75 Jahre nach dem Hitler-Attentat ist die Debatte über die Motive des Widerstands neu aufgeflammt. Befeuert wird sie von Publikationen, die sich vor allem mit Claus Graf Schenk von Stauffenberg auseinandersetzen, der am 20. Juli 1944 einen Sprengsatz zündete, um Hitler zu töten. Ging es Stauffenberg allein darum, eine bedingungslose Kapitulation zu verhindern oder gar um die eigene heroische Tat? Handelte er aus religiöser Überzeugung und Verantwortungsgefühl?
Von Anfang an haben sich die Deutschen mit dem Widerstand des 20. Juli schwer getan. Helden oder Verräter? Im Westen dauerte es bis in die 50er Jahre, ehe der «Aufstand des Gewissens» öffentlich gewürdigt wurde. Angehörige mussten lange mit dem Vorwurf leben, sie seien Kinder und Witwen von Verrätern. In den 70er und 80er Jahren lautete dann der Vorwurf, der 20. Juli sei von einer Gruppe elitärer Adeliger und Militärs geplant worden, die die Nazis lange unterstützt hätten. Auch die Pläne für ein zukünftiges Deutschland hätten mit Demokratie nichts zu tun gehabt.
Stauffenberg war kein Demokrat
Fest steht, dass Stauffenberg (1907-1944) elitär dachte und kein Demokrat war. Aber im Gegensatz zu vielen anderen erkannte er Hitler als Massenmörder. Stauffenberg entstammte einem süddeutschen katholischen Adelsgeschlecht. Er wurde ein Anhänger des Dichters Stefan George, dessen Jünger von einem "Neuen Reich" träumten - einem Deutschland, das sich, geleitet von einer geistigen Elite, aus den Ruinen der gescheiterten Demokratie von Weimar erheben sollte, wie der Historiker Ian Kershaw schrieb.
Stauffenberg machte Offizierskarriere. Wie viele andere Soldaten forderte er, dass Deutschland vom "Versailler Diktat" befreit werden müsse. Hitlers Kriegskurs und die Judenpogrome im November 1938 sorgten aber dafür, dass seine Abscheu gegenüber den Nazis wuchs. Zwar ließen die schnellen Siege der Wehrmacht über Polen und Frankreich seine Meinung zwischenzeitlich schwanken. Angesichts der großen Verluste im russischen Winter 1941/42 und der Augenzeugenberichte über Massaker an den Juden wuchs aber die Überzeugung, dass Hitler Deutschland in die Katastrophe führte.
Stauffenberg in Nordafrika schwer verwundet
"Derjenige, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird", beschrieb Stauffenberg seine eigene Tragik. "Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem eigenen Gewissen." Im Frühjahr 1943 wurde Stauffenberg in Nordafrika schwer verwundet.
Nach seiner Genesung wurde er ins Kriegsministerium in Berlin versetzt - und damit zu einer zentralen Persönlichkeit des Netzwerks des Widerstands, dem auch Zivilisten, Gewerkschafter, Gutsbesitzer und Theologen angehörten. Als er am 1. Juli 1944 zum Stabschef beim Befehlshaber des Ersatzheeres ernannt wurde und damit Zugang zu Hitlers Einsatzbesprechungen erhielt, wuchs er auch in die Rolle des Attentäters hinein.
Bombe explodiert in der Wolfsschanze
Zwei Mal schmuggelte er vergeblich einen Sprengsatz in die Lagebesprechungen mit Hitler. Am 20. Juli 1944 explodierte dann die Bombe unter dem massiven Eichentisch in der "Wolfsschanze" in Ostpreußen. Hitler überlebte.
Zentrales Problem des Umsturzplanes war, dass Stauffenberg nicht nur das Attentat ausführen, sondern anschließend von Berlin aus auch die weiteren Maßnahmen zur "Operation Walküre", leiten musste. Es gelang nicht, die Kommunikationskanäle der NS-Anhänger zu blockieren. Gegenmaßnahmen rollten an. Kurz nach Mitternacht hielt Hitler eine Radio-Ansprache, um Gerüchten über seinen Tod ein Ende zu machen.
Von einem Exekutionskommando erschossen
Eine "ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer" Offiziere habe ihn töten wollen. Generaloberst Friedrich Fromm, ein Mitwisser, ließ Stauffenberg verhaften. Kurz nach Mitternacht wurde er im Hof des Bendlerblocks von einem Exekutionskommando erschossen. Nach und nach wurden viele Verschwörer verhaftet und in Schauprozessen zum Tode verurteilt.
Krieg und Terror gingen verschärft weiter. Das NS-Regime radikalisierte sich noch einmal - bis zur totalen Katastrophe. Die Zahl der getöteten Soldaten und Zivilisten sowie das Ausmaß der Zerstörungen Deutschlands erreichte im letzten Kriegsjahr seinen Höhepunkt.