KNA: Im Mai soll der Ökumenische Kirchentag gefeiert werden. Da wird auch über das Abendmahl diskutiert - macht das unter Corona-Bedingungen überhaupt Sinn?
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland / EKD): In der Tat ist es sehr, sehr schmerzlich, dass wir in diesem "Jahr der Ökumene auf die beiden großen Präsenzveranstaltungen - die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe und den Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt/Main - verzichten müssen. Wir haben lange gehofft, dass beim ÖKT auch Präsenzelemente dabei sein könnten, aber aus Verantwortung für die Begrenzung der Infektionsausbreitung haben die Verantwortlichen gesagt, die physische Seite wird auch abgesagt. Man feiert digital und dezentral.
KNA: Zu den Dingen, die in vielen evangelischen Gemeinden derzeit nicht begangen werden, gehört aber genau die Feier des Abendmahls ...
Bedford-Strohm: Das vermisse ich auch sehr, und das ist auch sehr schmerzlich. Es ist wie ein langes Fasten, was wir da erleben. Aber wir können das Abendmahl eben auch nicht gegen den Lebensschutz beziehungsweise den Schutz der Gesundheit ausspielen. Viele Gemeinden entscheiden sich im Moment dafür, das Abendmahl nicht zu feiern, um jedes Gesundheitsrisiko zu vermeiden.
KNA: Was heißt das für die Frage des gemeinsamen Abendmahls beim ÖKT?
Bedford-Strohm: Sie bleibt bestehen, unabhängig, ob sich Menschen beim ÖKT versammeln können. Und ich bin dankbar dafür, dass auch von den katholischen Schwestern und Brüdern und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz deutlich gemacht worden ist, dass Menschen nach einer Gewissensprüfung selbst zu der Entscheidung kommen können, ob sie am Abendmahl oder der Eucharistie teilnehmen.
Als evangelische Christen laden wir alle getauften Christen zum Abendmahl ein. Es wurde in dem Papier "Gemeinsam am Tisch des Herrn" des Ökumenischen Arbeitskreises auch sehr überzeugend herausgearbeitet, dass vom biblischen Befund her keine grundsätzlichen Hürden gegen eine gastweise Teilnahme evangelischer Gläubiger an der Eucharistie vorliegen. Das war schon ein sehr überzeugender Schritt. Diese Diskussion muss jetzt aber in der katholischen Kirche weitergeführt werden. Da sind wir nur Wahrnehmende von außen, aber mit brennendem Herzen.
KNA: Es gibt immer wieder einmal den Vorwurf, dass alle Inhalte der ökumenischen Papiere in der Praxis gar nicht so praktiziert werden - also, dass zum Beispiel auch Nicht-Ordinierte bei den Protestanten das Abendmahl einsetzen ...
Bedford-Strohm: Ich glaube, es ist zentral, welche Grundregel gilt.
Dass man in lokalen Kontexten mitunter auch anderes findet, ist keine Infragestellung dieser Grundregel. Dass auf evangelischer Seite nicht überall alles so gemacht wird, wie es in den Kirchlichen Ordnungen steht, sollte kein grundsätzliches Hindernis für eine ökumenische Verständigung sein, sondern eher ein Anlass für weitere innerevangelische Klärungen. Ganz klar ist: Die Einsetzung des Abendmahls obliegt nur einer dazu berufenen Person. Nicht jede Person kann beliebig das Abendmahl einsetzen. Das ist eine gemeinsame evangelische Überzeugung, die auch eine wichtige Grundlage für das ökumenische Gespräch ist.
KNA: Wie passt das mit Online-Abendmahlsfeiern zusammen, wo dann jeder mit seinem Becherchen und seinem Brot vor dem Computer sitzt?
Bedford-Strohm: Das ist eine spannende Frage, über die wir intensiv im Gespräch sind. Wir wollen dazu aber eine physische Konsultation machen, für die wir uns Zeit nehmen wollen. Denn es ist keine leichte Frage. Das Abendmahl, auch wenn es online stattfinden würde, würde von einem oder einer Ordinierten eingesetzt werden. Die Frage, die diskutiert werden muss, ist aber, ob das Abendmahl auch über digitale Kanäle wirksam gefeiert werden kann.
Aus meiner Sicht ist klar, dass der Heilige Geist auch über digitale Kanäle wirken kann, und auch über das Fernsehen. Die Frage beim Abendmahl ist aber, ob die physische Präsenz der Elemente nicht auch an den Ort gebunden ist, an dem sie eingesetzt werden. Da gibt es in den Bekenntnisschriften Aussagen von Luther, die darauf hinweisen, dass diese Präsenz nötig sei.
Man kann aber diese Passagen auch so lesen, dass sie nur die Tabernakelfrömmigkeit des 16. Jahrhunderts meinen - und man aus den Schriften von damals nicht direkt auf heute schließen kann. Auch ist die Frage nach der Gemeinschaft im digitalen Raum schwierig und für mich auch noch offen. Auch ich habe da noch meine Fragen.
KNA: Zum Beispiel?
Bedford-Strohm: Ich finde, dass wir manchmal zu sehr von einem Verständnis von Gemeinschaft ausgehen, das die Erfahrung vieler junger Menschen nicht beinhaltetet. Für die jüngeren Generationen sind digitale Formen der Kommunikation genauso Formen von Gemeinschaft wie die physische Gemeinschaft. Andererseits spüren wir nach einem Jahr Coronapandemie und vielen, vielen digitalen Konferenzen, dass in der digitalen Begegnung immer auch etwas fehlt an menschlicher Kommunikationsvielfalt. Auch darüber müssen wir reden.
Das Interview führte Benjamin Lassiwe.