DOMRADIO.DE: Erleben Sie das tatsächlich auch so, dass jetzt viel mehr Menschen und auch Flüchtlinge aus der Ukraine zu den Tafeln kommen?
Wolfgang Hildesheim (Geschäftsführer Tafel Paderborn): Das ist richtig. Wir machen bei uns einmal die Woche Neuanmeldung und wir haben so circa 100 Familien, die im Moment pro Woche bei uns vor der Tür stehen und sich anmelden möchten. Wir haben zehn Außenstellen und verteilen das dann darauf. Aber wir sind auch irgendwann jetzt am Limit, dass wir es nicht mehr schaffen.
DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie bekommen nicht mehr ausreichend Lebensmittel, oder wie äußert sich das?
Hildesheim: Wir haben jetzt einen Aufruf gestartet, Lebensmittel zu bekommen, auch von unseren Großsponsoren und von Privatleuten. Wir haben es in der Zeitung annonciert. Das läuft auch einigermaßen an. Aber es wird irgendwann so sein, dass wir höchstwahrscheinlich nicht mehr genug Lebensmittel haben werden.
DOMRADIO.DE: Wo bekommen Sie die Lebensmittel für die Tafeln denn sonst genau her? Könnten zum Beispiel Supermärkte etwas liefern?
Hildesheim: Wir haben unsere Supermärkte hier so wie Lidl, Rewe, Netto, Edeka und alles, was es sonst an kleinen Lebensmittelmärkten gibt. Dann haben wir auch Großsponsoren, so wie Kühlmann in Westenholz oder Dr. Oetker, wo wir palettenweise Ware kriegen. Aber das ist auch weniger geworden, weil ich auch viel an die Ukraine gespendet haben. Dann haben wir Dosen-Lieferanten hier bei uns in Paderborn, ist auch alles in die Ukraine gegangen. Ein Teil kommt dann zu uns, aber es ist alles einfach weniger geworden.
DOMRADIO.DE: Das heißt, man kann nicht einfach sagen, dann sollen die Firmen doch mehr liefern? So einfach ist es nicht.
Hildesheim: Man hat jetzt die Beziehungen, weil man jetzt jahrelang schon mit denen zusammenarbeitet, die vergessen einen nicht. Aber es ist eben nicht mehr die Menge, die wir sonst gekriegt haben. Ganz extrem ist es bei den Lebensmittelmarken, wo wir die Frischware herkriegen, so wie Obst und Gemüse. Das wird im Moment auch weniger.
DOMRADIO.DE: Jetzt geht ja viel an die Menschen in der Ukraine. Man darf das aber nicht gegeneinander ausspielen. Wie machen Sie das?
Hildesheim: Das kann man eigentlich von unserer Seite aus nicht so sehen, weil die Organisationen organisieren jetzt irgendwelche Transporte in die Ukraine, wo wir keinen Einfluss darauf haben. Wir haben in dem Moment jetzt unsere Kunden hier plus die Neuen, die jetzt dazu kommen, aus der Ukraine und jetzt sollen wir sie versorgen. Wenn wir jetzt vom Amt irgendwelche Anrufe kriegen, dass wieder sechs Familien kommen zum Anmelden, werden die dann erst mal drei Tage grundversorgt und kriegen dann ihre Papiere und können sich bei uns anmelden. Wir müssen auch die Lebensmittel dafür haben, aber da zerbricht sich im Moment keiner, auch von der Regierung, den Kopf.
DOMRADIO.DE: Was würden Sie sich da von der Politik wünschen?
Hildesheim: Ich würde mir wünschen, dass sie uns in dem Moment auch unterstützen, hauptsächlich finanziell.
DOMRADIO.DE: Wenn jetzt von der Seite nichts kommt, wie könnten denn zum Beispiel Privatpersonen die Tafeln unterstützen?
Hildesheim: Das ist das, was wir jetzt mit einem Zeitungsartikel organisiert haben, dass wir die gebeten haben, dass sie jetzt wieder in den Firmen sammeln oder die Privatleute uns Ware bringen. Ich weiß jetzt von vielen Firmen, die mich angeschrieben haben, die jetzt ein Rundschreiben machen. Ich habe hier so einige Firmen, die unter ihren Mitarbeitern sammeln. Das kommt dann auch noch rein. Aber viele Privatleute sammeln jetzt in dem Moment Ware für uns.
DOMRADIO.DE: Wenn jetzt jemand vielleicht keine Ware sammeln kann oder will, aber sich bei der Tafel engagieren möchte, würde Ihnen das auch helfen.
Hildesheim: Das hilft uns auch. Das habe ich auch mit in der Anzeige drin. Es sind auch schon drei oder vier positive Sachen dabei gewesen. Dann haben wir jetzt auch die ersten Ukraine-Flüchtlinge bei uns in der Halle, die helfen, zwei Damen, die sehr gut arbeiten. Die Sprachprobleme haben wir so eigentlich auch nicht, weil ich zwei Leute habe, die ganz gut die Sprache sprechen und die arbeiten mit ihren Handys oder so, das klappt eigentlich ganz gut.
Das Interview führte Hannah Krewer.