DOMRADIO.DE: Dürfen Sie sich überhaupt jetzt noch Domdiakon nennen?
Reimund Witte (Domdiakon im Ruhestand): Na ja, vielleicht als Domdiakon in Ruhe. Ich weiß es nicht. Ich habe mir da noch nicht wirklich Gedanken darüber gemacht, was das jetzt ist. Mit dem Domdiakon ist es so, dass ich eigentlich 25 Jahre am Dom bin. Das ist eine viel längere Zeit, als ich ursprünglich mal geplant hatte und was auch (der damalige Dompropst, d. Red.) Bernard Henrichs mir am Anfang gesagt hat: Glauben Sie nicht, dass das eine Tätigkeit ist für eine Lebensstellung.
Es ist dann doch noch viel mehr geworden, als ich dachte. Ich bin vor 30 Jahren geweiht worden: am 5. Mai 1990 zum Diakon hier im Kölner Dom – nach der Vorbereitungszeit. Vom Zivilberuf her bin ich eigentlich Lehrer. Ich habe das erste und zweite Staatsexamen gemacht in Münster und in Hamm, später dann auch noch an der Schule unterrichtet, bevor es mich dann ins Rheinland verschlagen hat. Und so bin ich jetzt 30 Jahre hier im Bistum als Diakon tätig, war zunächst einmal in Buchheim auf der anderen Rheinseite, dann in Lindenthal – Albertus Magnus, dann war ich in Solingen, und dann hat es mich zum Dom gezogen.
DOMRADIO.DE: Vielleicht erklären Sie noch mal ganz kurz: Was macht ein Domdiakon denn?
Witte: Die diakonale Tätigkeit übe ich aus im Rahmen der Seelsorge. Ich bin damals vom Dompfarrer Breitenbruch, als es noch die Dompfarrei gab, gebeten worden, mir Gedanken zu machen, ob ich nicht von Solingen hier an den Dom wechseln möchte. Und hier gibt es am Dom eigentlich genau das, was Sie in jeder Pfarrei finden. Sie haben Kommunionvorbereitung, sie haben Firmvorbereitung. Das geht dann alles über die Domchöre und die Domsingschule. Da bin ich eigentlich immer involviert. Dann gibt es große Feste wie Fronleichnam oder wie St. Martin oder die Sternsinger. Das alles kann man da wunderbar begleiten.
Sie haben die Möglichkeit zu taufen, zu trauen. Alles das, was der Diakon so entfalten kann. Sie können viele Pilger begleiten. Es gibt also ein unheimlich breites Spektrum von Tätigkeiten, die hier im Rahmen unserer Domseelsorge zu tun sind. Seit zehn Jahren gibt es die Pfarrei nicht mehr, sie ist aufgelöst worden und aufgegangen in diesen großen Bereich der Pfarrei St. Aposteln. Das sind im Moment fünf, die zusammen gehen, demnächst sind es elf Innenstadt-Pfarreien. Denen steht Dominik Meiering vor. Der Dom ist nach wie vor exemt.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie denn dem Ruhestand entgegengeblickt in den vergangenen Wochen?
Witte: Ich habe das, ehrlich gesagt, irgendwie verdrängt. Ich habe zwar vor anderthalb Monaten, glaube ich, ist es her, dann meine Urkunde bekommen mit der Entpflichtung durch Kardinal Woelki. Aber so richtig klar geworden, dass es mit dem Ruhestand jetzt beginnt, ist mir erst am letzten Sonntag. Da war ich plötzlich im Proklamandum des Domes. Da hieß es dann in der Ankündigung von Tobias Hopmann, unserem Domzeremoniar, er hat vorgelesen, dass der Domdiakon am kommenden Samstag, am 3. Oktober, um 18.30 im Gottesdienst verabschiedet wird. Das hat mich dann wie so ein Hammer getroffen, und ich hab gedacht: Hoppla, ja, irgendwie geht es ja doch zu Ende.
DOMRADIO.DE: Was war denn Ihre schönste Erinnerung, wenn Sie auf die Jahre zurückblicken?
Witte: Die 25 Jahre waren dermaßen erfüllt, ich muss eine ganze Litanei herunterbeten. Das ging los 1995. Da habe ich angefangen, im September. Und 1998 war dann dieses riesige Domjubiläum: 750 Jahre Kölner Dom mit dem Kapitel hier. Heiner Koch hat es organisiert. Seitdem gibt es auch eine gute Freundschaft und viel Verbindung und sehr viel Intensives, was wir an Begegnungen hatten und erlebt haben in diesen 14 Tagen. Und überhaupt in dem ganzen Jahr, denn 750 Jahre war eine Riesenfeier. Dann 1999 der G8-Gipfel in Köln. Da waren hier die ganzen Politiker im Dom. Ich habe Clinton (damaliger US-Präsident, d. Red.) und ich habe Blair (damaliger Premierminister von Großbrittanien, d. Red.) erlebt. Es war also schon toll. 2000 – Heiliges Jahr. Ich kann das weiter deklinieren.
2005, der Weltjugendtag - ein riesen Erlebnis. Dann der Eucharistische Kongress 2013. 2014 war dann: 850 Jahre Anbetung der Heiligen Drei Könige. Von einem Mega-Ereignis zum nächsten.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich denn jetzt für den Ruhestand? Was haben Sie jetzt noch vor?
Witte: Ich habe mal auch neben meiner Tätigkeit als Lehrer auch noch Kirchenmusik studiert, weil das ein großes Hobby war. Ich war schon in Paderborn, das ist meine Heimat, dann im Domchor und habe beim damaligen Domorganisten in Paderborn dann Orgelunterricht gehabt. Ich habe das in Münster dann während meines Studiums ein bisschen vervollkommnet und habe auch mein Examen gemacht in Kirchenmusik.
Und das ist eigentlich in den letzten Jahren und Jahrzehnten alles viel zu kurz gekommen. Das erste, was ich jetzt mache, ist, dass ich mir eine große 3-manualige Orgel mit Voll-Pedal kaufen werde. Die muss natürlich digital sein, weil alles andere kann man nicht gut bezahlen. Da werde ich mich nochmal wieder richtig reinstürzen. Das ist so eines der wichtigen Hobbys.
Außerdem bin ich froh, dass ich dann auch ein bisschen Zeit für meine Frau habe, denn die ist auch in den Ruhestand gegangen. Wir haben jetzt, denke ich, einiges noch an Zeit vor uns, wo wir dann auch miteinander noch einiges erleben können. Unser Sohn lebt auch hier in Köln nicht weit entfernt. Das sind so wichtige Dinge, wo ich mehr Zeit habe jetzt und das freut mich sehr.
Das Interview führte Michelle Olion.