Donald Trump kam bisher in den USA bei strenggläubigen Christen - den Evangelikalen - gut an. Daran hat sich offenbar auch durch seine am Wochenende bekannt gewordenen vulgären Äußerungen über Frauen nichts grundsätzlich geändert. Der Charakter des republikanischen Präsidentschaftskandidaten spielt etwa aus Sicht von Tony Perkins, Führer des einflussreichen "Family Research Council", nur eine untergeordnete Rolle.
"Persönlich hat meine Unterstützung für Donald Trump noch nie auf gemeinsamen Werten basiert", betonte Perkins jetzt. Dafür teile er mit Trump die Sorge "bei Themen wie der Besetzung des Supreme Court mit Richtern, die unsere Verfassung ignorieren" oder der "Verwundbarkeit Amerikas durch islamische Terroristen".
Trump bleibt für viele Evangelikale die bessere Wahl
Verglichen mit der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton bleibt Trump für Perkins die bessere Wahl. Dafür schaut der Chef der erzkonservativen Familienorganisation, die sich die Verteidigung traditioneller Werte auf die Fahne geschrieben hat, großzügig über das wenig vorbildliche Verhalten seines Kandidaten für das Weiße Haus hinweg.
Beim zweiten TV-Duell mit Hillary Clinton zeigte sich Trump am Sonntagabend (Ortszeit) zwar reumütig, relativierte seine vieldiskutierten, aus dem Jahr 2005 stammenden sexistischen Äußerungen zugleich aber als "Umkleidekabinen-Gespräche".
Pastor Robert Jeffress von der First Baptist Church in Dallas, der zu den ersten Unterstützern Trumps auf Seiten der christlichen Rechten gehörte, kritisierte Trumps frauenfeindliche Äußerungen in dem vielzitierten Video zwar als "lüstern, verletzend und nicht zu verteidigen". Anschließend tat Jeffress dann aber genau das. Er würde den Kandidaten vermutlich "nicht als Lehrer in der Sonntagsschule" sehen wollen. Doch wenn es "um Familienwerte" gehe, sei "das wichtigste Thema für uns das Verfassungsgericht", betonte der Pastor.
Ähnlich argumentiert Ralph Reed von der "Faith and Freedom Coalition". Es komme nicht bloß auf den Charakter an, sondern darauf, wofür der Kandidat sich stark mache. "In der Hierarchie unserer Sorgen steht eine elf Jahre alte private Unterhaltung mit einem Talkshow-Gastgeber auf einer Busreise ganz unten."
Entschuldigung von Trump
Ein anderer einflussreicher Evangelikaler, Pastor Mark Burns, vertritt die Ansicht, der Trump von 2005 sei nicht mehr dieselbe Person wie der von heute. Er habe sich entschuldigt und damit sollte es gut sein. Das denkt auch Foster Friess, ein Großspender der christlichen Rechten, der meint: "Ich verteidige Trump nicht. Ich vergebe ihm. Was gibt es Fundamentaleres an der Botschaft Jesu?"
Der Vorsitzende der Ethik-Kommission der Southern Baptist, Russell Moore, kann hingegen kaum glauben, wie sich Trumps Pastoren-Freunde verbiegen. "Wie unwürdig ist das? Was für ein Skandal im Lichte der Botschaft Jesu Christi und der Aufrichtigkeit unseres Zeugnisses", fragt Moore. Ihm springt der Präsident des theologischen Seminars der größten protestantischen Einzelkirche in den USA, Albert Mohler, zur Seite. "Ich fühle mich von den Argumenten einiger Evangelikaler gedemütigt. Herr, hilf uns."
Petition evangelikaler Kritiker
Während viele evangelikale Führer Trump die Stellung halten, bleibt unklar, ob die Gläubigen ihnen dabei folgen werden. Zumal es innerhalb der evangelikalen Bewegung der USA Absetzbewegungen von der politischen Agenda der christlichen Rechten gibt.
Innerhalb weniger Stunden erreichte eine Petition evangelikaler Kritiker des Präsidentschaftskandidaten auf "change.org" mehr als 18.000 Unterschriften. "Wir, die Unterzeichner, werden niemals die rassistische, religiöse und geschlechtsbezogene Bigotterie tolerieren, die Donald Trump ständig und freiwillig befeuert."
Das konservative katholische Interessenbündnis CatholicVote.org forderte nach Bekanntwerden des Videos den Rücktritt Trumps. Die Aussagen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten über Frauen seien "ekelhaft und einfach durch nichts zu verteidigen", zitierte das private katholische Mediennetzwerk CNA/EWTN aus einer am Wochenende verbreiteten Erklärung der katholischen Laienorganisation. Sollte Trump nicht selbst die Konsequenzen ziehen und zurücktreten, müsse die Partei aktiv werden, hieß es darin weiter.