Die Folgen für die aufstrebenden Kirchen in Fernost waren fatal. Das definitive Verbot der Verehrung der Ahnen und des Philosophen Konfuzius durch den Papst bedeutete für die vielversprechende katholische Mission in China, aber auch in Japan, Korea oder Vietnam einen herben Rückschlag. Mit der Bulle "Ex quo singulari" vom 11. Juli 1742 - vor 275 Jahren - verlangte Benedikt XIV. von allen China-Missionaren einen feierlichen Eid auf das Verbot der asiatischen Riten. Damit ging ein langer Ritenstreit zu Ende.
Rund 130 Jahre lang (ab 1610) hatten die Missionare in China um Missionsmethoden und um ihre Haltung zu Gesellschaft, Kultur und Traditionen gerungen und gestritten. Die Fragen lauteten: Dürfen die neugetauften Christen die traditionelle Konfuzius- und Ahnenverehrung beibehalten? Oder bedeuten sie Aberglauben, Irrlehren und Götzendienst, derer sich Christen enthalten müssen? Handelt es sich dabei um zivile Riten und kulturelle Bräuche oder um religiöse Handlungen? Darf man den Gottesnamen mit den chinesischen Begriffen wie "Himmel" oder "höchster Herr" übersetzen?
Zwei Dekrete regelten den Brauch
Die Jesuiten, deren Missionare unter Matteo Ricci 1583 als erste ins Reich der Mitte kamen, räumten den Konvertiten einigen Freiraum in der Beibehaltung ihrer bisherigen Traditionen ein. Die spanischen Dominikaner und Franziskaner, die 50 Jahre später folgten und vor allem im ländlichen Raum missionierten, sahen die Ahnen- und die Konfuziusverehrung kritischer. Schon 1645 erwirkten sie von Papst Innozenz X. ein erstes Verbot dieser Traditionen, das Alexander VII. elf Jahre später wieder rückgängig machte.
Eine Zeitlang galten beide Dekrete nebeneinander - je nachdem, ob es um zivile oder religiöse Bräuche ging.
Schroffe Reaktion
1715 verurteilte Papst Clemens XI. dann in dem Dekret "Ex illa die" offiziell die Ahnen- und Konfuziusverehrung. Kaiser Kangxi (1661-1722), der den Christen durchaus aufgeschlossen begegnet war, reagiert schroff. Denn das prinzipielle "Nein" Roms zur Ahnen- und Konfuziusverehrung war für ihn nicht nur eine religiöse, sondern eine eminent politische Angelegenheit. Er verbot die christliche Missionsarbeit in China. "Während die christliche Kirche die Ablehnung des von ihr als götzendienerisch bezeichneten 'Ahnenkults' zur religiösen Pflicht eines jeden chinesischen Christen machte, konnte der chinesische Staat darin nur einen Akt zivilen Ungehorsams und Widerstands gegen die Staatsgewalt sehen", schreibt der Aachener Theologe und Asienkenner Georg Evers in einer vom römischen Historiker Erwin Gatz herausgegebenen neueren Kirchengeschichte.
Kangxis Nachfolger verfügte 1724 sogar die Ausweisung aller ausländischen Missionare, soweit sie nicht als Wissenschaftler im Land tätig waren. Christen wurden verfolgt, viele starben als Märtyrer. Mit der Bulle "Ex quo singulari" von 1742 war die Diskussion um die Riten dann beendet. Erst Pius XII. hob knapp 200 Jahre später Ritenverbot und den Missionars-Eid auf.
Begrenzte Möglichkeiten
In dem Dekret "Plane compertum" vom 8. Dezember 1939 erlaubte er den Katholiken die Teilnahme an Ehrenzeremonien für Konfuzius in dessen Tempeln oder in Schulen. In katholischen Schulen durften Bilder oder Tafeln von Konfuzius aufgestellt werden. Zudem waren die Verneigung oder andere zivile Ehrenbezeugungen vor den Gräbern oder Bildern von Verstorbenen erlaubt.
Das Ritenverbot von 1742 hatte nicht nur Auswirkungen in China, sondern auch in anderen ostasiatischen Staaten. In Japan etwa lehnten katholische Studenten der Sophia-Universität in Tokio 1932 die Verneigung vor dem Kaiserbild als "Götzendienst" ab - und riskierten damit die Auflösung der Universität. Mit einer Instruktion von 1935 erlaubte der zuständige Delegat Kardinal Marella jedoch die Teilnahme von Katholiken an damals verpflichtenden Riten in Shinto-Schreinen, solange dies nicht als Abfall von christlichen Glauben gedeutet werde.
"Gefährliche Religion"
Die Liste der Märtyrer, die in Korea im 19. Jahrhundert ihres Glaubens willen hingerichtet wurden, ist lang. Sie hatten die Ahnen- und Konfuziusverehrung abgelehnt - womit das Christentum als "gefährliche Religion" eingestuft wurde, als Opposition gegen die vorherrschende Kultur und Gesellschaft.
Der Ritenstreit gehört damit zu den unglücklichen Kapiteln der katholischen Missionsgeschichte. Er war geprägt von vielen Missverständnissen, aufgrund von Sprachdifferenzen ging man von unterschiedlichen Voraussetzungen aus. Die Frage bleibt, ob dieses Verbot theologisch angemessen und unumgänglich war.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat dann eine grundsätzliche Wende gegenüber den anderen Religionen eingeleitet. Die Kirche lehne "nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist", heißt es in seiner Erklärung "nostra aetate" von 1965. Sie solle "mit Klugheit und Liebe, durch Gespräch und Zusammenarbeit" sowie durch ihr christliches Zeugnis "jene geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden, anerkennen, wahren und fördern".