Vatikanexpertin würdigt Papstschritt zu Frauen als Präfektin

"Eine natürliche Entwicklung"

Präfekten sind die Minister des Papstes. Franziskus hat am Wochenende angekündigt, erstmals eine Frau auf diesen Posten zu setzen. Für die Journalistin Gudrun Sailer ein wichtiger Schritt, aber kein überraschender.

Papst Franziskus begrüßt Frauen im Vatikan / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus begrüßt Frauen im Vatikan / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus möchte eine Frau zum Präfekten beziehungsweise zur Präfektin im Vatikan ernennen. Was genau ist denn ein Präfekt?

Gudrun Sailer / © privat
Gudrun Sailer / © privat

Gudrun Sailer (Redakteurin von "Vatican News" und Mitglied im Verein "Donne in Vaticano" / "Frauen im Vatikan"): Das ist der höchste Managerposten, den es im Vatikan zu vergeben gibt. Das ist die Ebene unmittelbar unter dem Papst.

Nach der Kurienreform gibt es jetzt 16 Dikasterien mit Präfekt an der Spitze. Davon sind derzeit zwei mit Laien besetzt, männlichen Laien. Aber in der katholischen Kirche ist ja der wesentliche Unterschied nicht der zwischen Männern und Frauen, sondern der zwischen Priestern und Nicht-Priestern.

Und überall dort, wo ein Laie, also ein männlicher Nicht-Priester ist, kann auch ein weiblicher Nicht-Priester sein. Das hat der Papst jetzt eigens noch mal in dem Interview mit der spanischen Zeitung betont, in dem diese Aussage fiel. Es ist also bloß eine Frage der Zeit, bis der Papst die erste Präfektin ernennen wird.

DOMRADIO.DE: Wie revolutionär ist es, dass eine Frau im Vatikan Präfektin werden soll?

Sailer: Ich würde nicht von Revolution sprechen. Wir können da ganz gelassen sein. Es ist eine natürliche Entwicklung. Diese Entwicklung kommt aus dem immer größeren Bewusstsein in der Kirche, dass wir alle dieselbe Taufe in Christus haben. Also Männer, Frauen, Priester, Nicht-Priester, alle haben dieselbe Taufe.

Darüber hinaus gibt es noch die theologische Debatte, woher der Präfekt in der Kurie eigentlich seine Autorität bezieht. Kommt die Autorität von der Beauftragung durch den Papst oder kommt die Autorität von der Weihe, also von der Priester- oder Bischofsweihe?

Im zweiten Fall hätten ja Frauen und überhaupt alle Laien, also auch Männer ohne Priesterweihe, das Nachsehen. Aber die Kurienreform von Franziskus setzt offenbar auf die andere Sicht.

Also, Autorität in der Kurie kommt von der Beauftragung durch den Papst und das heißt theoretisch freie Bahn für kompetente Laien, Männer wie Frauen. Sofern der Papst das will und auch die nachfolgenden Päpste das wollen.

Gudrun Sailer

"Kirchenrechtlern war auch vorher schon klar, dass die Autorität in der Kurie vom Papst kommt und nicht von der Weihe."

DOMRADIO.DE: Herrscht bei dem Thema Konsens im Vatikan oder gibt es auch Stimmen, die das nicht gut finden?

Sailer: Natürlich gibt es darüber im Vatikan Debatten. Das ist aber auch in Ordnung. Wer an Laien-Präfekten grundsätzlich zweifelt, tut das meiner Einschätzung nach aus einem von zwei Gründen. Der eine ist der schon erwähnte. Bisher war die Bindung zwischen Autorität und Weihe im Vatikan sehr gut sichtbar. Man sah einen Kardinal-Präfekten und wusste oder meinte zu wissen, wer Macht beim Heiligen Stuhl hat, der braucht eines ganz sicher, nämlich die Bischofsweihe.

Aber kirchenrechtlich, habe ich mir sagen lassen, war das immer nur die halbe Wahrheit. Kirchenrechtlern war auch vorher schon klar, dass die Autorität in der Kurie vom Papst kommt und nicht von der Weihe.

Der zweite Grund, warum die Vorstellung einer Präfektin eventuell nicht bei allen im Vatikan gut ankommt, ist mehr atmosphärischer Art, würde ich meinen. Man traut es den Frauen nicht recht zu.

Weniger fachlich, sondern besonders zweifelt man eher die Durchsetzungsfähigkeit einer Frau an. Das ist aber bei Licht betrachtet ein altgewohntes Denkmuster, das wir auch eins zu eins so aus den gesellschaftlichen Debatten vergangener Jahrzehnte in Deutschland und anderswo kennen.

Und tatsächlich muss man schon auch eins bedenken: Im Vatikan ist die Hierarchie bisher in fast allen Kurien-Behörden fast durchwegs priesterlich - und plötzlich kann man sich auch darauf nicht mehr verlassen. Einige mag das verunsichern.

DOMRADIO.DE: Wie passt das in die grundlegende Linie des Papstes, den Vatikan weiblicher zu machen?

Sailer: Franziskus sagt seit zehn Jahren, er will mehr Frauen in der Kurie. Und so ist es auch über die Jahre gewesen, dass die Anwesenheit von Frauen im Vatikan immer mehr gewachsen ist. Eher in der Mitte, das war nach außen hin unsichtbar. Aber auch in einigen Führungspositionen gibt es jetzt schon Frauen.

Aber die Kurienreform von Franziskus geht einen großen Schritt weiter. Denn es ist nicht Kleckerwerk, sondern da hat der Papst verfügt: Laien und damit Frauen können für die höchsten Positionen in der Kurie ernannt werden. Der Papst hat da eine alte Reformforderung umgesetzt, nämlich die Entkoppelung von Macht und Weihe. Und das geht in diesem Fall mal von Rom aus. Das kann man schon bemerkenswert finden.

DOMRADIO.DE: Diese Maßnahme rüttelt aber nicht am Grundsatz, dass Frauen keine Weiheämter innehaben können.

Sailer: Das ist richtig. Papst Franziskus kann sich keine Frauen als Priester vorstellen. Er kann sich aber vorstellen, mehr noch, er hat schon ermöglicht, dass Frauen in der Kirche überall dort ihre Charismen und Talente einbringen können, wo es die Priesterweihe eigentlich gar nicht braucht.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Kirchen und Frauenordination

Bis ins 20. Jahrhundert stimmten die Kirchen darin überein, dass das geistliche Amt gemäß der Bibel und der Tradition Männern vorbehalten ist. Die römisch-katholische Kirche sowie alle orthodoxen Kirchen halten bis heute daran fest. In den reformatorischen Kirchen wurde diese Sicht in den vergangenen Jahrzehnten revidiert. Vorläufer gab es bereits Mitte des 18. Jahrhunderts vereinzelt in der Herrnhuter Brüdergemeine, in methodistischen Kirchen sowie im 19. Jahrhundert in der Heilsarmee.

 V.l.: Kantorin KMD Marie-Luise Schneider, der katholische Dompropst Praelat Tobias Przytarski, die Pfarrerin der Kirche St. Petri - St. Marien, Corinna Zisselsberger / © Christian Ditsch (epd)
V.l.: Kantorin KMD Marie-Luise Schneider, der katholische Dompropst Praelat Tobias Przytarski, die Pfarrerin der Kirche St. Petri - St. Marien, Corinna Zisselsberger / © Christian Ditsch ( epd )
Quelle:
DR