In Venezuela hat sich am Mittwoch der neue Parlamentspräsident Juan Guaido (35) zum Übergangspräsidenten ausgerufen. Er berief sich dabei auf die Verfassung. Die Vereidigung des im Mai unter hoch umstrittenen Umständen wiedergewählten sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro sei verfassungswidrig.
US-Präsident Donald Trump erkannte Guaido umgehend als Staatschef des krisengeschüttelten Venezuela an. Auch die Staatschefs Brasiliens, Kolumbiens und von Paraguay sowie die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) folgten diesem Schritt.
Guaido will eine Übergangsregierung und Neuwahlen durchsetzen. Der Ingenieur ist Absolvent der Katholischen Universität Andres Bello, die zu den Hochburgen der Studentenproteste gegen Maduro zählt. Zuvor hatten zahlreiche katholische Bischöfe an den überwiegend friedlichen Protestmärschen gegen die sozialistische Regierung Maduro teilgenommen.
Bischöfe melden Protest an
Im Kurznachrichtendienst "Twitter" veröffentlichte die Venezolanische Bischofskonferenz Fotos von den Bischöfen Mario Moronta (San Cristobal), Victor Hugo Basabe (San Felipe), Luis Enrique Rojas (Merida) und Ulises Gutierrez (Ciudad Bolivar), die sich an der Seite der Demonstranten zeigten. Zugleich erinnerten die Bischöfe in einer Stellungnahme an die historische Bedeutung des Datums: Es ist der 61. Jahrestag des Sturzes von Ex-Diktator Marcos Perez Jimenez, der am 23. Januar 1958 ins Exil in die USA ging.
Laut lokalen Medienberichten folgten im ganzen Land tausende Venezolaner dem Aufruf der Opposition, an diesem Tag gegen die Regierung zu protestieren. Auch in anderen lateinamerikanischen Ländern gingen tausende venezolanische Flüchtlinge auf die Straße. Beim Weltjugendtag demonstrierten einzelne Gruppen von Exil-Venezolanern für Demokratie und einen Regierungswechsel in ihrem Heimatland.
Plünderungen und Todesopfer
Die Bischöfe riefen das Militär auf, die Bürger zu schützen. Die neuen Proteste seien ein Zeichen der Hoffnung. Guaido hatte im Vorfeld jenen Militärs eine Amnestie versprochen, die sich von Maduro lossagen. Zum Auftakt der Anti-Regierungsproteste hat es offenbar bereits vier Tote gegeben. Das berichten regierungskritische Portale und Nichtregierungsorganisationen am Mittwochmorgen (Ortszeit). Unter den Toten befindet sich auch ein Jugendlicher (16), der bei Ausschreitungen im Osten von Caracas ums Leben kam. Drei weitere Opfer wurden bei Plünderungen im Süden des Landes im Grenzgebiet zu Brasilien vermeldet.
In San Felix im Bundesstaat Bolivar ging in der Nacht zum Mittwoch eine erst im Juli aufgestellte Statue des ehemaligen Revolutionsführers Hugo Chavez in Flammen auf. Der neue Parlamentspräsident Guaido hatte am Dienstag seinen Aufruf an die venezolanische Bevölkerung noch einmal bekräftigt: "Gehen wir, um Venezuela zu verändern und die Demokratie zu erobern."
Die Krise in Venezuela
Venezuela wird seit Jahren von einer heftigen innenpolitischen Krise erschüttert. Ende 2015 hatte die Opposition nach langen Massenprotesten die Parlamentswahl klar gewonnen. Danach ließ Maduro das Parlament entmachten und durch eine mit eigenen Anhängern besetzte Verfassungsgebende Versammlung ersetzen, die alle Kompetenzen an sich zog. Die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen 2016 gewann Maduro trotz heftiger internationaler Proteste. Zahlreiche aussichtsreiche Kandidaten waren von der Wahl ausgeschlossen worden, befanden sich in Haft, im Exil, in Hausarrest oder boykottierten aus Protest den Wahlgang.
Viele lateinamerikanische Länder verweigerten Maduro die Anerkennung. Die Bischofskonferenz nannte seine Vereidigung illegitim. In den vergangenen Jahren sind aufgrund der katastrophalen Versorgungslage und Repression bereits mehr als zwei Millionen Venezolaner ins Ausland geflüchtet.