Maler Caravaggio vor 450 Jahren geboren

Vom gefeierten Star zum verruchten Genie

Sein Können wurde früh erkannt und rettete ihn über viele Eskapaden - bis er die Flucht aus Rom ergreifen musste. An Caravaggio scheiden sich bis heute die Geister. Sein künstlerischer Rang ist aber unumstritten.

Autor/in:
Von Christoph Scholz
Briefmarke der Vatikanischen Post zum 450. Geburtstag des Malers Caravaggio / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Briefmarke der Vatikanischen Post zum 450. Geburtstag des Malers Caravaggio / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Caravaggio eignet sich für Schlagzeilen - auch 450 Jahre nach seiner Geburt. Das Interesse gilt dabei nicht nur dem einzigartigen Werk, sondern ebenso dem turbulenten Leben. Ja, es scheint in manchen Facetten noch aktueller und diente als Film- und Romanvorlage. Folgt man der Kunsthistorikerin Sybille Ebert-Schifferer und ihrer Monografie "Caravaggio, Sehen - Staunen - Glauben", so verdankte er einen guten Teil seinen frühen Starkult nicht zuletzt der gezielten Selbstinszenierung.

Verruchter Künstler?

Die positive Sicht sollte sich allerdings schon bald nach seinem Tod radikal ändern. Biografen wie Giovanni Pietro Bellori machten Caravaggio zum Archetypen des verruchten Künstlers, der einen exzessiven Lebenswandel pflegt. Ein Mythos, der sich bis in die Gegenwart fortschreibt und wiederum zu seiner heutigen Popularität beiträgt.

Michelangelo Merisi - so der Taufname - kam am 29. September 1571 in Mailand zur Welt. Die Eltern stammten aus dem nahe gelegenen Städtchen Caravaggio. Mit 13 Jahren begann der spätere Künstler bei Simone Peterzano eine Ausbildung. Der Durchbruch gelang ihm dann in Rom, nachdem der kunstsinnige Kardinal Francesco del Monte über die Gemälde "Die Wahrsagerin" und "Die Falschspieler" auf das Genie aufmerksam geworden war und ihn als Mäzen in seine Obhut nahm.

Kirchliche Aufträge

Die neue Bildgestaltung sorgte für Aufsehen und verschaffte Caravaggio kirchliche Aufträge. Der neue Elan ist in der Contarelli-Kapelle der Kirche San Luigi dei Francesi zu sehen und zieht bis heute jährlich Zehntausende Besucher in ihren Bann. Die "Berufung des Heiligen Matthäus" (1599-1600) offenbart einen drastischen Realismus, der zugleich seine Dramatik aus einer Verschärfung der Kontraste der Hochrenaissance bezieht. Das Lichtspiel, die betörende Farbgebung und die theatralische Inszenierung inspirieren Maler, Schriftsteller oder Regisseure bis heute.

Mysteriöser Tod

Der charakteristische "Tenebrismo" liegt auch über seinem kurzen, aufgewühlten Leben, das mit kaum 38 Jahren ein jähes Ende in Porto Ercole bei Rom fand - möglicherweise durch die Malaria. Der mysteriöse Tod bot dem Mythos zusätzliche Nahrung. Ebert-Schifferer setzt dem eine Entmythologisierung entgegen, die Meresi wieder auf den Boden der Kunstgeschichte holt und damit in seinen eigentlichen Qualitäten und Vielschichtigkeiten freilegt. So interpretiert sie die Streitlust sowie überzogene Ehrvorstellungen als Anpassung eines Bürgerlichen an den Adelsstand.

Auf der Flucht

Dennoch musste Caravaggio 1605 vorübergehend aus Rom nach Genua fliehen, um sich einer Verhaftung wegen Körperverletzung zu entziehen. Im selben Jahr verließ er die Ewige Stadt endgültig, nachdem er einen Gegner beim Duell tödlich verletzte. Und wieder bekommt der Mythos Flügel: Ein Künstler auf der Flucht, der als Spuren Meisterwerke hinterlässt: in Neapel, auf Malta - wo er Ritter des Malteserordens wird, aber schon nach wenigen Monaten wegen eines Streits wieder ausgeschlossen wird -, in Messina, Palermo, Syrakus, Neapel.

Bis heute stehen sich zwei Deutungstraditionen gegenüber. Auf der einen Seite wird der Künstler als überzeugter Vertreter der katholischen Reform im Geiste von Carlo Borromeo und Philipp Neri interpretiert, auf der anderen Seite als opponierender Freidenker und Vorkämpfer der neuen Wissenschaften.

Armuts- und Frömmigkeitsideal

Caravaggio vereinfacht hoheitliche Bilderthemen, macht Personen aus dem Volk zu Protagonisten, nimmt Prostituierte als Modelle. Hierfür stehen auch die schmutzigen Füße des knienden Paares vor der "Pilgermadonna" in der Cappella Cavalletti. Für jemanden, der sich bei Mariendarstellungen an der Sixtinischen Madonna orientierte, galt dies als ästhetisches Sakrileg. Nicht aber für das Armuts- und Frömmigkeitsideal in der Zeit der Oratorianer und eines Philipp Neri.

Faszination bis heute

Caravaggio holt mit seinen realistischen Darstellungen den christlichen Glauben zurück in den Alltag. Dabei verflacht er die Themen nicht in einen banalen Naturalismus, sondern gibt dem Geheimnis der Menschwerdung Gottes eine ganz eigene Tiefe. Dieser Einbruch der Transzendenz in die Welt faszinierte offenbar die Zeitgenossen ebenso wie den heutigen Betrachter - bis hin zu Martin Walsers Novelle "Mein Jenseits".


Quelle:
KNA