immer auf ewig und für alle Zeiten festgelegt? 

von Kempis: Nein, natürlich nicht. Konklaveverordnungen kommen und gehen und eigentlich hat seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wirklich jeder Papst, außer Franziskus, nochmal an den Regeln herumgeschraubt. Zuletzt Benedikt XVI. noch kurz vor seinem Rücktritt 2013. 

Archivbild: Rücktritt von Papst Benedikt XVI. - während eines Konsistoriums am 11. Februar 2013 / © Osservatore Romano (KNA)
Archivbild: Rücktritt von Papst Benedikt XVI. - während eines Konsistoriums am 11. Februar 2013 / © Osservatore Romano ( (Link ist extern)KNA )

Da geht es aber meistens um Details, zum Beispiel wie viele Tage nach dem Tod eines Papstes man denn mit dem Wählen anfangen kann. Die großen Linien dürften bis auf Weiteres gleich bleiben. Das sind die geheime schriftliche Wahl in der Sixtinischen Kapelle, die Abschottung der Wähler, nur die Kardinäle sind zugelassen und die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Stimmen.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Information: Das Buch "Weißer Rauch und falsche Mönche. Eine andere Geschichte der Papstwahl" von Stefan von Kempis ist erschienen im Verlag Herder. Es kostet in der gebundenen Ausgabe 25 Euro.

Quelle:
DR

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