Für den Präsidenten des jüdischen Karnevalsvereins war vieles daran gar nicht jüdisch – außer der Sicherheitskontrollen.
DOMRADIO.DE: Wie kann man sich das vorstellen? War es eine "übliche" Karnevalssitzung?
Aaron Knappstein (Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp"): Wir hatten es ja selber als karnevalistischen Frühschoppen betitelt, weil es um 11:11 Uhr losging. Mit dabei waren einige externe Künstler, die aufgetreten sind. Das war schon das, was eine "übliche" Sitzung ausmacht.
Es war wirklich eine tolle, gelungene Sitzung und noch viel besser, als wir uns erhofft haben. Es hat alles toll geklappt, die Menschen haben während der Veranstaltung und danach nur Positives berichtet. So soll es ja sein, wenn man eine Veranstaltung macht.
DOMRADIO.DE: Die Sitzung wurde durch die Blauen Funken (Kölner Funken Artillerie Blau-Weiß von 1870 e.V.) eröffnet. Wie kam es dazu, dass sie in der Synagoge einen Stopp gemacht haben?
Knappstein: Ja, das war natürlich etwas Besonderes, das so ein Traditionskorps seinen allerersten Auftritt im Jahr 2020 bei uns macht – in einer relativ kleinen Veranstaltung mit gerade mal etwas über 200 Gästen. Das war eine große Freude und eine sehr große Ehre für uns.
Die blauen Funken sind, bevor sie bei uns in den Gemeindesaal gezogen sind, durch den Synagogenraum gezogen. Der Rabbi musste natürlich vorher gefragt werden. Er hat sehr gerne ja gesagt, hatte aber zur Bedingung gemacht, dass sich alle noch einmal im Synagogenraum hinsetzen und er sie für zwei, drei Minuten begrüßen darf. Das war sehr schön, weil er am Ende auch noch für die Session und für die 150 Jahre der Blauen Funken seinen rabbinischen Segen gegeben hat. Das kann sicherlich nicht jedes Traditionskorps dieses Jahr sagen.
DOMRADIO.DE: Welches Zeichen geht denn von dieser ersten jüdischen Karnevalssitzung nach der Nazizeit aus?
Knappstein: Vielleicht geht ein Zeichen davon aus, dass vieles gar nicht jüdisch an dieser Karnevalssitzung war, sondern es war einfach eine Karnevalssitzung. Das ist uns ganz wichtig, dass wir uns – was den Karneval angeht – nicht großartig unterscheiden von anderen Karnevalsvereinen. Obwohl wir auch gestern ganz deutlich die Unterschiede klargemacht haben. Denn, ich sage mal, die etwas leiseren Töne sind halt unsere Töne – vor allen Dingen kommt auch der Sicherheitsaspekt dazu.
Man darf nicht verschweigen, dass die Menschen, die gestern bei uns waren, erst einmal durch eine Art Sicherheitsschleuse mussten. Das ist natürlich schon ein Unterschied zu anderen Veranstaltungen im Kölner Karneval. Das ist Teil der Realität von Jüdinnen und Juden in dieser Stadt – leider – aber es ist eben Teil der Realität und deswegen muss man das auch ansprechen.
DOMRADIO.DE: Kann der Karneval wiederum dafür sorgen, dass vielleicht in naher Zukunft solche Sicherheitskontrollen nicht mehr nötig sind?
Knappstein: Wie bei allem ist immer das Wichtigste, dass man sich kennt und dass der Gegenüber nicht derjenige ist, den man fürchtet oder ablehnt. Dabei ist sicherlich ganz wichtig, sich kennenzulernen. Dazu helfen solche Tage wie gestern natürlich sehr. Die Menschen haben es wirklich richtig genossen. Wenn man sie mitgebucht hat, konnte man auch vorher eine Führung durch die Synagoge erleben. Man weiß dann einfach mehr und kann das auch nach außen tragen.
DOMRADIO.DE: Schauen wir nochmal auf den karnevalistischen Frühschoppen. Mit dabei war auch Kabarettist, Büttenredner und DOMRADIO.DE-Diakon Willibert Pauels. Hat der "bergische Jung" wie gewohnt abgeliefert?
Knappstein: Ja, natürlich. Das war ganz wunderbar, dass er da war. Er hat wirklich ganz tolle Bezüge geschafft, das habe ich auch wirklich so von ihm erwartet. Er hat auch den jüdischen Witz aufblitzen lassen, das war ein ganz besonderer Auftritt. Auch dort waren sehr viele ruhigere Töne drin, aber die Zuschauer haben es genau so gerne angenommen.
DOMRADIO.DE: Beim Rosenmontagszug wird man die "Kölschen Kippa Köpp" aber nicht sehen, oder?
Knappstein: Sie werden den einen oder anderen auf jeden Fall sehen, weil sie bei den Blauen Funken, bei der KG Alt-Köln oder auch bei der Stadtgarde mitgehen. Man wird aber keine eigenständige Truppe erkennen. Wir sind nicht im Festkomitee organisiert und haben auch keine Einladung des Festkomitees ausgesprochen bekommen. Das geht eben auch nur, wenn man ordentliches Mitglied ist. Daher werden wir als Truppe nicht mitgehen, nein.
DOMRADIO.DE: Gibt es dahingehend Planungen, dass sich das irgendwann mal ändert?
Knappstein: Das ist natürlich immer ein Ziel von einem Karnevalsverein in Köln oder wenigstens von den meisten. Es ist aber auch ein großes Ziel und wir haben das bisher immer ganz gut gemacht, dass wir die kleinen Schritte gegangen sind und geguckt haben, dass wir auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Daher glaube ich, dass wir diesen Weg gehen werden, aber wir werden uns die Zeit nehmen.