Der Anfang begann mit einem Ende. Im Herbst 1971 drehten die deutschen katholischen Bischöfe den Geldhahn für die von ihnen finanzierte Wochenzeitung "Publik" zu. Nur drei Jahre, nachdem die erste Ausgabe mit einer Startauflage von 150.000 Exemplaren auf den Markt gekommen war. "Mir war, als sei ich in voller Fahrt gegen eine Wand gerannt", würde Chefredakteur Alois Schardt im Rückblick seine Gefühlslage umschreiben.
Leserinitiativen und Freundeskreise für Neubeginn
Das plötzliche Aus trieb offenbar nicht nur Schardt um. Quer durch die Republik entstanden binnen weniger Wochen 61 Leserinitiativen und Freundeskreise, die sich für einen Neubeginn stark machten. Vor 50 Jahren, am 28. Januar 1972, war es soweit. Mit einer Startauflage von 20.000 Exemplaren erblickte "Publik-Forum" das Licht der Öffentlichkeit. Ziel sei, "in geistiger Offenheit" eine Plattform zu bieten für einen "dialogisch angelegten Reformkurs in Gesellschaft und Kirche", hieß es auf der Titelseite der ersten Ausgabe.
Eine "freimütige, unabhängige christliche Stimme" wollte "Publik-Forum" sein, wie sich Gründungsredakteur und Ehrenherausgeber Harald Pawlowski (91) einmal an den Sprung ins kalte Wasser erinnerte. "Die größte Hürde war, dass niemand wusste, ob es gelingen würde." Der Großteil der alten "Publik"-Mannschaft hatte sich verabschiedet. Aber Politiker aller damaligen Parteien, Prominente und Theologen wie Jürgen Moltmann oder Marie-Luise Kaschnitz und Luise Rinser unterstützten das Projekt. Auch zwei spätere Kardinäle gehörten dazu: Walter Kasper und Karl Lehmann.
Themen wie Friede und Gerechtigkeit oder Umweltschutz
Gleich in der ersten Ausgabe rief der Jesuit Karl Rahner dazu auf, das Milieu zu verändern, das zum Untergang von "Publik" geführt habe, und zielte damit vor allem auf jene katholischen Kreise, die mit dem Öffnungskurs ihrer Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil fremdelten. "Publik-Forum", das seinen Redaktionssitz bald schon von Frankfurt ins nahe Oberursel verlegte, wolle aber immer schon mehr als "nur" eine Zeitschrift sein, die in ökumenischer Ausrichtung katholische und evangelische Stimmen transportierte.
Getreu den von Rahner formulierten Gedanken machten es sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Aufgabe, in die Gesellschaft hinein zu wirken, griffen die zu Beginn der 70er Jahre zunächst vor allem im eher linken Spektrum immer intensiver diskutierten Themen wie Friede und Gerechtigkeit oder Umweltschutz - Stichwort "Bewahrung der Schöpfung" - auf. Gleichwohl blieben die Beiträge namhafter Theologen, neben Rahner etwa Johann Baptist Metz oder Hans Küng, ein Aushängeschild von "Publik-Forum".
Im Lauf der Jahre wurde aus dem "Startsignal" der zwölfseitigen Erstausgabe ein "Signal der Zuversicht" in Form einer 14-täglich erscheinenden Wochenzeitschrift, die im 50. Jahr ihres Bestehens nach Auskunft des aktuellen Chefredakteurs Alexander Schwabe auf eine stabile Auflage von 35.000 Exemplaren blicken kann. "Kritisch, christlich, unabhängig" will "Publik-Forum" für eine bessere Welt streiten und zugleich eine "Insel im Meer der Beliebigkeiten" sein.
Einsatz für Erneuerung
Große Ideale, die sich in den aktuellen Krisen bewähren müssen. "Der öffentliche Diskurs ist zunehmend geprägt von fundamentalistischem Denken, von reaktionären Reflexen, wirren Konstrukten und einem bis zum Krawall sich steigernden Bemühen um Beachtung", schreibt Schwabe in der Jubiläumsausgabe. Dem müsse sich seriöser Journalismus entgegenstellen.
"Kernressort" bleibt im Jubiläumsjahr 2022 "Religion und Kirchen" - auch wenn der Missbrauchsskandal den bereits vorher spürbaren Bedeutungsverlust der Kirchen noch einmal massiv beschleunigt hat, wie Schwabe diagnostiziert. Gleichwohl setzen er und seine acht Kolleginnen und Kollegen weiter auf ein Publikum für "Publik-Forum".
Vor 50 Jahren habe man auf der Seite all jener gestanden, "die sich innerhalb der Kirchen für Erneuerung eingesetzt haben", hält Schwabe fest. "Das muss sich fortsetzen. Doch wer früher noch auf Reformen setzte, tritt heute häufig aus." Deswegen wolle "Publik-Forum" auch für diejenigen da sein, die "innerkirchlich kapituliert", aber dennoch "religiös interessiert" seien.