Die Bilder sorgten Anfang 2015 für weltweites Entsetzen: In orangefarbenen Overalls knieten 21 koptisch-christliche Ägypter an einem libyschen Strand, wo sie von Extremisten der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) enthauptet wurden. Nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung des Videos im Internet hoben in Ägypten Kampfjets ab. Präsident Abdel Fattah al-Sisi ließ Stellungen des IS bombardieren, um den Tod seiner Landsleute zu rächen.
Ab dem kommenden Montag wird in Ägyptens Wahllokalen der künftige Präsident gewählt. Und da der zweite und weitgehend unbekannte Kandidat Mussa Mustafa Mussa eher als Staffage gilt, steht einer zweiten Amtszeit von al-Sisi wohl nichts im Wege. Viele Christen dürften für den früheren Militärchef stimmen, von dem sie sich Stabilität und Schutz vor islamistischen Übergriffen versprechen. Im Land am Nil stellen sie mit rund neun Millionen Gläubigen zehn Prozent der Bevölkerung - fast alle sind Kopten.
Wiederkehrende Angriffe auf Kopten
Zu Zeiten der Präsidentschaft von Mohammed Mursi "mussten wir viel Psychoterror erleiden", erinnert Anba Damian, Bischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, an Übergriffe während der Amtszeit des Islamisten. Mursi, der aus der Muslimbruderschaft stammte, war nach den Umstürzen des Arabischen Frühlings bei einer demokratischen Abstimmung zum Staatschef gewählt und nach einem Jahr im Sommer 2013 durch das Militär gestürzt worden. Vor wenigen Tagen lobte in einem Wahlaufruf Koptenpapst Tawadros II. die "nationalen Errungenschaft der vergangenen Jahre", die das Resultat der "Einheit und des Zusammenhalts der Ägypter" sei.
Auf Schutz sind die Kopten in Ägypten in der Tat angewiesen: Auch im vergangenen Jahr hatten sie nach Angriffen und Anschlägen viele Tote zu beklagen: Am Palmsonntag im April 2017 kamen bei einem Doppelanschlag auf Kirchen 47 Menschen ums Leben. Einen Monat später wurden fast 30 Kopten bei einem bewaffneten Übergriff auf einen Bus getötet, mit dem sie auf dem Weg zu einem Kloster waren. Al-Sisi verhängte den Ausnahmezustand, der bis heute gilt.
Missachtung von Menschenrechten
Doch im Namen des Anti-Terror-Kampfes geht der Präsident auch gegen Oppositionelle, Medien und Kritiker vor. "Die Regierung duldet keine öffentliche Kritik am Präsidenten", fasst Amr Magdi, Ägypter und Mitarbeiter von Human Rights Watch in Berlin, die Lage zusammen. Laut dem Jahresbericht 2018 der Organisation wurden in drei Jahren mehr als 15.000 Zivilisten vor Militärgerichte gestellt. Folter sei verbreitet und auch die berüchtigte Praxis des "Verschwindenlassens": In zwölf Monaten seien fast 400 Menschen verschwunden, etwa 90 bis heute nie wieder aufgetaucht.
Recherchen der Ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte EIPR zufolge wurden 2017 mindestens 49 Todesurteile vollstreckt. "Früher hat man vor einer Hinrichtung wenigstens noch die Angehörigen benachrichtigt und ihnen die Möglichkeit gegeben, die Gefangenen noch einmal zu besuchen", sagt Menschenrechtler Magdi. Heute würden die Verwandten meist erst im Nachhinein informiert.
Friedliche politische Aktivitäten unmöglich
Christen bekommen in solchen Zeiten den Hass von Muslimen zu spüren, die ihnen unterstellen, die autoritären Maßnahmen gut zu heißen. "Dass der Präsident uns gegenüber eine sanfte und freundliche Sprache pflegt, heißt nicht, dass er uns als gleichberechtigte Bürger behandelt", hebt jedoch Anba Damian hervor. Oft seien es Analphabeten, die nach dem Freitagsgebet auf Christen losgingen, da in einigen Moscheen Hass geschürt werde: Als "Ungläubige, Schweinefleischfresser und Knechte des Kreuzes", würden Kopten beschimpft. Eine bessere Bildung, so der Bischof, wäre der Schlüssel.
Magdi bedauert indes, dass friedliche politische Aktivitäten nicht mehr möglich seien. Christen und Muslime könnten sonst gemeinsam gegen Gewalt auf die Straße gehen, wie es nach dem Umsturz 2011 der Fall gewesen sei. Doch jetzt bestimme die Regierung, dass nur noch die Kirchenführer die Christen repräsentieren dürften. "Das ist keine echte Repräsentation." Vielmehr erlaube es Kirchenoberen, der Gemeinde die eigenen Ansichten aufzudrücken.
Im Fall der am Strand getöteten Kopten hat Ägypten vor wenigen Tagen eine Zusage aus Libyen bekommen: Nach drei Jahren sollen die sterblichen Überreste der Christen nun zurück in die Heimat gebracht werden.