Vor 75 Jahren starb Pfadfinder-Gründer Lord Baden-Powell

Mehr als Lagerfeuer und jeden Tag eine gute Tat

Gemeinschaft und Freundschaft werden bei ihnen groß geschrieben; sie wandern, zelten, singen, verzichten dabei bewusst auf Luxus und Smartphone - 50 Millionen Pfadfinder in aller Welt. Ihr Gründer starb vor 75 Jahren.

Autor/in:
Helmut S. Ruppert
Pfadfinder in Deutschland / © Christian Schnaubelt (KNA)
Pfadfinder in Deutschland / © Christian Schnaubelt ( KNA )

Am 8. Januar 1941 stirbt im kenianischen Nyeri ein Engländer. Seinen Geburtsnamen Robert Stephenson Smyth kannten nicht einmal seine Landsleute. Unter seinem von König Edward VII. verliehenen Adelsnamen hingegen kannte ihn die ganze Welt: Lord Baden-Powell, Gründer der heute auf allen Kontinenten vertretenen Welt-Pfadfinderbewegung.

Soldatenlaufbahn führt Baden-Powell nach Südafrika

"BiPi", wie ihn seine "Boy-Scouts" nach den Anfangsbuchstaben des Nachnamens riefen, wurde am 22. Februar 1857 in London als eines von zehn Kindern eines Theologieprofessors der Universität Oxford geboren. Weil er an dieser Hochschule bei der Aufnahmeprüfung durchrasselte, entschloss sich Robert, die Soldatenlaufbahn einzuschlagen.

Diese führte ihn auch nach Südafrika. Im zweiten Burenkrieg erntete er militärischen Ruhm, als er mit 700 britischen Soldaten die belagerte Stadt Mafeking 217 Tage lang gegen 9.000 Buren hielt. Die Beförderung zum Generalmajor, zum Inspekteur der Polizei und der britischen Kavallerie waren der Dank des Königs, der freilich nicht ahnte, dass sich die Gedanken seines Generals in ganz anderen Bahnen bewegten.

Geburtsstunde des Pfadfindertums im Jahr 1907

War es die schmutzige Seite des Burenkrieges mit Gefangenenlagern für Frauen und Kinder, die Baden-Powell fortan sein Denken nach Wegen der Friedenserziehung richten ließ? Zweifel am Sinn des Krieges waren ihm jedenfalls längst gekommen. Doch getreu der Parole "right or wrong - my country" sprach er diese erst Jahre später aus, nachdem ihm die Truppe ehrenvoll den Abschied gegeben hatte. Und damit schlug dann die Geburtsstunde des "Scoutismus", des Pfadfinderwesens.

Genau gesagt fing alles in den zwei Wochen vom 25. Juli bis 9. August 1907 an, als "BiPi" mit 22 Jungen aller sozialen Schichten auf Brownsea Island das erste Jugendzeltlager ausrichtete. Auf seinen Beobachtungen des Sozialverhaltens innerhalb der Gruppe basierten dann die von ihm verfassten Pfadfindergesetze, die auch mehr als 100 Jahre später noch gültig sind: Treue und Gehorsam gegenüber König, Gruppenleitern und Eltern; anderen helfen; jedem Mitpfadfinder Freund und Bruder sein; höflich, tierlieb, fröhlich sowie rein in Gedanken, Wort und Tat sein. Klassendünkel ist verpönt; eine einheitliche Kluft soll das auch nach außen demonstrieren.

Pfadfinder lösen Klischeevorstellungen aus

Bei vielen löst das Wort Pfadfinder vor allem Klischeevorstellungen aus - über Lagerfeuer, Gitarrenmusik, Wanderschuhe und die Verpflichtung, "jeden Tag eine gute Tat" zu vollbringen. Da taucht dann immer wieder der matte Witz vom Boy-Scout auf, der selbst alte Damen über die Straße geleitet, die gar nicht auf die andere Seite wollen.

Zwar spielen Pfad und Lager immer noch eine Rolle, aber längst keine zentrale mehr. Vielmehr setzen sich Pfadfinder heute gegen soziale Ungerechtigkeiten in der Welt ein und kümmern sich um Behinderte und Diskriminierte in der eigenen Umgebung. Was 1907 als reine Jungen-Bewegung begann, erfasste schon ab 1909 auch Mädchen. 1921 gründete sich die evangelische "Christliche Pfadfinderschaft", 1929 die katholische Pfadfinderschaft St. Georg. Durch die Nazizeit unterbrochen, in der die Hitlerjugend das Monopol für Jugendarbeit hatte, fassten die dem Krieg Entkommenen danach verhältnismäßig rasch wieder Tritt.

50 Millionen junge Menschen gehören zurzeit zur Pfadfinderbewegung

Und heute? Rund 50 Millionen junge Menschen in fast allen Ländern der Welt - darunter rund 220.000 in Deutschland - bekennen sich zur Pfadfinderbewegung. Manche äußeren Formen haben sich gewandelt. Geblieben sind die alten Ideale des Gründers, denen zufolge alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe, ihres Glaubens oder Besitzes in Frieden miteinander leben können.

Nicht mehr die Suche nach Romantik auf großer Fahrt und am knisternden Lagerfeuer stehen heute im Vordergrund. Vielmehr sind die Verantwortung für eine humane Gesellschaft, die Bewahrung der Schöpfung, Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft die wesentlichen Eigenschaften eines Pfadfinders, wenn auch ein Hauch von Romantik immer noch mitschwingt. Lord Baden-Powell wäre mit dieser Mischung jedenfalls ganz sicher einverstanden und würde den alten Gruß "Allzeit bereit!" zufrieden erwidern.


Quelle:
KNA