DOMRADIO.DE: Wo und wie hast Du denn diesen Tag erlebt?

Johannes Schröer (Stellvertretender DOMRADIO.DE-Chefredakteur): Das war einer der beeindruckendsten Tage meines Lebens. Eigentlich fing dieser Tag, an dem Johannes Paul II. beigesetzt wurde, schon am Abend vorher an, denn zehntausende Menschen haben auf der Via Conciliazione – das ist die Prachtstraße, die vom Tiber zum Petersdom führt – übernachtet. Auf Isomatten oder Decken lagerten Jung und Alt auf der Straße, beteten, warteten geduldig und friedlich auf den Tag der Beisetzung.

Dazwischen waren Bedienstete der Stadt Rom unterwegs und haben kostenlos Wasserflaschen verteilt. Das muss man ausdrücklich betonen, wie hervorragend die Stadt Rom diese absolut unvorhersehbare Ausnahmesituation organisiert hat. Denn an diesem Tag sollen es vier Millionen Menschen gewesen sein, die nach Rom gekommen sind. Davon waren allein 400.000 auf dem Platz und der Straße vor dem Petersdom.
DOMRADIO.DE: Am Tag der Beisetzung war in Rom in Richtung Petersplatz alles abgesperrt, weil der Platz schon überfüllt war. Wo warst du an dem Tag?
Schröer: Weil ich in diesen Wochen als Praktikant für Radio Vatikan unterwegs war, hatte ich das Privileg, einen Vatikan-Sonderausweis zu haben. So konnte ich zum Beispiel in den Tagen zuvor auch über einen Seiteneingang in den Petersdom, wo der Leichnam von Johannes Paul II. aufgebahrt war. Normalerweise musste man bis zu 24 Stunden in der Schlange durch ganz Rom anstehen und warten, um Abschied zu nehmen. Ich bin einige Male in den Petersdom gegangen.

Da passierte es schon mal, wenn ich vor dem Leichnam innehielt, dass rechts neben mir plötzlich Bill Clinton stand. Es waren ja damals über 200 Staatsgäste aus aller Welt nach Rom gekommen. Am Tag der Beisetzung selbst habe ich mich mit den Kollegen von Radio Vatikan durch die Menschenmenge gedrängt und wir sind dann auf der Dachterrasse des sehr nahen Jesuiten-Gästehauses gestiegen, sodass wir einen unbeschreiblichen Blick von oben hatten. Damals war noch Pater Eberhard von Gemmingen Leiter von Radio Vatikan und der hat uns als Jesuit diesen Ausblick hoch oben ermöglicht.
DOMRADIO.DE: Dann kam die Trauerfeier. Wie hast du die in Erinnerung?
Schröer: Das waren Bilder, die man nicht vergisst. Da stand der schmucklose, schlichte Holzsarg aus Zypressenholz auf einem Teppich. Und dann der Wind. Der Wind schien an diesem Tag der Hauptzelebrant der Trauerfeier zu sein. Dieses Bild, wie der Wind in den Seiten des roten Messbuchs von Johannes Paul II. blättert, die Seiten wie von höherer unsichtbarer Hand hin- und herblättert, ist immer noch im Gedächtnis. Der Wind, der auch die roten, purpurroten Roben der Kardinäle aufbauscht und auch den Wandteppich vor dem Hauptportal hin und her wirft. "Alles ist Windhauch", dieses Wort aus der Bibel, ist einem da sofort eingefallen.

Und ein Satz von Kardinal Ratzinger auf der Trauerfeier ist mir auch in Erinnerung geblieben. Dass Johannes Paul II. jetzt nicht mehr am Fenster, wie wir ihn kennen, hoch oben beim Angelus-Gebet über dem Petersplatzes stehen wird, aber jetzt am Fenster des himmlischen Vaters steht und uns von oben segnet. Und immer wieder wird Kardinal Ratzinger in seiner Predigt auch von rufenden Gruppen unterbrochen, die santo subito – "ein Heiliger, sofort" – rufen. Dieser Ruf ist dann auch in diesen Tagen immer und immer wieder in den Straßen Roms zu hören.
DOMRADIO.DE: Und dann, am Ende der Trauerfeier, fing es an zu regnen.

Schröer: Ja, das war kurz nachdem der Sarg in den Petersdom getragen worden war. Dazu läutete die große Andreasglocke über dem Petersplatz. Johannes Paul II. ist dann in der Krypta des Petersdoms, im kleinen Kreis, so wie es sein Wunsch war, beigesetzt worden. Ich bin noch einmal runter auf den Petersplatz, wo sich die Menschenmenge recht schnell auflöste. Melancholisch, traurig, aber auch froh, über das Leben und Wirken dieses großen Papstes Johannes Paul II.
Das Interview führte Heike Sicconi.