Ökumene-Preis für "Internationale Nagelkreuzgemeinschaft"

Versöhnung wichtiger denn je

Die "Internationale Nagelkreuzgemeinschaft" aus Coventry ist am Samstag in München mit dem Ökumenischen Preis der Katholischen Akademie in Bayern geehrt worden. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Autor/in:
Barbara Just
Kopie des Nagelkreuzes von Coventry / © Norbert Neetz (epd)
Kopie des Nagelkreuzes von Coventry / © Norbert Neetz ( epd )

Im Jahr des Brexit und 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs solle damit bewusst die "christlich motivierte Aussöhnung zwischen Briten und Deutschen" gewürdigt werden, heißt es in der Begründung der Akademie. Sie sei ein Vorbild "für vielfältige Formen der Versöhnungsarbeit über Konfessionsgrenzen hinweg".

Die "Internationale Nagelkreuzgemeinschaft" ist ein weltweites ökumenisches Netzwerk für Frieden und Versöhnung. Seinen Ursprung und sein Zentrum hat es in der mittelenglischen Stadt Coventry, die im November 1940 von der deutschen Luftwaffe weitgehend zerstört wurde. Bei dem Bombenangriff sollte erstmals durch flächendeckende Zerstörung von ziviler Infrastruktur die Bevölkerung demoralisiert werden.

Im Radio zur Versöhnung aufgerufen

Als "unfassbar mutig und visionär" würdigte Akademie-Direktor Achim Budde das damalige Verhalten des Propstes der Kathedrale von Coventry, Richard Howard. Dieser habe inmitten des Rufs nach Vergeltung schon wenige Wochen später aus den Trümmern seiner Kirche im Radio zur Versöhnung mit den Deutschen aufgerufen. Aus Zimmermannsnägeln des niedergebrannten Dachstuhls der Kathedrale wurden Kreuze geformt und später an Orte der Versöhnung verliehen.

Weltweit gibt es an die 250 Nagelkreuzzentren, in Deutschland sind es mehr als 70, etwa die Dresdner Frauenkirche oder die kirchliche Arbeit in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Jeden Freitagmittag wird die Versöhnungslitanei von Coventry gebetet. Ihr zentraler Vers lautet: "Vater vergib!"

Europa nicht nur im exklusiven Sinn verstehen

Der anglikanische Dekan der Kathedrale von Coventry, John Witcombe, nahm mit dem Vorsitzenden der Deutschen Nagelkreuzgemeinschaft, Oberkirchenrat Oliver Schuegraf, die Auszeichnung entgegen. Witcombe betonte, das Eintreten für Versöhnung sei in diesen Tagen wichtiger denn je. Dazu komme der Einsatz für die Ökumene und den interreligiösen Dialog. Letztlich gehe es um das "Heilen der Wunden der Geschichte" und darum, eine Friedenskultur zu bauen.

Der Bischof von Coventry, Christopher Cocksworth, rief dazu auf, darüber nachzudenken, "was uns eigentlich zu Europäern macht" und wozu Europa da sei. Dabei bezeichnete er es als kontraproduktiv, Europa nur in einem exklusiven Sinn zu verstehen. Stattdessen sollte das Zusammenspiel von Menschen und Ideen gesehen sowie die Teilnahme all derer gefördert werden für das, was man wirklich eine europäische Lebensweise nennen könne. Für das Ziel von Einheit und Gemeinwohl müssten immer auch die Mittel hinterfragt werden. Vor allem aber sollte sich Europa im christlichen Sinne als Friedensstifter verstehen.

Weitere Preisträger

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx nannte Cocksworth' Worte eine "Ermutigung aus geistlicher Perspektive für unseren Auftrag in Europa". Sich zu erinnern sei eine Heilung und letztlich eine Form der Erlösung. Es gehe darum, aus dem Erinnern neue Möglichkeiten für die Zukunft aufzutun.

Zuletzt hatten Marx und sein evangelisches Pendant in Bayern, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, den Preis 2017 erhalten. Zu den weiteren Trägern zählen der SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier, Kardinal Walter Kasper und die ökumenische Bruderschaft von Taize. Die Auszeichnung wird seit 1995 alle zwei bis drei Jahre verliehen. Sie geht zurück auf eine Stiftung des Münchner Rechtsanwalts Hanns Gierlichs (1907-1993). Ursprünglich sollte die Verleihung 2020 stattfinden, musste aber pandemiebedingt verlegt werden.


Quelle:
KNA