DOMRADIO.DE: Was ist denn Ihr Thema bei der Veranstaltung?
Dr. Eckart von Hirschhausen (Kabarettist, Moderator, Arzt, Stiftungsgründer): Mit der Stiftung "Gesunde Erde – Gesunde Menschen" sind wir Kooperationspartner. Ich durfte in meinem Impuls darüber sprechen, warum gerade kirchliche Einrichtungen drei super Gründe haben, Pionierarbeit zu leisten. Die Klimakrise hat ganz viele verschiedene Facetten.
Ich rede überhaupt nicht mehr über Klima, ich rede über Lebensgrundlagen. Ich bin Arzt, ich habe das Thema planetare Gesundheit auch erst vor fünf Jahren für mich entdeckt. Aber jeder versteht es sofort, wenn man fragt: Womit beginnt Gesundheit?
Nicht mit einer Tablette, nicht mit einer Diagnose oder einer Operation. Gesundheit beginnt mit der Luft, die wir atmen, mit dem Wasser, was wir trinken können, mit den Pflanzen, die wir essen, mit erträglichen Temperaturen und einem friedlichen Miteinander. Und jeder, der mit offenen Augen durch die Welt geht, weiß doch, dass alle diese fünf Grundlagen von Gesundheit akut in Gefahr sind.
Wir hatten im Sommer 2023 so viele Zeichen wie noch nie, dass die Klimakrise nicht irgendwann, sondern jetzt ist. Was mich sehr antreibt, ist die Frage nach dem "Gegengift"? Wo sind die positiven Erzählungen?
Die Christenheit hat eigentlich eine Idee von Hoffnung, hat eine Idee von einem "Zwischen-Generationenvertrag", dass man sich fragt, warum bin ich Christ? Weil meine Großeltern das schon waren und meine Eltern. Wir haben automatisch eine Idee davon. Was wir vorgefunden haben, wollen wir bewahren. Wir wollen was Gutes weitergeben. Wir wollen Nächstenliebe üben.
Das heißt im 21. Jahrhundert auch "Übernächstenliebe". "Übernächstenliebe" heißt Mitgefühl mit der nächsten und übernächsten Generation, sowohl zeitlich als auch räumlich. Die Klimakrise ist für Menschen im globalen Süden heute schon brutalste Realität.
Es steht noch eine riesige Konfliktwelle bevor, wenn Menschen weder Wasser noch was zu essen haben, noch erträgliche Temperaturen, wenn ein Drittel der Weltbevölkerung zur Migration gezwungen sein werden.
Das sind alles Bilder, die erst mal nicht schön sind. Deswegen habe ich geguckt, wo ist die Hoffnung, wo gibt es tolle Projekte, auch im kirchlichen Raum. Der ganz konkrete Ansatz war, zu fragen: Warum gibt es immer noch Billigfleisch in Kantinen? Können wir nicht einfach eine pflanzenbasierte, leckere Kost zum Standard machen?
DOMRADIO.DE: Auf politischer Ebene bewegt sich gerade noch recht wenig. Es ja auch noch nicht mal klar, ob das 49-Euro-Ticket weiter existieren wird. Sollte Kirche lauter sein?
Von Hirschhausen: Die Kirchen können anders als Politik längerfristig Dinge durchsetzen, weil sie nicht auf Popularität und Wiederwahl basieren, sondern nach wie vor eine der mächtigsten Institutionen sind, eine der größten Arbeitgeber im Land und auch eine der größten Landbesitzer.
Der größte Hebel, den die Kirche hat, ist, ihren Landbesitz und das Verpachten unter klare, nachhaltige Aspekte zu stellen und dafür zu sorgen, dass in Zukunft nur noch jemand Land kriegt, der das so beackert, dass es im wahrsten Sinne ein Gottesacker wird
Das heißt, dass diese Erde erhalten bleibt und nicht mit Pestiziden und mit Dünger plattgemacht wird, sodass nächste Generationen nichts mehr zu essen haben.
Diese Dringlichkeit, mit der wir Veränderungen brauchen, ist vielen bis heute nicht bewusst. Die Kirche kann nicht nur am Sonntag, sondern auch von Montag bis Samstag Vorreiter werden.
DOMRADIO.DE: Was ist die Botschaft an Ihr Publikum?
Von Hirschhausen: Die Kirche hat ein weltumspannendes Netzwerk. Die Kirche hat ein anti-materialistisches Weltbild und ein Menschenbild. Das heißt, wir könnten viel stärker kommunizieren, dass diese Polykrise unserer Zeit auch eine spirituelle Krise ist.
Wir verbrauchen so viel, weil wir nicht wissen, was wir wirklich brauchen. Die Kirchen können die Idee, wie wir leben wollen oder was ein gutes Leben ausmacht, viel, viel selbstbewusster vertreten und als Vorbild vorangehen.
Was gibt es in den Krankenhäusern zu essen? Wieso gibt es nicht auf jeder christlichen Kita eine Dachbegrünung und ein Solarpanel? Was ist mit der Geldanlage von Kirchen? Was ist mit den Ländereien? Unter welchen Bedingungen werden die verpachtet? Und was kann jeder Einzelne tun?
Das Wichtigste, was ein Einzelner heute tun kann, ist, kein Einzelner zu bleiben. Wir müssen Netzwerke bilden. Deswegen bin ich auch hier. Deswegen bin ich auch Kooperationspartner mit meiner Stiftung. Weil es schwer ist, die Welt ehrenamtlich zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören.
Wir müssen aufhören zu glauben, dass meine Bambus-Zahnbürste und mein Jutebeutel den Unterschied machen. Der große Unterschied besteht in den Institutionen, in den Rahmenbedingungen. Und da sehe ich die Kirchen ganz weit vorne.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.