Vor 100 Jahren wurde der Priester Luigi Giussani geboren

Eine "Leidenschaft für den Menschen"

Eine Sehnsucht nach Erfüllung und Glück tragen die allermeisten Menschen in sich: Das war die Überzeugung des Gründers der Bewegung Comunione e Liberazione, Luigi Giussani. Sie sollte sein Lebenswerk prägen.

Autor/in:
Christoph Scholz
Luigi Giussani während des Welttreffens der geistlichen Gemeinschaften in Rom an Pfingsten 1998 / © KNA-Bild (KNA)
Luigi Giussani während des Welttreffens der geistlichen Gemeinschaften in Rom an Pfingsten 1998 / © KNA-Bild ( KNA )

Das medienwirksamste Vermächtnis des Gründers der katholischen Gemeinschaft "Comunione e Liberazione" (CL) (auf deutsch: Gemeinschaft und Befreiung) dürfte das alljährliche "Meeting" in Rimini sein. Zu seinem 100. Geburtstag stand es in diesem Jahr unter dem Motto "Eine Leidenschaft für den Menschen". Genau dies war für den Gründer Luigi Giussani der Kern des Christentums. "Es entstand nicht, um eine Religion zu gründen, sondern aus Leidenschaft für den Menschen", so Giussani.

Kirchliche Bewegung Comunione e Liberazione

Auf dem "Katholikentag von Rimini" gab es diesmal die einzige Diskussionsrunde, an der alle italienischen Parteiführer im diesjährigen Wahlkampf teilnahmen. Und es gab etwa Ausstellungen über die Initiative Memorial, die Bedeutung der Bildgebung in den Wissenschaften, Theateraufführungen und Konzerte.

Der am 15. Oktober 1922 in Desio bei Mailand geborene Lombarde Giussani war in Rimini mit Eloquenz und Humor oft selbst auf dem Podium; aus der Grundüberzeugung, dass Christus mit allen Aspekten des Lebens zu tun hat. Aus diesem Bewusstsein entstand Mitte der 1950er Jahre das, was später die kirchliche Bewegung Comunione e Liberazione werden sollte.

Existenzieller Zugang zum Glauben

Als Pädagoge beharrte er auf der Notwendigkeit, den Glauben mit der Erfahrung zu vergleichen. Nur so sei eine freie und verantwortete Zustimmung möglich. Er ließ sich von der Überzeugung leiten, dass der Mensch, wenn er aufrichtig ist, eine tiefe Sehnsucht nach Glück, Erfüllung, Unendlichkeit in seinem Innersten wahrnehme. Dafür prägte er später den Begriff vom "religiösen Sinn". Diese Erfahrung wurde zum Anknüpfungspunkt für viele ökumenische und interreligiöse Beziehungen.

Der existenzielle Zugang zum Glauben faszinierte offenbar besonders junge Menschen. Inzwischen gehören CL weit über 100.000 Menschen in 90 Ländern an - wobei eine genaue Zahl aufgrund der freien Zugehörigkeit schwierig zu ermitteln ist. Gemeinschaften gibt es unter anderem in Rio de Janeiro, Taipeh, Wien oder New York. Die größte Verbreitung hat CL in Italien, Spanien und Lateinamerika. In Deutschland ist sie vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und im Rheinland präsent.

Gläsernes Grabmal von Don Luigi Giussani / © Alexander Brüggemann (KNA)
Gläsernes Grabmal von Don Luigi Giussani / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Zahlreiche Initiativen folgen

Aus der Erfahrung von CL entstanden zahlreiche Initiativen als persönlich verantwortete und gemeinschaftlich getragene Antworten auf konkrete Nöte. Das gilt etwa für die Vereinigung zur Aufnahme von Menschen mit Behinderung in Familien; eine Initiative zur Selbstverwaltung Gefangener in Perugia; Projekte für Landlose in Brasilien; Anlaufpunkte für aidskranke Frauen in Uganda oder Hilfen für kranke Menschen in der Ukraine und in Russland.

Zu den größeren Initiativen gehören die Compania delle Opere, ein Verband für Unternehmer und gemeinnützige Organisationen, und die Entwicklungshilfeorganisation AVSI mit ihrem deutschen Ableger Support International. Wer das Angebot für sich als verbindlich ansieht, kann der Fraternität beitreten - mit derzeit rund 60.000 Mitgliedern weltweit. Dazu gehören das "Seminar der Gemeinschaft" als Katechese, ein karitativer Einsatz sowie kulturelle Initiativen.

Seligsprechungsverfahren 2012 eröffnet

Seit den Anfängen gab es auch Personen, die das "Gedächtnis Christi" im Arbeitsalltag durch Armut, Keuschheit und Gehorsam leben wollen. Diese "Memores Domini" zählen rund 4.000 Mitglieder, in manchem ähneln sie einer Ordensgemeinschaft. Eine Gruppe von ihnen betreut Ex-Papst Benedikt XVI. im Vatikan. Aus CL entstanden auch die "Priesterbruderschaft des Heiligen Karl Borromäus" mit derzeit weltweit 160 Priestern sowie eine Gemeinschaft von Ordensfrauen, die sich ähnlich den Schwestern von Mutter Teresa dem Gebet und Armen und Bedürftigen widmen.

Für Giussani, der am 22. Februar 2005 in Mailand verstarb, wurde 2012 ein Seligsprechungsverfahren eröffnet. Sein erster Nachfolger, der spanische Theologe Julian Carron, trat im vergangenen Jahr zurück. Der Vatikan hatte zuvor per Dekret die Leiter geistlicher Gemeinschaften zu einer Amtszeitbegrenzung verpflichtet. Die unter Carron begonnene Reform der Statuten wird unter seinem Nachfolger, dem Chemieprofessor Davide Prosperi, fortgeführt. An diesem Samstag hat der Papst die Bewegung aus Anlass des 100. Geburtstags ihres Gründers auf den Petersplatz zur Audienz eingeladen.

Comunione e liberazione

"Comunione e liberazione" (Gemeinschaft und Befreiung, CL) ist eine konservative und sozial engagierte Bewegung in der katholischen Kirche. Sie wurde 1954 im Rahmen der katholischen Studentenseelsorge von dem Priester Luigi Giussani (1922-2005) in Mailand gegründet. Papst Franziskus galt in seiner Zeit als Weihbischof und Erzbischof in Buenos Aires (1992-2013) als Sympatisant der Bewegung.

Teilnehmer vor einem Plakat mit Don Luigi Giussani / © Beatrice Tomasetti (DR)
Teilnehmer vor einem Plakat mit Don Luigi Giussani / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
KNA