Die Gründung kam im richtigen Moment: Zwei Wochen zuvor hatte Papst Paul VI. die hypermoderne vatikanische Audienzhalle eingeweiht, deren hohe Kosten manche Polemik ausgelöst hatten: Die umgerechnet 14 Millionen D-Mark stünden im Widerspruch zum Konzils-Ideal der armen und bescheidenen Kirche. Um der Kritik etwas Wind aus den Segeln zu nehmen, versprach der Papst schon bei der Eröffnungszeremonie den Bau einer Vatikan-Siedlung für die Bewohner eines römischen Barackenviertels. Zudem kündigte er die Gründung einer neuen karitativen Struktur an.
Hilfe im Namen des Papstes
Am 15. Juli 1971 wurde der Päpstliche Rat "Cor unum" gegründet, ein vatikanisches "Entwicklungsministerium". Es sollte kirchliche Hilfsarbeit koordinieren, eine umfassende menschliche und christliche Entwicklung fördern und im Namen des Papstes Not- und Katastrophenhilfe leisten.
"Cor unum" verstand sich von Anfang an als Pendant und Ergänzung zum Sozialdienst, den die Kurie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) durch den Päpstlichen Rat "Justitia et pax" leistete. Während es im "Sozialministerium" vor allem um politische und soziale Entwicklungsarbeit ging, standen bei "Cor unum" pastorale und theologische Akzente im Vordergrund. Neben der materiellen gebe es auch eine geistliche Armut; die Kirche dürfe vor beiden nicht ihre Augen verschließen, lautete die Devise.
So wollte der Rat, der von 1995 bis 2010 vom deutschen Kurienkardinal Paul Josef Cordes geleitet wurde, eine Katechese der Caritas fördern, sie theologisch untermauern und die Gläubigen für diesen "Liebesdienst" der Kirche motivieren. "Caritas fängt nicht mit dem Gelde an", habe ihm der Papst beim Antrittsbesuch mitgegeben, sagte der Kirchenmann aus dem Sauerland. Mögen materielle Spenden noch so wichtig sein: Caritas sei ein Grunddienst jedes Getauften. Katholische Hilfswerke müssten daher ein klares katholisches Profil zeigen. Deshalb bezeichnete Cordes sein Entwicklungsministerium auch lieber als "Caritas des Papstes".
Not- und Unglückshilfe bei Konflikten und Naturkatastrophen
Besonders in Erscheinung trat "Cor unum" freilich mit seiner Not- und Unglückshilfe. Bei Konflikten und Naturkatastrophen reiste der "Caritas-Minister" oft als erster Vatikan-Vertreter in die betroffene Region: nach Ruanda, Haiti, Kosovo, Darfur, nach Südasien nach dem Tsunami, nach Syrien. Er besuchte Flüchtlingslager, traf Überlebende und die Angehörigen von Opfern, übermittelte Solidaritätsbotschaften des Papstes, suchte den Kontakt zu den Lokalkirchen und Bischöfen, brachte die katholischen Hilfsorganisationen an einen Tisch und schaltete sich in die Koordination der Soforthilfe ein.
Dazu hat er meist auch einen Scheck des Papstes zur Linderung der ersten Not in der Tasche. Daneben begab sich der "Cor-unum"-Chef auch in die jeweiligen Machtzentralen, um Hilfen für die Opfer zu erleichtern.
Erweitertes Aufgabenspektrum
Die Aufgaben haben sich im Laufe der Jahre erweitert. Hinzu kamen verstärkt die Begleitung und die Mitarbeit der großen kirchlichen Hilfswerke. Zudem erhielt der Rat rechtliche Kompetenzen etwa für Caritas Internationalis, aber auch für einige Papst-Stiftungen wie "Populorum progressio" für Lateinamerika oder die "Stiftung Johannes Paul II. für die Sahelzone".
Deren Hauptkapital stammt aus der Kollekte beim ersten Papstbesuch 1980 in Deutschland. Ursprüngliches Ziel der Stiftung war, den Menschen Zugang zu Wasser zu verschaffen, etwa durch Brunnenbau. Inzwischen rückt aber das Thema Migration verstärkt nach vorne: Der Sahel wurde zu einer wichtigen Durchgangsroute für Menschen von südlich der Sahara, die nach Europa wollen. Neuerdings spielen etwa Fragen der Arbeitsplatzbeschaffung eine gewichtige Rolle.
Im Rahmen der aktuellen Kurienreform wurde "Cor unum" Anfang 2017 in das neue "Dikasterium zur Förderung der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen" integriert. Es setzt die bisherigen Arbeiten und Aufgaben als Koordinierungsinstanz für kirchliche Hilfs- und Entwicklungsarbeit im wesentlichen fort. "Der Papst möchte, dass wir dort präsent sind, wo es brennt", betont ein Mitarbeiter. Aber auch die theologische Reflexion und die Sorge um das Profil katholischer Hilfsarbeit geht weiter.