DOMRADIO.DE: Warum ausgerechnet dieser Weg? Hatte der vorher keinen Namen?
Aaron Knappstein (Präsident der jüdischen Karnevalsgesellschaft "Kölsche Kippa Köpp"): Der hatte keinen Namen. Das ist richtig. Wir haben jetzt nicht ausgerechnet diesen Weg ausgesucht, sondern er wurde uns von der Stadt vorgeschlagen. Das ist aber perfekt für uns.
DOMRADIO.DE: Das war früher ein Trampelpfad in der Nähe vom Humboldt-Gymnasium, der dann irgendwann gepflastert wurde.
Knappstein: So ist es. Die Schüler vom Humboldt-Gymnasium, denen es zu weit war, von der Bahn den normalen Weg zu gehen, sind quer über die Wiese gegangen. Das war dann der Trampelpfad. Der wurde gepflastert, hatte aber keinen Namen. Ich finde das sehr sympathisch.
DOMRADIO.DE: Das war ein relativ festlicher Akt bei der Eröffnung des Weges "Kleiner-Kölner-Klub-Weg". Wer war dabei?
Knappstein: Das war ganz wunderbar. Es war natürlich Bezirksbürgermeister Andreas Hupke da, der den offiziellen Akt begleitet hat. Aber es war auch Christoph Kuckelkorn, der Präsident des Festkomitees, da. Wir hatten auch Gäste der benachbarten Karnevalsvereine. Da sind die Roten und die Blauen Funken ansässig und auch die Prinzengarde.
Ein großer Höhepunkt neben unseren eigenen Mitgliedern war auch, dass wir neun Nachfahren von Mitgliedern des ehemaligen Kleinen Kölner Klubs aus Israel und den USA dabei hatten. Das war natürlich eine ganz besondere Sache,
DOMRADIO.DE: Das bedeutet vor allen Dingen, Enkel und Urenkel. Sie haben bereits vorher, in den letzten Tagen, intensiv Kontakt mit denen gehabt. Was haben die erzählt? Wie war das?
Knappstein: Die fallen eigentlich von einer wunderbaren Begebenheit in die nächste. Versuchen Sie mal einem Amerikaner und einem Israeli zu erklären, wie der Karneval funktioniert. Das ist eigentlich gar nicht möglich. Das mussten sie natürlich hier erleben.
Das ist wirklich eine sehr emotionale Reise für sie, weil wir ja nun mal auch in dieser Woche den 9.11. hatten, also die Erinnerung an die Reichspogromnacht. Da waren sie Gäste der Synagogen-Gemeinde und da wurde innerhalb der Gedenkveranstaltung auch sehr explizit mit Bildern und mit Geschichten an ihre Vorfahren erinnert. Da sind schon viele Tränen geflossen - sowohl traurige Tränen, als auch fröhliche Tränen.
DOMRADIO.DE: Aber hatten die auch selbst Erinnerungen? Also konnten die sagen, was ihr Vater, ihr Großvater, ihnen vielleicht mal von früher erzählt haben?
Knappstein: Ja, sehr unterschiedlich. Wir haben eine Familie aus Israel, die nicht die Chance hatte, jemals mit dem Großvater zu sprechen, weil dieser mit der Familie aus Köln deportiert wurde und ermordet worden ist. Nur der Vater von den drei Israelis, die jetzt mit einem Urenkel hier in Köln sind, ist mit 13 Jahren alleine nach Israel emigriert und konnte so überleben. Also die hatten keine Chance.
Aber bei den amerikanischen Gästen gab es schon Gespräche mit dem Groß- beziehungsweise dem Urgroßvater. Sie müssen sich vorstellen, dass die noch während des Krieges in Los Angeles beziehungsweise New York den Kölner Karneval weiter gefeiert haben. Das ist heute völlig unvorstellbar. Aber so war das. Die haben ihre Heimat mitgenommen.
