Zentralratspräsident wirbt für mehr Zivilcourage in Deutschland

Verschwörungstheorien wie im Mittelalter

Juden leben in Deutschland sicher, so der Präsident des Zentralrats der Juden. Nach dem Attentat in Hanau habe es eine Solidarität gegeben, die "ihresgleichen nach der Shoah suchen" könne. Inzwischen werde jedoch auch immer offener gehetzt. 

Juden in Deutschland / © Markus Nowak (KNA)
Juden in Deutschland / © Markus Nowak ( KNA )

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat zu mehr Zivilcourage aufgerufen. Dem Bayerischen Rundfunk sagte er am Dienstag, wenn es am Stammtisch oder im Freundeskreis fremdenfeindliche, antisemitische oder rassistische Äußerungen gebe, dann solle man sich einschalten und nachfragen, ob den Betreffenden bewusst sei, was sie gesagt hätten. Dazu brauche es nicht sehr viel Mut.

Anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Zentralrats der Juden sagte Schuster, privat lebten Juden in Deutschland sehr sicher. Ihre Institutionen, wie etwa die jüdischen Gemeinden, seien aber auf die Sicherheitsmaßnahmen durch die Behörden angewiesen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie beobachtet der Zentralratspräsident auch eine Zunahme von antisemitischen Verschwörungstheorien. Diese erinnerten ihn an das Mittelalter, als man die Juden für den Ausbruch der Pest verantwortlich gemacht habe, so Schuster.

Nach Halle viel Solidarität erfahren

Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 habe Schuster außergewöhnlich viel Solidarität erfahren. Das sagte er am Dienstag dem Inforadio vom rbb: "Ich kann sagen, dass nach dem Anschlag von Halle eine Welle der Solidarität zu bemerken war, die ihresgleichen nach der Shoah suchen kann."

Das Attentat sei ein massiver Rückschlag gewesen, so Schuster weiter. Man wisse, dass etwa 20 Prozent der deutschen Bevölkerung Vorurteile gegen Juden hätten. 80 Prozent hätten aber keine. Mit Blick auf die AfD sagte er, wenn man auf die vergangenen Jahre zurückblicke, so werde inzwischen deutlich offener gehetzt. Schuster verwies auf Begriffe wie "Wende der Erinnerungskultur" und "Mahnmal der Schande".

Generell gebe es in der Bevölkerung in Deutschland weiter sehr viele Ressentiments gegen Juden, fügte Schuster hinzu. Er bekomme antisemitische E-Mails und Zuschriften, auch am Stammtisch gebe es solche Äußerungen. In Zusammenhang mit der Corona-Pandemie seien auch Verschwörungsmythen wieder aufgetaucht, ähnlich wie im Mittelalter, als es um Brunnenvergiftung und die Pest ging.


Quelle:
KNA
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