Geldstrafen für Mitglieder selbsternannter "Scharia-Polizei"

Verstoß gegen Uniformverbot

Sie zogen im September 2014 mit Warnwesten durch Wuppertal und nannten sich selbst "Scharia Polizei". Ihr Auftreten hatte bundesweit für Empörung gesorgt. Nun verurteilte das Landgericht die Mitglieder der Gruppierung zu Geldstrafen.

Foto der Shariah Police (Scharia Polizei) / © Jörg Loeffke (KNA)
Foto der Shariah Police (Scharia Polizei) / © Jörg Loeffke ( KNA )

Alle sieben Angeklagten befand die sechste große Strafkammer für schuldig, gegen das versammlungsrechtliche Uniformverbot verstoßen oder Beihilfe dazu geleistet zu haben, wie das Gericht am Montag mitteilte. (AZ: 26 KLs 20/18)

Die sieben Männer mit mutmaßlicher Nähe zur salafistischen Szene, die im September 2014 mit Warnwesten durch Wuppertal gingen, auf denen teilweise der Schriftzug "Sharia Police" zu lesen war, hätten eine einschüchternde Wirkung auf Muslime ausüben können, begründeten die Richter ihr Urteil. Bei der Wahl des Namens hätten sich die Angeklagten bewusst an ausländische gleichnamige militante Gruppierungen angelehnt.

Sachverständiger Islamwissenschaftler angehört

In dem Hauptverfahren wurde auch ein sachverständiger Islamwissenschaftler angehört. Dieser habe bestätigt, dass in verschiedenen Ländern eine "echte" Scharia-Polizei einschüchternd auftrete und unter Umständen auch unter Verwendung von Rohrstöcken gewaltsam zur Einhaltung islamischer Glaubensregeln mahne, erklärten die Richter. Daher sei davon auszugehen, dass die Verwendung des Namens "Sharia Police" in Verbindung mit den Warnwesten geeignet sei, hier lebende Muslime einzuschüchtern.

Mit der Verurteilung der Männer im Alter von 27 bis 37 Jahren aus Wuppertal, Willich und Krefeld zu Geldstrafen sei die Kammer den Anträgen der Staatsanwaltschaft gefolgt, erklärten die Richter. Die Angeklagten erhielten Strafen zwischen 30 und 80 Tagessätze bis zu 40 Euro. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof ist möglich.

In dem Verfahren war in der vergangenen Woche auch der mutmaßliche Initiator der Aktion, der aus der Haft entlassene ehemalige Salafistenprediger Sven Lau, als Zeuge aufgetreten. Er hatte vor Gericht erklärt, das Ziel sei gewesen, Muslime an ihre Religion zu erinnern, nicht ihnen Angst zu machen. Laus Verfahren im Zusammenhang mit der "Scharia-Polizei" war 2016 abgetrennt worden, weil er wegen schwererer Straftaten verurteilt wurde.

Bundesweite Empörung ausgelöst

Der Streifzug der "Scharia-Polizei" vor fünf Jahren hatte bundesweit Empörung ausgelöst. Mit dem Gang durch die Wuppertaler Innenstadt im September 2014 wollten die selbst ernannten Sittenwächter durch persönliche Ansprache junge Muslime davon abhalten, Spielhallen, Bordelle oder Gaststätten aufzusuchen.

Zunächst hatte im Jahr 2016 die zweite große Strafkammer des Wuppertaler Landgerichts sieben von ursprünglich neun Angeklagten freigesprochen. Nach Ansicht der Richter hatten die Warnwesten keine einschüchternden Effekte. Auch wurden die Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, gegen das Uniformverbot verstoßen oder Beihilfe dazu geleistet zu haben.

Dieser Auffassung widersprachen jedoch die Richter des Bundesgerichtshofs und bewerteten das Wuppertaler Urteil als "rechtsfehlerhaft". Das Landgericht habe nicht ausreichend die einschüchternde Wirkung der Gruppe mit den Warnwesten vor allem auf muslimische junge Männer geprüft, urteilten die Karlsruher Richter im Januar vergangenen Jahres. (AZ: 3 StR 427/17)

Sie verwiesen das Verfahren zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des Wuppertaler Landgerichts zurück. Die sechste große Strafkammer hatte das Hauptverfahren dann am vergangenen Montag aufgenommen.

Islamisches Gesetz

Die Scharia, das islamische Gesetz, umfasst die religiösen Pflichten und alle Rechtsvorschriften, die nach islamischer Lehre das Leben gemäß dem Willen Gottes regeln. Ihre Beachtung entscheidet demnach über Lohn und Strafe im Jenseits.

Der arabische Begriff kommt im Koran vor und heißt so viel wie "Weg zur Wassertränke". Nach muslimischer Auffassung regelt die Scharia das Dasein des Einzelnen und der Gemeinschaft umfassend und vollkommen. Sie erfasst dem Anspruch nach alle Bereiche des religiösen, zwischenmenschlichen und staatlichen Lebens. Theoretisch gilt sie auch für Nichtmuslime und besteht unverändert bis ans Ende der Welt.

Entwickelt wurde die Scharia von islamischen Juristen des achten und neunten Jahrhunderts. Die beiden wichtigsten Quellen der Rechtsfindung sind der Koran und die überlieferten Aussagen und Taten des Propheten Mohammed, die Sunna. Daneben dienen der Konsens der Gelehrten und der Analogieschluss auf Grundlage vergleichbarer früherer Fälle als Kriterien für das richterliche Urteil. Die selbstständige Rechtsauslegung, der "idschtihad", gilt im sunnitischen Islam seit dem zehnten Jahrhundert als unzulässig.

In fünf Kategoerien unterteilt

Alle menschlichen Handlungen unterteilt die Scharia nach fünf Kategorien: verpflichtend, verboten, erlaubt, verpönt und empfehlenswert. Die einzelnen Bestimmungen sind in den Werken der vier sunnitischen Rechtsschulen kodifiziert, die sich nur in Details unterscheiden. Daneben haben die Schiiten eigene juristische Lehrbücher.

Die meisten islamischen Staaten erkennen die Scharia zwar als Basis und Quelle ihrer Gesetzgebung an, besonders im Familienrecht. Sie weichen aber teils erheblich davon ab, etwa im Strafrecht. Vor allem Saudi-Arabien beansprucht, das islamische Gesetz in reiner Form umzusetzen.


Das Wort "Salafist" auf einem Buchrücken / © Christoph Schmidt (dpa)
Das Wort "Salafist" auf einem Buchrücken / © Christoph Schmidt ( dpa )
Quelle:
epd , KNA
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