DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn bei Ihnen aus im Moment? Was ändert sich im Alltag?
Pater Anselm Grün (Benediktinerpater, Kloster Münsterschwarzach): Uns geht es gut, unser Alltag schaut genauso aus wie vorher. Wir haben unsere Chorgebetszeiten, wir haben Eucharistiefeier, unserere gemeinsamen Mahlzeiten. Natürlich halten wir Abstand, dass wir, wenn wir miteinander sprechen, uns nicht zu nahe kommen, aber sonst ist alles normal. Den Friedensgruß machen wir nicht mit Umarmung, sondern nur mit Verneigung. Aber sonst geht das Leben weiter.
DOMRADIO.DE: Seit 1500 Jahren gibt es ja Klosterleben. Was können wir hier draußen denn von Ihnen lernen?
Grün: Damit es kein Lagerkoller gibt, ist es wichtig, ein gutes Verhältnis von Nähe und Distanz zu haben, dass man auch Zeiten für sich selber hat. Man kann nicht die ganze Zeit zusammenhocken, sonst gibt es wirklich einen Lagerkoller. Wichtig ist auch, dass man eine gute Struktur hat. Wir haben ja unsere Rituale, unseren Rhythmus. Und gerade wenn man nichts zu tun hat, wenn die Schüler zum Beispiel daheim sitzen, ist ganz wichtig, dem Tag eine gute Struktur zu geben, gute Rituale zu haben und auch Zeiten, wo man für sich selber allein ist, dass man Nischen hat, in die man sich zurückziehen kann.
DOMRADIO.DE: Ist es denn einfacher als Familie abgeschottet zu sein oder als Gemeinschaft oder ganz alleine?
Grün: Beides hat seine Chancen, aber auch seine Probleme. Wenn man ganz allein ist, kann man natürlich gut allein bleiben. Aber dann ist es umso wichtiger, den Tag sinnvoll zu gestalten, nicht einfach rumzuhängen. Sondern man soll sich eine feste Zeit geben, wann man aufsteht, was man tut, wie man den Morgen beginnt. Ich brauche auch den Plan, was ich tun soll. Ich kann lesen, kann Musik hören, kann etwas schreiben. Ich muss den Tag sinnvoll nutzen. Einfach nur in den Tag hineinzuleben oder nur im Internet herumzuspielen, ist sicher nicht sehr hilfreich.
Mit der Familie ist man nicht allein, das ist ein Vorteil. Aber da ist eben die Gefahr, dass es dann einen Koller gibt, wenn man zu viel Nähe hat, die man sonst nicht gewohnt ist. Und da ist es wichtig, eine gute Balance zwischen Nähe und Distanz zu finden.
DOMRADIO.DE: Jetzt befinden wir uns ja in der Fastenzeit. Wie ist die Corona-Quarantäne denn aus diesem Blickwinkel zu bewerten?
Grün: Quarantäne und quaresima (lat.: Fastenzeit) hängt ja vom Wortursprung her zusammen. Insofern ist es eine aufgedrängte Fastenzeit, wo wir einfach auch verzichten, wo wir still werden oder die Stille suchen. Fastenzeit ist eine Zeit des Trainings der inneren Freiheit. Gerade wenn man jetzt noch von außen her keine Freiheit hat, ist es umso wichtiger, eine innere Freiheit zu finden. Und Fastenzeit ist die Zeit der Reinigung, dass der Geist auch gereinigt wird, Stille kann reinigen.
Aber die Sprache ist auch wichtig. Wenn man ständig über die anderen redet, wird man nicht gereinigt, im Gegenteil, dann wird man innerlich beschmutzt. So kann das ein gutes Training sein, nicht über andere zu reden. Und gerade wenn man sehr eng zusammen ist, ist es sicher nicht so einfach.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.