DOMRADIO.DE: Und den 11.11. haben Sie jetzt aber auch mit denen begangen, oder?
Knappstein: Genau. Wir waren Gäste der Oberbürgermeisterin und waren auch am Heumarkt. Sie haben sich immer mehr eingefunden. Das Kölsch schmeckte und es wurde auch geschunkelt und es war einfach nur eine schöne, schöne Atmosphäre. Definitiv.
DOMRADIO.DE: Was zeichnete denn damals diesen Kleinen Kölner Klub, der 1922 gegründet wurde und aus Jüdinnen und Juden bestand, aus?
Knappstein: Eigentlich war es für die damalige Zeit eine ganz normale Gründung. Man ging zuerst kegeln, das war nämlich erst ein Kegelklub und daraus entstand dann dieser Karnevalsverein. Und wie das oft dann so ist, wenn man sich mit Kegelbrüdern trifft, sind sie dann in diesen Karnevalsverein übergegangen.
Übrigens genauso wie die Altstädter. Die feiern ja nächstes Jahr auch ihr 100-jähriges Jubiläum und waren am Anfang auch ein Kegelverein. Das ist jetzt gar nichts Ungewöhnliches. Es gab auch keinen typisch jüdischen Humor in diesem Verein oder so, sondern es waren einfach Juden, die gemeinsam Karneval gefeiert haben.
Und was man sagen muss: Die allermeisten aktiven jüdischen Karnevalisten in der Zeit waren eben nicht Mitglied des Kleinen Kölner Klubs, sondern sie waren in anderen Karnevals-Gesellschaften, wobei der Antisemitismus definitiv zunahm, auch schon in den 1920-er Jahren. Und so ein Verein wie die Ehrengarde hat auch schon Ende der 1920-er Jahre einen sogenannten Arier-Paragraphen eingeführt, also lange vor der NS-Zeit.
DOMRADIO.DE: Jetzt haben sie alle drei Ks: Kleiner Kölner Klub und Sie auch, Kölsche Kippa Köpp. Gibt es noch mehr Parallelen zwischen Ihnen und diesem besonderen Club in den 1920-ern?
Knappstein: Wir sind nicht der Rechtsnachfolger oder so. Das ist uns auch ganz wichtig gewesen. Wir wollen die Historie, das steht auch bei uns in der Satzung, definitiv bewahren. Das sieht man ja auch an den Nachfahren, die hier sind und an unserer Arbeit und den Recherchen.
Aber wir sind ein neuer Verein. Wir sind ja auch offen für Juden und Nichtjuden. Wir nehmen Frauen und Männer auf. Es gibt andere Strukturen, aber natürlich haben wir diese Verbindung mit dem Namen zum Beispiel. Wir haben aber gesagt, wir nennen uns jetzt nicht gleich, weil es auch kein Mitglied gab, was wir hätten fragen können, ob wir das machen dürfen, sondern wir haben dann gesagt: Okay, wir behalten diese drei Ks und nehmen einen neuen Namen.
Wir fühlen uns verbunden, sind aber anders.
DOMRADIO.DE: Wie sehen denn Ihre Planungen für die aktuelle Session aus? Sie werden einige Termine im Kalender stehen haben. Wie viel ist davon klar oder wie viel unklar aufgrund der aktuellen Corona-Situation?
Knappstein: Wir planen wie viele andere auch. Wir haben sicherlich noch den Vorteil, dass wir ein kleiner Verein sind, der auch kleine Veranstaltungen macht. Wir machen unser "Falafel und Kölsch". Eine Veranstaltung ist in der Synagoge für den 9. Januar geplant, die ist leider schon ausverkauft.
Gut für uns, aber schade für Menschen, die vielleicht noch Interesse haben. Aber da müssen wir gucken. Dann machen wir in der Regel noch eine Benefizveranstaltung für das jüdische Elternheim. So heißt das Altersheim in der jüdischen Gemeinde. Diese Dinge planen wir weiter.
Das Interview führte Martin Mölder.