"... die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. ... und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme." (Joh 10, 3 f.)
Auslegung zum Sonntagsevangelium (Joh 10,1-10) von Franz Kamphaus
Du bist bei mir ... Mich hat überrascht, dass Immanuel Kant den Hirtenpsalm (23) besonders geschätzt hat. Der große Aufklärer sagt sinngemäß: Ich habe viele Bücher gelesen, aber in keinem Worte gefunden, die so tief gehen wie diese: „Du bist bei mir“ (4). Es steckt in uns eine unzerstörbare Sehnsucht, jemandem zu begegnen, der uns Geborgenheit schenkt, dem wir uns anvertrauen können, ohne uns preiszugeben. Da erreicht uns die Stimme des guten Hirten. Er ist kein Kindermädchen, das Widerspenstigen auf die Finger klopft, er ist eine kraftvolle Autoritätsgestalt. Seine Weide ist kein enger Pferch, vielmehr ein weiter, offener Raum. Nicht der Pferch verbürgt den Zusammenhalt, sondern der Hirt. Er führt ins Freie und gibt in der Freiheit Halt, Schutz vor „Dieben und Räubern“ (Joh 10, 8). Er setzt unserer Sehnsucht ein verlässliches Ziel: „Leben in Fülle“ (10).
Aus: Magnificat. Das Stundengebet. Mai 2020