Die birmanesische Politikerin Aung San Su Kyi wird 75

Von der Friedensnobelpreisträgerin zur Kriegerin

An ihrem 75. Geburtstag an diesem Freitag schaut Aung San Suu Kyi auf ein bewegtes Leben zurück. Die Bilanz ihrer fünfjährigen Regierungszeit fällt hingegen weniger glamourös aus. Der politische Glanz der Friedensnobelpreisträgrin ist verblasst.

Autor/in:
Michael Lenz
Papst Franziskus und Myanmars Regierungschefin Aung San Suu Kyi (Archiv) / © Max Rossi (dpa)
Papst Franziskus und Myanmars Regierungschefin Aung San Suu Kyi (Archiv) / © Max Rossi ( dpa )

"The Lady" kam als Tochter des birmanischen Freiheitshelden General Aung San zur Welt und war gerade zwei Jahre alt, als ihr Vater 1947 ermordet wurde.

Nach dem Militärputsch 1962 verbrachte sie einige Zeit in Indien. Um die populäre Familie als Galionsfigur der Junta-Gegner auszuschalten, war ihre Mutter Khin Kyi als Botschafterin nach Neu Delhi geschickt worden.

Es folgten Jahre des Studiums in Oxford, die Heirat mit Michael Aris und die Geburt ihrer beiden Söhne. Politisch fiel sie in dieser Zeit kaum auf. Das änderte sich 1988, als sie zur Pflege ihrer kranken Mutter in Rangun weilte und als Tochter des Freiheitshelden in den Studentenaufstand gegen die Diktatur hineingezogen wurde.

Die Armee schlug den Aufstand mit blutiger Gewalt nieder, Zehntausende wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland. Das war die Geburtsstunde der NLD (Nationale Liga für Demokratie) und der Beginn der Politkarriere der ASSK, wie die zierliche Frau oft kurz genannt wird.

Friedensnobelpreis ist Geschichte

Ihr Erdrutschsieg bei der Wahl 1990, der vom Militär annulliert wurde, die - mit kurzen Unterbrechungen - 20 Jahre im Hausarrest, der Friedensnobelpreis, das alles ist Geschichte. Die erste freie Wahl nach 20 Jahren im November 2015 katapultierte die politisch unerfahrene Aung San Suu Kyi jäh in die Realität.

Sie wurde Außenministerin und durch den eigens für sie geschaffenen Posten einer Staatsrätin die faktische Regierungschefin. Die Machtfülle ist gleichzeitig aber auch das Menetekel der Frau, die bei vielen als herrisch, kritik- und beratungsresistent gilt. Diese Charaktereigenschaften erschweren ihr auch den Umgang mit der Armee, die in sicherheitspolitischen Fragen das alleinige Sagen hat.

Nach fünf Jahren an der Macht fällt die reform-, wirtschafts- und friedenspolitische Bilanz der NLD und ihrer Chefin ernüchternd aus.

Der Bürgerkrieg in Kachin ist eskaliert, während seit Ende 2018 Chin und Rakhine zu einem weiteren Kriegsschauplatz wurden. "Ohne Not hat sie die von Vorgängerregierung geschaffenen Strukturen für den Friedensprozess mit den ethnischen Minderheiten abgeschafft und erfahrene Experten durch ihre Leute ersetzt", klagt ein westlicher Diplomat, der anonym bleiben möchte.

Das wirft ein Schlaglicht auf ein weiteres Problem: Die führenden NLD-Mitglieder sind alte, akademisch gebildete Leute aus der Elite der Mehrheitsethnie der buddhistischen Bama, die unter der Militärdiktatur verfolgt, ins Gefängnis gesteckt und gefoltert worden waren. Der NLD fehlt es aber in jedem Politikbereich an Erfahrung und Kompetenz. Und an Nachwuchs.

In Myanmar extrem populär

Gleichwohl ist ASSK in Myanmar - anders als im westlichen Ausland, wo ihr wegen der Vertreibung der muslimischen Rohingya ein Menschenrechtspreis nach dem anderen aberkannt wird - weiterhin extrem populär. Ihr Auftritt als Verteidigerin der Nation vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag im Januar wurde zu Hause umjubelt. Myanmar ist vor dem IGH wegen des Völkermords an den Rohingya angeklagt.

Auch in der gegenwärtigen Corona-Krise macht Mutter Su "bella figura". "Sie gibt sich volksnah und ist neuerdings sogar auf Facebook aktiv. Ich habe sie noch nie so entspannt gesehen", beobachtet der Diplomat. Das kann sich schnell ändern. Die bescheidenen wirtschaftlichen Erfolge sind durch die Corona-Krise gefährdet.

Kardinal Bo gibt sich diplomatisch

Zudem hat sie auch Kritiker im eigenen Land. Der Bürgerrechtler Khin Zaw Win wünscht ihr zum Geburtstag "alles Gute und einen würdevollen Rückzug in den Ruhestand". Desillusioniert haben sich zudem die ethnischen Minderheiten von ihr abgewendet, die 2015 die NLD in Scharen gewählt hatten.

Trotzdem stehen die Chancen für eine Wiederwahl der NLD und ihrer charismatischen Führerin bei den Parlamentswahlen im Spätherbst gut.

Kardinal Charles Bo übrigens hält freundlich und diplomatisch formulierte Geburtstagswünsche für die Jubilarin bereit. Gott solle Aung Sang Suu Kyi weiterhin eine gute Gesundheit gewähren, schreibt der Erzbischof von Rangun in einer E-Mail an die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): "Möge sie die Nation mit einer engeren Zusammenarbeit führen, insbesondere bei den kommenden Wahlen und darüber hinaus."


Quelle:
KNA