KNA: Den ersten Autorenvertrag bei Herder erhielt Joseph Ratzinger 1956; insgesamt 60 Publikationen, sein als Papst veröffentlichter Band "Jesus von Nazareth" verkaufte sich später knapp eine halbe Million Mal. Danach gab der Freiburger Verlag die gesammelten Werke heraus. Herr Herder, was bleibt von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.?
Manuel Herder (Verlagschef von Herder und Verleger von Papst Benedikt XVI.): Das Zentrum seines Lebens und Schreibens ist die unbedingte Überzeugung, dass der Glaube den Einklang mit der Vernunft braucht.
Diese beiden Pole zusammenzubringen, das ist sein Lebenswerk. Ich bin überzeugt, dass er vor allem mit seinen Texten und Büchern in Erinnerung bleibt. Besonders seine drei Bände zur Person Jesus von Nazareth werden prägend bleiben. Ich rechne damit, dass kommende Generationen den Autor Joseph Ratzinger noch einmal ganz neu entdecken und wertschätzen werden; losgelöst von seinem Papstamt und den kirchenpolitischen Debatten.
KNA: Ratzinger war der erste Papst seit dem Mittelalter, der sich entschied, sein Amt noch zu Lebzeiten abzugeben.
Herder: Ja, und damit hat er das Papstamt revolutioniert. Die kommenden Päpste werden dieses neue Amtsverständnis nicht übergehen können. Vielleicht steht Benedikt XVI. auch für eine geistesgeschichtliche Epochenwende. Mit ihm endete die Europazentrierung der katholischen Weltkirche.
KNA: Ihr Verlag arbeitete seit 1956 mit Ratzinger zusammen. Wie war er als Autor?
Herder: Joseph Ratzinger war immer höchst professionell und extrem gewissenhaft. Zugleich hatte er verinnerlicht, dass ein Buch durch die Zusammenarbeit mit einem Lektor besser werden kann. Er hat - auch als Papst - Anmerkungen und Fragen aufgenommen. Ratzinger war ein Mann des geschriebenen Wortes. Selbst als Papst hielt er sich zwei Nachmittage pro Woche frei, um an Predigten, Katechesen oder langen Texten zu arbeiten.
KNA: Wie lief die Textproduktion konkret ab?
Herder: Ratzinger pflegte mit der Hand zu schreiben, oft mit Bleistift. In einem zweiten Schritt sah er die Texte nochmals durch und diktierte sie dann auf Kassette. Die Aufnahme wurde von einer Mitarbeiterin abgetippt. Und kam dann über seinen Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, zu uns.
KNA: Das lief auch noch nach seiner Papstwahl so?
Herder: Ja, auch wenn es dann manchmal länger dauerte. Und anders als viele prominente, wichtige Autoren: Er verließ sich immer vor allem auf sein eigenes Urteil und brauchte keine Heerschar publizistischer Berater. Unser Ziel war immer, den fertigen Text möglichst schnell zu veröffentlichen. Oft bin ich dann nach Rom gefahren, um ihm das fertige Buch zu überreichen.
Das Interview führte Volker Hasenauer.