domradio.de: Wie stehen Sie zur der Diskussion, die derzeit in sozialen Netzwerken bezüglich der Kleidung bei einem Kirchbesuch geführt wird?
Pastor Gereon Alter (Großpfarrei St. Josef Ruhrhalbinsel in Essen): Meine Einschätzung ist, dass es erst einmal auf die innere Haltung ankommt, in dem Raum, in dem ich mich bewege. Wenn ich in meinen Radklamotten ankomme, habe ich bislang noch nie ein Problem gehabt, weil ich gut einzuordnen bin. Man denkt, der reist mit dem Fahrrad, hat sich nicht nachlässig gekleidet. Vor allem bewege ich mich respektvoll in dem Raum. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, es gibt in den verschiedenen Religionsgemeinschaften sehr klare Regeln, was geht und was nicht geht. Die sollte man als Tourist dann auch kennen und sich nach Möglichkeit daran halten.
domradio.de: Welche sind das zum Beispiel?
Alter: Ganz klar ist zum Beispiel, dass man einen buddhistischen Tempel nicht mit Schuhen betritt. Oder in einer Moschee, dass man als Mann nicht in den Frauen vorbehaltenen Raum geht. Das ist sowas von klar, und wer sich damit nicht im Vorfeld einer Reise auseinandersetzt und das nicht weiß, der muss die Konsequenzen tragen. Da gibt es Ärger und im Zweifelsfall auch Strafen. Italien ist ein katholisches Beispiel dafür, dass es auch strengere Regeln gibt. Ich habe fünf Jahre in Italien gelebt und habe das immer wieder auch erlebt. Dort wird schon darauf geachtet, dass man einigermaßen anständig gekleidet ist, wenn man eine Kirche betritt. Im Zweifelsfall wird man entweder in Tücher gehüllt oder man wird auch gebeten, das Haus zu verlassen.
domradio.de: Sie waren fast auf der ganzen Welt unterwegs. In welchen Ländern werden diese Regeln denn besonders streng betrieben?
Alter: Sowohl im Islam als auch im Buddhismus gibt es sehr viel strengere Regeln. Der Respekt vor dem sakralen Gebäude wird noch viel höher als bei uns bewertet. Wenn sie den Kölner Dom anschauen, er wird von vielen Menschen erstmal als Kunstwerk besucht, nicht so sehr als Gotteshaus. Vieles, was im Kölner Dom möglich ist, ist in einer Moschee oder einem buddhistischen Tempel nicht ohne weiteres möglich.
domradio.de: Merken Sie denn bei anderen Reisenden, dass sich die Kleiderordnung ein wenig lockert und die Reisenden weniger aufmerksam sind?
Alter: Ja, ich glaube, das ist oft ein mangelndes Gespür. Das gilt nicht nur für sakrale Räume. Ich beobachte das auch anderswo. Ich war ein paar Tage in der Normandie, an den Landungsstränden, es war sehr beeindruckend. Da hat eine Frau, fast mit einem Tanga bekleidet, sich auf einer Skulptur breit gemacht, die an die gefallenen jungen Soldaten erinnert. Das fand ich in einem Maße pietätlos, dass ich dachte: Mein Gott, hat die denn gar kein Gespür dafür, wofür dieses Denkmal steht und was sich dahinter verbirgt? Also, das gilt nicht nur für Sakralräume, für Kirchen oder andere Gebäude, sondern generell. Da meine ich schon im Laufe der Jahre zu beobachten, dass da teilweise ein Gespür verloren geht.
domradio.de: Gibt es Verhaltensregeln, wenn ich als Reisender in ein Gotteshaus gehe. Wie sollte ich mich verhalten?
Alter: Sich erstmal defensiv verhalten - beobachten, wahrnehmen, auch schauen wie sich andere Menschen verhalten. Insbesondere, wie verhalten sich diejenigen, die einheimisch sind? Es gibt ja, Gott sei Dank, auch Hilfestellung. Im Kölner Dom, zum Beispiel, gibt es ja auch Menschen, die auf Touristen zugehen und ihnen entweder etwas erklären oder ihnen Verhaltenstipps geben. Das kann unterschiedlich aussehen. Manchmal hat das den schroffen Titel "Kirchenwachdiens"“. Dann klingt das nach Überwachung und Regulierung. Es gibt aber auch sehr schöne Formen, indem man auf Besucher zugeht, sie willkommen heißt und fragt, ob sie ein besonderes Interesse an dem Gotteshaus haben. Das finde ich sehr wichtig, dass wir das auch als Kirche weiter ausbauen.
Das Interview führte Heike Sicconi.