Rund 104 Meter lang, 19 Meter hoch und ohne die Seitenkapellen gerechnet 32 Meter breit ist der Paderborner Dom. Sein 93 Meter hoher Westturm war und ist weithin Orientierungspunkt für die Menschen im Umland. Am 22. Juli begeht das Erzbistum das 950. Weihefest des sogenannten Imad-Doms mit einem Festgottesdienst um 10.00 Uhr. Damit bejubeln die Paderborner nicht direkt die heutige, im Wesentlichen aus dem 13. Jahrhundert stammende Kathedrale, sondern ihren Vorgängerbau. Der Imad-Dom - Bischof Imad ließ ihn errichten - wurde am 22. Juli 1068 geweiht.
Älter als der Dom
Das damalige Gotteshaus entsprach im Grundriss schon weitgehend dem heutigen. Spätere Bauherren veränderten das Gewölbe, verstärkten die Mauern und errichteten das Paradies – die Eingangshalle mit dem größten romanischen Portal Westfalens und einer Figurengruppe, die die Gottesmutter und die Heiligen Kilian und Liborius von Le Mans zeigt. Alle drei sind die Patrone des Doms.
Die Geschichte des Doms ist älter als der Dom selbst. Das erfährt man am ehesten an seiner Nordseite, wo nur wenige Schritte entfernt die wiederaufgebaute Kaiserpfalz und die aus dem 11. Jahrhundert stammende Bartholomäuskapelle stehen. Dieser Platz atmet Geschichte, betont der Hausherr der Kathedrale, Dompropst Joachim Göbel. Hier stand auch der immerhin schon 22 mal 50 Meter große erste Dom, den Papst Leo III. im Jahr 799 weihte. Der sei rund drei Monate in Paderborn gewesen und habe dabei auch Karl den Großen (747/748-814) getroffen. "Die beiden haben dann wohl auch Karls Krönung in Rom an Weihnachten 800 besprochen", ist sich Göbel sicher.
Das berühmte Drei-Hasen-Fenster
Die Bartholomäuskapelle nennt Göbel "architektonisch und historisch wichtiger als der Dom". Unter Bischof Meinwerk (1009-1036) 1017 geweiht, ist sie die älteste Hallenkirche nördlich der Alpen. Als Bauleute seien damals Griechen engagiert worden. Sie waren als einzige in der Lage, die Hängekuppeln unter der Decke zu bauen.
Nur 30 Schritte sind es von hier in die Neuzeit. Auf dem Domherrenfriedhof im Innenhof des früheren Domklosters werden seit 1862 die verstorbenen Domkapitulare begraben. So ruhig wie auf Friedhöfen normalweise üblich geht es an diesem Ort aber nicht immer zu. "Dies ist der meistbesuchte Platz", sagt Göbel. Grund dafür ist das berühmte Drei-Hasen-Fenster. In dem Rundfenster sind drei Hasen so angeordnet, dass zwar jeder Hase zwei Ohren hat, auf dem Motiv aber insgesamt nur drei Ohren dargestellt sind. "Manche Besucher kommen nur hierher, gehen aber nie in den Dom."
"So groß wie ein Fußballfeld"
Als Hausherr hat Göbel Schlüsselgewalt, und so kommt man mit ihm in Ecken, die andere nie sehen. Etwa in den alten Kapitelsaal der Mönche, dessen Alter schon dadurch erkenntlich ist, dass sein Bodenniveau eineinhalb Meter unter dem heutigen liegt. Oder zu einem alten Brunnen hinter der Wand einer Seitenkapelle, der noch immer in etwa zehn Metern Tiefe Paderwasser führt.
Dann steht man plötzlich im Altarraum ganz vorn im Paderborner Dom und überblickt die gesamte Länge der Kathedrale. "So groß wie ein Fußballfeld", sagt Göbel. Bei hohen Festen sitzt er im Chorgestühl auf der einen, Erzbischof Hans-Josef Becker ihm gegenüber auf der anderen Seite. Am Altar verweist der Dompropst auf den Scherz eines Handwerkers am Mauerboden: die kleine Zeichnung einer Maus auf einem Buch.
Rosen, Rosen, Rosen
Unten im Langhaus beeindrucken vor allem die neun Seitenkapellen. Die Marienkapelle rechts neben dem Ostchor ist die älteste und größte; eine aufgemalte und von Engeln umgebene Madonna mit Kind schmückt sie. Die prächtigste ist die Elisabethkapelle. Ihr Barockaltar zeigt die "erweiterte" Heilige Familie: Maria und Elisabeth mit dem Jesuskind, Josef, Zacharias und einen Engel – daneben Rosen, Rosen, Rosen. Alle Kapellen sind mit kunstvoll geschmiedeten Toren versehen. Sie gewähren einen optisch täuschenden perspektivischen Durchblick, als seien sie dreidimensional.
Unter dem Altar liegt eine der größten Hallenkrypten in Deutschland. Hier werden die Bischöfe begraben. Und hier steht der Ebenholzschrein mit den Reliquien des heiligen Liborius (348-397). Sie wurden 836 von Le Mans in Frankreich nach Paderborn überführt. Der eigentliche Liboriusschrein, der am Liborifest ausgestellt wird, lagert im Diözesanmuseum nebenan. Er ist aus Eiche, verkleidet mit 55 Kilogramm vergoldetem Silber.
An Libori, dem Festtag des Heiligen, dem ersten Samstag nach dem 23. Juli, sind Kirche und Stadt dann eins. Dann drängen sich die Besucher im Dom dicht an dicht. Fahnen- und Standartenträger ziehen auf. In einer riesigen Prozession mit Erzbischof, Domkapitel, Kardinälen und Bischöfen aus aller Welt wird der Liborischrein aus der Krypta auf den Hochchor geleitet. Wenn dann der Liboritusch ertönt und aus tausenden Kehlen das "Sei gegrüßet, o Libori" erklingt, weiß jeder Paderborner, dass sein Dom etwas ganz Besonderes ist.