Vor 125 Jahren wurde in Deutschland die Sonntagsarbeit verboten

Am siebten Tag sollst du ruhen

Ab 1892 trat das Arbeiterschutzgesetz in Kraft, das Sonntagsarbeit in ihren Grundzügen verbot. Heute flammt die Debatte immer wieder auf. Besonders an diesem Freitag, dem "Europäischen Tag für den arbeitsfreien Sonntag".

Autor/in:
Lynn Osselmann
Viele Geschäfte haben sonntags geöffnet / © Bernd Wüstneck (dpa)
Viele Geschäfte haben sonntags geöffnet / © Bernd Wüstneck ( dpa )

Für Kirchen und Arbeiterbewegung war es ein Erfolg: Das Arbeiterschutzgesetz, das am 1. Juni 1891 verabschiedet wurde. Damit wurde in Deutschland Sonntagsarbeit zum ersten Mal gesetzlich verboten - ein Jahr später, vor 125 Jahren, trat es nach und nach in Kraft. Mit dem Gesetz wurde für bestimmte Bereiche, besonders den Handel, ein genereller Schutz eingeführt. Das Ende der Sonntagsarbeit war damit allerdings nicht erreicht.

"Es gab ein breites Netz an Ausnahmen. So waren die Landwirtschaft und Selbstständige von den Regelungen ausgeschlossen", erklärt Clemens Wischermann, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Konstanz. Schon das gesamte 19. Jahrhundert über hatte es Bestrebungen gegeben, Sonntagsarbeit in einem Reichsgesetz zu verbieten. Versuche, das zu verhindern, gab es viele. "Otto von Bismarck war beispielsweise ein erklärter Gegner der Regelung", sagt der Historiker.

Änderung durch Industrialisierung

Zuvor gab es bereits viele Sonntagsvorschriften. "Aber das waren im Grunde Gottesdienstregelungen, die Sonntagsarbeit in der Regel nicht sehr streng verboten", sagt Wischermann. An ein generelles Verbot der Sonntagsarbeit war in einer weitestgehend landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft ohnehin nicht zu denken. "Das änderte sich durch die Industrialisierung."

Schließlich kam die Debatte über eine Beschränkung der Arbeitszeit auf, darunter fiel auch die Sonntagsruhe. "In diesem Punkt trafen sich die Kirchen mit ihrem Interesse an der Sonntagsheiligung und die Arbeiterbewegung", sagt Wischermann. Es folgten Reichstagsdebatten, 1891 konnte man sich einigen. Ein Kompromiss, an dem man etwa die nächsten 100 Jahre lang festhielt.

"Die Regelungen zum Sonntagsschutz hielten bis in die frühe Bundesrepublik relativ stabil", erklärt der Historiker. "Vor etwa 25 Jahren gab es dann eine breite Diskussion und Vorstöße, die Sonntagsarbeit freizugeben. Etwa von Oskar Lafontaine." Danach sei die Debatte eigentlich wieder eingeschlafen - bis vor einigen Jahren.

Lockerung des Verbots der Sonntagsarbeit

Im Jahr 2015 arbeiteten laut Statistischem Bundesamt etwa 13 Prozent der Arbeitnehmer ständig oder regelmäßig sonntags, bei den Selbstständigen waren es sogar rund 25 Prozent. Auch heute ist die Sonntagsruhe gesetzlich geschützt, laut Wischermann ist der Umgang allerdings freier geworden: "Es gibt immer mehr Situationen, in denen das Verbot der Sonntagsarbeit aufgelockert wird."

Druck kommt vom Einzelhandel. Im November 2016 zum Beispiel forderte der Handelsverband Deutschland (HDE) eine bundesweit einheitliche Regelung zu verkaufsoffenen Sonntagen - ohne Anlass sollten Geschäfte an zehn Sonntagen pro Jahr öffnen können. Derzeit sind die Öffnungszeiten durch Landesgesetze geregelt, meist sind jährlich vier verkaufsoffene Sonntage möglich.

Forderungen wie diese befeuern den seit Jahren lodernden Streit über die Sonntagsruhe - und stoßen bei Kirchen und Gewerkschaften auf Widerstand. 2006 gründete sich die bundesweite Initiative "Allianz für den freien Sonntag", der neben der katholischen und evangelischen Kirche auch Gewerkschaften und andere Organisationen angehören. Für Freitag, 3. März, ruft sie gemeinsam mit Mitstreitern in ganz Europa zum Europäischen Tag für den arbeitsfreien Sonntag auf.

Verkaufsoffene Sonntage teilweise gestrichen

So sorgte ein Eilantrag der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) und der Gewerkschaft ver.di im Auftrag der Allianz im Oktober 2016 dafür, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof einen verkaufsoffenen Sonntag in Frankfurt aus Anlass der Buchmesse untersagte. Ein Sprecher der Gewerkschaft ver.di sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Wenn der Sonntagsschutz im Handel ausgehöhlt wird, werden bald auch andere Branchen sonntags arbeiten lassen wollen." Das könne nicht im Interesse der Arbeitnehmer und der Gesellschaft sein.

Tatsächlich stellten sich zuletzt auch Bürger gegen eine Ladenöffnung am Sonntag. In Münster lehnten die Einwohner im November 2016 eine vom Rat beschlossene Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage mehrheitlich ab. Es war der bundesweit erste Bürgerentscheid zur Sonntagsöffnung von Geschäften.


Quelle:
epd