Vor 700 Jahren griff Johannes XXII. massiv bei Franziskanern ein

Die Papstbulle "Quorundam exigit"

War Christus arm? Und wenn ja: Darf dann die Kirche reich sein oder überhaupt Besitz haben? Die Frage stand im 14. Jahrhundert als dunkle Wolke am Horizont. Der Papst in Avignon, selbst ein Finanzgenie, griff durch.

Porträt von Papst Johannes XXII. (1316-1334) (KNA)
Porträt von Papst Johannes XXII. (1316-1334) / ( KNA )

Den Streit zwischen Papst, Kaiser und Franziskanerorden um die Armut Christi und den Besitz der Kirche hat Umberto Eco in "Der Name der Rose" einem breiten Publikum nah gebracht. Der Roman spielt 1327, auf dem Höhepunkt des sogenannten Armutsstreits. Dessen erster Höhepunkt war die Papstbulle "Quorundam exigit" vom 7. Oktober 1317. Mit ihr griff Johannes XXII. vor 700 Jahren massiv in die spirituelle Ausrichtung der Franziskaner ein.

Ambivalentes Verwaltungsgenie

Der Südfranzose Jacques Dueze, "Fuchs von Cahors" genannt, war das Finanz- und Verwaltungsgenie unter den Päpsten des Mittelalters. Gewählt 1316 mit schon 72 Jahren, regierte Johannes XXII. dennoch über 18 Jahre mit äußerster Tatkraft.

Seine Unhöflichkeit und Strenge, seine Vetternwirtschaft und Raffgier - bei zugleich totaler persönlicher Anspruchslosigkeit - machten ihn vielen verhasst. Zugleich war er ein ausgesprochener Wohltäter der Armen. Der gewiefte Jurist und Verwaltungsexperte baute die päpstlichen Finanzinstrumente wie den Pfründen- und Ablasshandel konsequent aus. Den riesigen Papstpalast errichteten erst seine Nachfolger - mit jenem Geld, das er in 18 Jahren Amtszeit anhäufte.

Wie arm muss Kirche sein?

Der sogenannte Armutsstreit nahm seinen Ausgang in Italien, in der hohen Zeit der Wanderprediger und der Verfolgung von "Irrlehrern". Die Franziskaner mit ihrem Ideal der Armut Christi waren als neue geistliche Kraft auf den Plan getreten - und befanden sich doch bereits in einer schweren inneren Krise. Dem Weltklerus waren die "Bettelorden" ein Dorn im Auge.

Die sogenannten Spiritualen, eine geistig starke Strömung innerhalb des Ordens, wollten zurückkehren zum radikalen Gründungsideal der Armut des heiligen Franziskus (1181/82-1226). Im Kern stand die Frage: Wenn Jesus keinen privaten Besitz hatte, muss dann nicht auch die Kirche arm sein?

Papstbulle sorgte für Kontroverse

Eine solche Sichtweise musste dem Finanzpapst Johannes XXII. ein Dorn im Auge sein. Gut ein Jahr nach seinem Amtsantritt legte er mit seiner Bulle "Quorundam exigit" den Grundstein für eine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit Franziskanertheologen wie Marsilius von Padua, William von Ockham und Ordensgeneral Michael von Cesena.

Zur Wiederherstellung der Ordensdisziplin griff Johannes XXII. tief in die inneren Angelegenheiten der Franziskaner ein und ordnete eine Unterwerfung der Spiritualen unter die gängige Praxis an: Armut bedeute nicht komplette Besitzlosigkeit des Ordens, die nicht praktikabel sei, sondern persönliche Besitzlosigkeit des Einzelnen.

Um der Einheit des Ordens willen setzte der neue Franziskanergeneral Michael von Cesena das Papstdekret konsequent um - obwohl er persönlich mit den Spiritualen sympathisierte. Doch die Diskussion kam damit keineswegs zum Ende. 1322 verkündete das Ordenskapitel, Christus und die Apostel hätten keinerlei weltliche Güter besessen.

Machtkampf zwischen Papst und Kaiser

Die Reaktion des Papstes war typisch für den "Fuchs von Cahors": Der Kirchenrechtler hob das (freilich theoretische) Eigentumsrecht der Päpste respektive der Gesamtkirche an allem Besitz des Ordens auf. Damit wurden die Franziskaner über Nacht unweigerlich wohlhabend. Und 1323 setzte er mit einer weiteren Bulle einen Deckel drauf, indem er die Armut Christi grundsätzlich verneinte. Anderes zu behaupten, sei Häresie.

Politisch verquickt war der Armutsstreit zusätzlich mit dem letzten großen Machtkampf zwischen Papst und Kaiser. Im deutschen Thronstreit stellte sich Johannes XII. gegen den gewählten König Ludwig den Bayern - der sich umgekehrt in den Papst verbiss und in Rom einen Gegenpapst zu etablieren versuchte.

Doch auf dem Territorium des jeweils anderen war nichts auszurichten, außer den Kontrahenten mit den stumpf gewordenen Waffen früherer Jahrhunderte zu attackieren: Häresievorwürfe, Absetzungserklärungen, Exkommunikation. Die Franziskaner-Spiritualen - inklusive dem General Michael - suchten Zuflucht an Ludwigs Hof in München, von wo sie ihren Kampf gegen den Papst mit Streitschriften weiterführten.

Diskussion um "verbeulte Kirche"

Der Armutsstreit in der Kirche ist über die Jahrhunderte in vielen Varianten neu aufs Tapet gekommen, sei es während der Reformation, der Französischen Revolution oder mit der Theologie der Befreiung. Benedikt XVI. und Franziskus haben der Diskussion zuletzt neue Facetten hinzugefügt: der deutsche Papst durch seine Freiburger Rede 2011 über die "Entweltlichung" einer verbeamteten Kirche in Deutschland; und der lateinamerikanische Papst mit seinen Kleinwagen und seinen Reden über eine "verbeulte Kirche" im Dauereinsatz für die Armen.

Alexander Brüggemann


Quelle:
KNA