Vatikanreporter kritisiert Kommunikationsstil des Heiligen Stuhls

"Das ist nicht synodal"

Die Debatten der Weltsynode finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Delegierten sollen sich nicht zu Inhalten äußern. Trotzdem versuchen Journalisten aus aller Welt ein Bild in die Medien zu tragen. Wie schafft man das?

Pressekonferenz während der Weltsynode 2024 (DR)
Pressekonferenz während der Weltsynode 2024 / ( DR )

DOMRADIO.DE: Sie berichten als Reporter für das US-Magazin "National Catholic Reporter" über die Synode. Die Beratungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wie kommt man da als Journalist an Informationen?

Christopher White / © NCR
Christopher White / © NCR

Christopher White (Vatikan-Korrespondent "National Catholic Reporter"): Die Kommunikationsrichtlinien des Vatikans sind in der Tat ein wenig merkwürdig und schränken uns als Journalisten ziemlich ein. Wie schon bei der ersten Runde der Weltsynode im vergangenen Jahr sind die Synodalen angehalten die Diskussionen im Raum zu belassen und Leaks zu vermeiden. 

Ich habe aber doch den Eindruck, dass es dieses Mal etwas einfacher ist für uns Journalisten. Die Delegierten kennen sich untereinander, sie kennen den Prozess und haben mehr Vertrauen gefasst. Sie haben also auch weniger Angst davor, das Vertrauen des Vatikans zu brechen. Deshalb reden sie diesmal auch viel entspannter mit uns. Transparenz ist in diesem Prozess ganz wichtig, ich denke das sehen inzwischen auch die Delegierten so. 

Christopher White

"Transparenz ist in diesem Prozess ganz wichtig, ich denke das sehen inzwischen auch die Delegierten so."

Was meine eigene Arbeit angeht: Ich versuche täglich mit Delegierten in Kontakt zu treten, nicht nur aus den englischen Sprachgruppen. Wir wollen nicht nur die Perspektive aus der englischsprachigen Welt. Die meisten sprechen über Ideen, Gefühle und die Stimmung im Raum, weniger über die eigentlichen Diskussionen und Statements. So versuchen wir ein Bild vom Inneren der Synodenaula nach draußen zu tragen. 

DOMRADIO.DE: In einem Ihrer Artikel haben Sie aber schon ganz konkret eine Diskussion rund um sexuelle Vielfalt bzw. die Frage der Polygamie in Afrika dargestellt. Darin beziehen Sie sich auf mehrere Quellen im Raum. – Am Ende bleibt das aber trotzdem eine gefilterte Wahrnehmung, im Gegensatz zum Synodalen Weg in Deutschland, der alle Debatten live ins Internet gestreamt hat. Wäre das für die Synode nicht auch der bessere Weg gewesen?

White: Als Reporter ist mir Transparenz in der Tat sehr wichtig. Ich denke, es wäre für den Prozess an sich sehr hilfreich, wenn wir mehr von den Debatten auch von außen mitbekommen würden. Eine der Tendenzen, die wir zum Beispiel als Reporter sehen, ist, dass die Teilnehmer Streit und Konflikte gerne klein reden, da heißt es 'ein friedvoller Prozess im Heiligen Geiste', etc.  Das mag zum Teil auch so stimmen, aber keine Synode und kein Konzil sind je ohne Streit und Diskussion abgelaufen. Das ist ganz natürlich. 

Christopher White

"Eine der Tendenzen ist, dass die Teilnehmer Streit und Konflikte gerne klein reden."

Meine Perspektive ist und bleibt begrenzt, weil ich nur von dem ausgehen kann, was mir die Leute sagen. Das ist einer der Nachteile der Kommunikationsrichtlinien des Vatikans. 

DOMRADIO.DE: Wie beurteilen Sie denn die vatikanische Kommunikationsstrategie im Allgemeinen? Es gab ja große Debatten um die Arbeitsgruppe fünf zum Thema Frauen in der Kirche. Erst wurden die Mitglieder geheim gehalten, dann gab es eine Aussprache, der der federführende Kardinal Fernandez fernblieb, nun ist für diesen Donnerstag noch spontan eine Aussprache mit ihm angesetzt. Das wirkt alles ein wenig chaotisch, oder?

Kardinal Victor Manuel Fernandez, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, bei der Weltsynode  / © Alessia Giuliani/CPP (KNA)
Kardinal Victor Manuel Fernandez, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, bei der Weltsynode / © Alessia Giuliani/CPP ( KNA )

White: Seitdem bekannt wurde, dass es überhaupt externe Arbeitsgruppen geben wird, hat diese ominöse Gruppe fünf völlig im Geheimen gearbeitet. Das ist kontraproduktiv für den ganzen synodalen Prozess, wenn wir den Vatikan mal beim Wort nehmen. Es soll ja darum gehen Vertrauen zu schaffen, nicht nur zwischen den Delegierten, sondern in der ganzen Kirche. Transparenz ist einfach der beste Weg für solch ein Projekt. Bei jeder Gelegenheit hat sich diese Gruppe fünf eher nach innen verschlossen als nach außen geöffnet. 

