Es war ein Schritt mit erheblichen diplomatischen Folgen: Als die Bundesrepublik und Israel am 12. Mai 1965, vor 50 Jahren, diplomatische Beziehungen aufnahmen, brachen zehn arabische Staaten ihre offiziellen Kontakte zu Bonn ab, drei weitere riefen ihre Botschafter zurück.
Kein anderes Feld der Außenpolitik der Bundesrepublik war so vermint: Moralische Verantwortung, wirtschaftliche Interessen und die deutsche Frage verflochten sich zu einem scheinbar unentwirrbaren Knäuel.
Staatsbesuch von Israels Präsident Rivlin
Deutschland und Israel wollen trotz politischer Differenzen ihre freundschaftlichen Beziehungen weiter ausbauen und entschlossen gegen Antisemitismus und Rassismus vorgehen. Das betonten Bundespräsident Joachim Gauck und der israelische Präsident Reuven Rivlin am Montag nach einem Treffen in Berlin. Gauck erwähnte unterschiedliche Positionen gegenüber dem geplanten Atomabkommen mit dem Iran und zu einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten. Diese sollten die Freundschaft zwischen beiden Ländern aber nicht belasten.
Zum Auftakt eines dreitägigen Staatsbesuchs in Deutschland hatte Gauck seinen israelischen Gast im Park von Schloss Bellevue mit militärischen Ehren begrüßt. Am Nachmittag war eine Kranzniederlegung am Mahnmal Gleis 17 in Berlin-Grunewald geplant. Von dort waren während der Nazi-Herrschaft Zehntausende Juden in Konzentrationslager deportiert worden.
"Unsere Beziehungen basieren auf gemeinsamen Werten wie Demokratie, Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung", sagte Rivlin bei einem gemeinsamen Auftritt mit Gauck vor der Presse. Auch er räumte Differenzen in der Beurteilung der Lage im Nahen Osten ein. "Juden und Araber sind dazu bestimmt zusammenzuleben", sagte er. Rivlin hatte zuletzt eine israelisch-palästinensische Föderation ins Gespräch gebracht. Eine Zwei-Staaten-Lösung lehnt er ebenso wie die neue rechts-religiöse Regierung unter Benjamin Netanjahu ab.
Am Dienstag trifft er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier zusammen. Wichtiges Thema der Gespräche dürfte nach der Bildung einer neuen rechts-religiösen Regierung in Israel die Zukunft des Friedensprozesses im Nahen Osten und der Konflikt mit den Palästinensern sein.
"Narben einer schrecklichen Geschichte"
Heute bezeichnet das Außenministerium in Berlin die Beziehungen zu Israel als eng und freundschaftlich. "Beide Länder lassen sich nicht denken ohne die Narben einer schrecklichen Geschichte", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kürzlich zum Auftakt des Jubiläumsjahres. Die heutige Dichte und Tiefe der Partnerschaft hätte sich vor fünf Jahrzehnten "niemand auch nur annähernd vorstellen können".
Das spiegelt sich etwa auf Regierungsebene: Seit 2008 gibt es jährlich Regierungskonsultationen. Im Februar 2014 sind die Kabinette beider Länder bereits zum fünften Mal zusammengekommen. Die deutsch-israelische Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung besteht seit Ende der 1950er Jahre und gilt als ein Wegbereiter der diplomatischen Beziehungen beider Länder.
Junge Deutsche haben mehrheitlich schlechtes Bild von Israel
Zugleich blicken die Bürger beider Länder durchaus skeptisch auf die jeweils anderen. Gaza-Krieg, Antisemitismus: Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung haben 36 Prozent der Bundesbürger eine gute, 48 Prozent hingegen eine schlechte Meinung von Israel. Unter den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 54 Prozent.
Umgekehrt haben die jüdischen Israelis insgesamt ein sehr positives Deutschlandbild: 68 Prozent haben eine gute Meinung, nur 24 Prozent denken negativ. Allerdings ist das Image Deutschlands bei älteren Israelis besser als bei Jüngeren: Während von den über 50-Jährigen rund 80 Prozent positiv über die Bundesrepublik urteilen, tun dies von den unter 30-Jährigen nur 53 Prozent.
Im Schatten des Holocaust gestaltete sich die Annäherung zwischen der Bundesrepublik und Israel ausgesprochen schwierig. 1952 hatte sich die Bundesregierung in einem ersten Schritt zu einer Wiedergutmachung im Wert von 3,45 Milliarden Mark an Israel und jüdische Organisationen verpflichtet - Geld und Waren, die von vielen Israelis als "Blutgeld" abgelehnt wurden, aber auch in Deutschland sehr unpopulär waren. Kanzler Konrad Adenauer ging es nicht nur um eine moralische Verpflichtung, sondern auch um internationale Glaubwürdigkeit und eine Verbesserung des Verhältnisses zu den Westalliierten.
Druck aus Ägypten
Die arabischen Staaten hatten dafür kein Verständnis, insbesondere, weil Deutschland auch militärisch nutzbare Güter nach Israel lieferte. Und Bonn war erpressbar: Nach der Suez-Krise von 1956 beispielsweise drohte Ägyptens Präsident Nasser mit der Anerkennung der DDR, falls Bonn diplomatische Beziehungen mit Israel aufnehme.
Zugleich drängten die Israelis immer heftiger auf deutsche Hilfe, insbesondere seit die Sowjetunion seit 1954/1955 die arabische Seite unterstützte.
Der Eklat kam Ende 1964, als Gerüchte über deutsche Waffenlieferungen an Israel durchsickerten. Wenige Monate zuvor hatten die Amerikaner Bundeskanzler Ludwig Erhard gebeten, M-48-Panzer nach Israel zu liefern, statt sie an die USA zurückzugeben. Nasser verlangte ultimativ die Einstellung der Waffenlieferungen. Der Bundestag, der über die Rüstungslieferungen an Israel nur wenig wusste, zeigte sich ebenfalls geschockt und beschloss, keine Waffen mehr in Spannungsgebiete zu liefern. Was wiederum in Israel heftige Empörung hervorrief, zumal zuvor bekannt geworden war, dass deutsche Raketentechniker in Ägypten arbeiteten.
Sowohl die deutsch-israelischen als auch die deutsch-ägyptischen Beziehungen waren an einen Tiefpunkt angekommen: Jetzt half nur noch, den Knoten durchzuschlagen: Bonn kündigte am 7. März 1965 die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel an. Im August 1965 trat der erste Botschafter der Bundesrepublik sein Amt in Tel Aviv an.