Als Papst Johannes Paul II. vor 20 Jahren seine bereits 25. Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel veröffentlichte, war der Kalte Krieg zwar seit knapp einem Jahrzehnt vorbei und die Länder Mittel- und Osteuropas, in denen der polnische Papst als Hoffnungsträger galt, vom Kommunismus befreit. Krieg gab es vermeintlich nur fernab der westlichen Welt – und dann auch nur als antiterroristische Eingriffe in sogenannten "Schurkenstaaten".
Johannes Paul II. hingegen, der als Kritiker des damals kontrovers diskutierten US-Interventionismus im mittleren Osten galt, rief damals umso mehr zu Frieden, Freiheit, Wahrheit und Liebe auf. Besonders galt jener Ruf den Medien. Unter Bezugnahme auf die – damals 40, heute 60 Jahre zählende – Enzyklika "Pacem in terris" von Papst Johannes XXIII. rief er sogar zum Widerstand gegen Medien auf, die diese Werte missachten.
Zwar würden Medien oft einen "mutigen Dienst an der Wahrheit" leisten, bisweilen aber auch "als Agenten von Propaganda und Desinformation im Dienst engstirniger Interessen, nationaler, ethnischer, rassischer und religiöser Vorurteile, materieller Habgier und verschiedenster falscher Ideologien" fungieren.
Papst sah strikte Pflicht zu sorgfältiger Berichterstattung
Medien hätten sich dem auf sie "ausgeübten Druck, solcherart auf Abwege zu geraten", zu widersetzen. Ebenso wenig dürften sie eine Gruppe "zum Beispiel im Namen von Klassenkonflikten, übertriebenem Nationalismus, rassischer Überheblichkeit, ethnischer Säuberung" gegen eine andere aufbringen – Phänomene, die sich derzeit nicht ausschließlich, aber besonders im Falle Russlands beobachten lassen.
Ein "besonders schwerwiegendes Vergehen gegen Wahrheit und Gerechtigkeit" stelle aber auch das Schüren von Glaubenskonflikten dar, da religiöse Überzeugungen "zum tiefsten Grund der Würde und Freiheit des Menschen" gehören würden, schrieb Johannes Paul II.
Vielmehr hätten Medien die "strikte Pflicht, durch sorgfältige Berichterstattung über Ereignisse, durch korrekte Erläuterung von Themen und durch faire Darstellung unterschiedlicher Standpunkte Gerechtigkeit und Solidarität in den menschlichen Beziehungen auf allen Ebenen der Gesellschaft zu fördern".
Johannes Paul II. forderte konstruktiven Journalismus
Es gelte, so Johannes Paul II. weiter, also nicht "Missstände und Uneinigkeiten absichtlich irreführend" zu kommentieren, "sondern ihnen so auf den Grund zu gehen, dass sie verstanden und behoben werden können" – ein journalistischer Ansatz, der heute, da die Berichterstattung durch Krieg und Krisen noch mehr als sonst von Negativität geprägt ist, unter dem Label "Konstruktiver Journalismus" an Bedeutung gewinnt.
Andere Gefahren, die der damalige Papst früh kritisierte sind Desinformation und übermäßige Emotionalisierung. Der Freiheit würden Medien dienen, wenn sie der Wahrheit dienten – die Freiheit hingegen blockieren, wenn sie "durch die Verbreitung von Unwahrheiten oder durch die Erzeugung eines Klimas fragwürdiger emotionaler Reaktionen auf die Ereignisse von dem abweichen, was wahr ist."
Nur wenn Menschen freien Zugang zu wahrheitsgetreuer und ausreichender Information hätten, könnten sie für das Gemeinwohl eintreten. Dafür müssten aber auch die Medien selbst frei sein, nicht nur im rechtlichen Sinne. "Ihre privilegierte Stellung verpflichtet die Medien, sich über rein kommerzielle Anliegen zu erheben und den wahren Bedürfnissen und Interessen der Gesellschaft zu dienen."
Wahrheit statt politischer oder finanzieller Macht dienen
Vehement verschloss sich Johannes Paul II., wenn er auch eine "gewisse öffentliche Regelung für die Medien" zugunsten des Gemeinwohls anerkannte, gegen ihre Kontrolle durch Regierungsstellen oder Kapital.
Journalisten hätten "die schwerwiegende Pflicht, den Forderungen ihres moralischen Gewissens zu folgen und dem Druck zu widerstehen, durch 'Anpassung' der Wahrheit die Forderungen der Macht des Geldes oder der Politik zu befriedigen." Nun stellten letztere zwar schon seit jeher Versuchungen der Presse dar.
Mit dem Wegfallen des Anzeigenmarkts als Geldquelle aber sehen sich Redaktionen heute mehr denn je Profit- und Rechtfertigungsdruck ausgesetzt und müssen ihre Finanzierungsmodelle anpassen, was eigene Chancen und Gefahren birgt – während Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland zunehmend zum Reizthema wird.
Teilhabe Schwächerer an Information und digitalen Medien
Auch eine Überwindung des "Digital Divide", der Kluft zwischen den Teilen der Gesellschaft und Welt mit und ohne Zugriff zu digitalen Medien, mahnte Johannes Paul II. im Grunde schon damals an.
Es gälte nicht nur Wege zu finden, "um den schwächeren Kreisen der Gesellschaft Zugang zu der Information zu verschaffen, die sie für ihre individuelle und soziale Entwicklung benötigen", sondern auch dafür zu sorgen, dass ihnen eine "Rolle bei der Entscheidung über Medieninhalte und bei der Festlegung der Strukturen und Politik der sozialen Kommunikationsmittel" zukomme.
Schließlich betonte Papst Johannes Paul II., dass Medien eine enorme Rolle beim Aufbau internationalen Vertrauens spielten, der, wie Johannes XXIII. auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges und seiner Rüstungswettkämpfe erklärt hatte, allein für Frieden sorgen könne.
Medienleute sollen "Schranken des Misstrauens niederreißen"
Die Macht der Medien, schloss er, bestünde darin, dass sie "innerhalb weniger Tage die positive oder negative öffentliche Reaktion auf Ereignisse, wie sie ihren Zwecken entspricht, erzeugen können" – heute hätte er wohl den längst so geläufigen wie umstrittenen Begriff "Framing" gebraucht.
Eine "so enorme Machtfülle" verlange "die höchsten Maßstäbe der Verpflichtung zu Wahrheit und Redlichkeit" – für global agierende Social-Media-Konzerne, deren Führungsstrukturen oft intransparent sind und kaum öffentlichem Legitimationsdruck unterliegen, dürfte das heute umso mehr gelten.
Deshalb seien Medienleute verpflichtet, "in allen Teilen der Welt dadurch zum Frieden beizutragen, dass sie die Schranken des Misstrauens niederreißen, das Eingehen auf den Standpunkt anderer fördern und sich immer darum bemühen, Völker und Nationen in gegenseitigem Verstehen und gegenseitiger Achtung zusammenzubringen und – über Verstehen und Achtung hinaus – zu Versöhnung und Erbarmen zu führen".