Vor 40 Jahren erschien die Sexual-Enzyklika "Humanae vitae"

Für die Würde der Frau

Vor 40 Jahren, am 25. Juli 1968, wurde die Sexual-Enzyklika "Humanae vitae
- Über die rechte Ordnung der Weitergabe des menschlichen Lebens"
von Papst Paul VI. veröffentlicht. Für die einen dokumentiert das Lehrschreiben den Autoritätsverlust der katholischen Kirche in der Gesellschaft. Für die anderen ist es im Rückblick ein prophetisches Wort, mit dem sich der Papst gegen die zunehmende Verdinglichung der menschlichen Sexualität und ihre Umdeutung zum reinen Trieb-Befriedigungsmittel stemmte.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Das Dokument, veröffentlicht am 25. Juli 1968, sollte so etwas sein wie die theologische Antwort auf die Pille. Die seit 1960 verfügbare hormonelle Verhütung war bald zum Symbol der sexuellen Befreiung geworden. Ihre möglichen medizinischen und menschlichen Kollateralschäden waren damals noch kaum bekannt, die problemlose Verhütung ungewollter Schwangerschaften empfanden viele Paare als einen geradezu phantastischen Fortschritt.

In dieser Lage wollte Paul VI. die Auffassung der Kirche über die menschliche Fortpflanzung darlegen. Eine Kommission aus Bischöfen und Moraltheologen hatte Vorschläge unterbreitet, wie man die neuen pharmazeutischen Möglichkeiten unter ethischen Gesichtspunkten bewerten könne. Die Mehrheit der Ratgeber sprach sich gegen ein Verbot aktiver Empfängnisverhütung aus. Paul VI. entschied anders und folgte einer kleineren Gruppe von Bischöfen, zu der auch der Pole Karol Wojtyla - der spätere Papst Johannes Paul II. - gehörte.

Die Enzyklika über das menschliche Leben legte die verbindlichen Eckpunkte für die weitere Diskussion fest. Dabei nahm der Papst unter dem Stichwort «verantwortungsbewusste Elternschaft» die Entscheidung von Eltern ernst, aus guten Gründen «zeitweise oder dauernd auf weitere Kinder zu verzichten». Die Beachtung des natürlichen Fruchtbarkeitszyklus sei dabei legitim, künstliche Empfängnisverhütung als Mittel zu diesem Ziel hingegen nicht. Mit scharfen Worten warnte die Enzyklika, dass diese Art der Verhütung zu vielfacher ehelicher Untreue führen werde, und dass sie letztlich dazu beitragen könne, die Frau zum Sexualobjekt zu degradieren.

Die Reaktionen waren geteilt, die philosophischen und theologischen Argumente des Papstes gingen im Streit um «sexuelle Selbstbestimmung» auf der einen Seite und das «Verhütungs-Verbot» auf der anderen Seite unter. In Deutschland entschlossen sich die katholischen Bischöfe, das unverstandene päpstliche Schreiben zu relativieren. Sie verabschiedeten die «Königsteiner Erklärung».

Ohne der Enzyklika zu widersprechen, versuchten sie seelsorgliche Entscheidungshilfen zu geben. Vor allem solle die Gewissensentscheidung der Eheleute respektiert werden. Wer glaube, anders denken zu müssen als die Enzyklika, solle «gewissenhaft prüfen, ob er - frei von subjektiver Überheblichkeit und voreiliger Besserwisserei - vor Gottes Gericht seinen Standpunkt verantworten» könne, schrieben die Bischöfe. Seelsorger erhielten den Rat, entsprechende Entscheidungen zu achten.

Viele Katholiken im deutschsprachigen Raum nahmen die «Königsteiner Erklärung» mit Erleichterung auf. Trotz wiederholter Forderungen aus konservativen Kreisen, diese «Aufweichung» der päpstlichen Linie zu korrigieren, wurde sie formal nie widerrufen. Ebenso blieb freilich der Vatikan auf seiner Linie: Johannes Paul II. hielt an den Aussagen seines Vorgängers Paul VI. unverändert fest. Benedikt XVI.
nannte «Humanae vitae» anlässlich des 40. Jahrestags aktueller denn je. Angefeindet, missverstanden und zu einem «Zeichen des Widerspruchs» geworden, zeige das Dokument mit seinem Nein zur künstlichen Verhütung weiterhin Wahrheit und Weitsicht.

Dass die Moralauffassungen über Jahrzehnte liberaler wurden, konnten weder die Enzyklika noch die Mahnungen der Päpste verhindern. Erst in jüngster Zeit gewinnen voreheliche Enthaltsamkeit und natürliche Familienplanung bei religiös Überzeugten und darüber hinaus wieder Beachtung - wenn auch nur bei einzelnen.

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff stellt fest, dass «die Distanz zur kirchlichen Sexualethik in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen» sei. Jugendliche und junge Erwachsene sehnten sich zwar nach Werten wie Treue, Liebe, Geborgenheit und Ehe.
Sexualität, so Schockenhoff, sähen sie aber als Privatsache; kirchliche Gebote und Verbote hätten darin keinen Raum.