Ich finde das sehr unglücklich, da in dieser Gruppe garantiert gute und wichtige Arbeit geleistet wird, von der wir von außen überhaupt nichts mitbekommen. Das ist kein Beispiel von Synodalität. Aber, wie wir diese Woche von der Untersekretärin der Synode Nathalie Becquart gehört haben: Auch die Synode befindet sich in einem Lernprozess. Das fand ich ein sehr interessantes Eingeständnis, da das ja aus der höchsten Ebene der Synodenleitung kommt. "Wir haben auch noch unsere Probleme im eigenen Haus". Diese Ehrlichkeit von Seiten des Heiligen Stuhls ist für einen Vatikan-Reporter sehr erfrischend. 

DOMRADIO.DE: Sie berichten für ein Publikum in Amerika. Was erhoffen sich eigentlich dort die Katholiken von der Weltsynode? Aus unserer deutschen Perspektive hört man oft ein wenig Enttäuschung, dass die Reformideen nicht so weit gehen, wie beim Synodalen Weg in Deutschland.

White: Ich denke die großen Themen, die die Kirche in Deutschland bewegen, gibt es in den Vereinigten Staaten genauso. Eine Kirche, die sehr viel Ansehen verloren hat, durch die diversen Missbrauchsskandale. Nach jahrzehntelangen schlechten Schlagzeilen versteht man so langsam, dass es so mit der Kirche nicht weiter gehen kann. 

Demonstration der kfd für Reformen vor der fünften Synodalversammlung / © Maximilian von Lachner (SW)
Demonstration der kfd für Reformen vor der fünften Synodalversammlung / © Maximilian von Lachner ( SW )

Mehr Verantwortung für Laien, bessere Einbindung von Frauen in der Kirche, mehr Offenheit für LGBTQ-Katholiken, das sind alles Fragen, die es in Deutschland gibt, den USA und wenn wir uns die Rückmeldungen der Synode ansehen, in der gesamten Weltkirche. Auf jedem Kontinent wird gerade die Frauenfrage gestellt, das ist nicht nur ein Thema der westlichen Welt. Bei diesen Themen fordert man auf der ganzen Welt, dass endlich gehandelt wird. 

Ich denke, dass auch viele Gläubige in den USA den Synodalen Weg in Deutschland sehr genau verfolgt haben, und darin auch ein Zeichen der Hoffnung sehen. Die Weltsynode wird als ein nötiger Schritt auf diesem Weg in die richtige Richtung gedeutet. 

DOMRADIO.DE: In den USA gibt es aber auch starke Kritik an der Weltsynode aus der konservativen Richtung. In Deutschland existiert das kaum. Selbst die konservativen Vertreter der Bischofskonferenz stehen voll hinter Papst Franziskus und seinem synodalen Reformprozess. 

White: Das stimmt. Die Kirchenhierarchie in den USA ist viel konservativer als in Deutschland. Diese Stimmen werden von gewissen katholischen Medien in den USA noch mal besonders hervorgehoben. Das sind konservative Medien, die finanziell sehr gut aufgestellt sind. 

Christopher White

"Auf jedem Kontinent wird gerade die Frauenfrage gestellt, das ist nicht nur ein Thema der westlichen Welt."

Am Ende würde ich sagen, dass die eigentlichen Katholiken, die sonntags zur Messe gehen, viel weniger interessiert sind an der großen Kirchenpolitik, als wir vielleicht denken mögen. Die meisten interessiert, was in ihrer Gemeinde passiert. 

Der Widerstand gegen die Synode und auch gegen Franziskus ist aber trotzdem real. Ein Großteil davon kommt aus der englischsprachigen Welt und wird durch große Medien mit viel Geld nur noch verstärkt. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Fahrplan der vom Papst ausgerufenen weltweiten Synode

Papst Franziskus hat einen weltweiten synodalen Prozess eröffnet. Um die Kirche insgesamt synodaler zu machen, soll über die für Herbst 2023 in Rom geplante Bischofssynode zunächst auf diözesaner, dann auf kontinentaler Ebene beraten werden. Thema der Beratungen ist "Eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation, Mission". Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert den Zeitplan:

9./10. Oktober 2021: Im Vatikan eröffnet Papst Franziskus mit Reflexion, Gebet und Messe die Synode; sie trägt den Titel "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission"

Papst Franziskus hält einen Rosenkranz beim Gottesdienst zum Abschluss der Weltsynode / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus hält einen Rosenkranz beim Gottesdienst zum Abschluss der Weltsynode / © Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR