Kaum war das mit Begeisterung vorgestellte Twitter-Papst-Emoji zum Weltfamilientag in Dublin veröffentlicht - ein knuffiger Papstkopf vor irischer Flagge -, da tauchte auch schon eine Alternative auf: dasselbe Bildzeichen hinter Gitterstäben. Nur eine von vielen entrüsteten Reaktionen, die der jüngste Bericht zur Vertuschung von Missbrauchsfällen in Bistümern des US-Bundesstaates Pennsylvania auslöste. Auch in Irland, das eine eigene entsprechende dunkle Geschichte hat.
Immerhin ist der Papstbesuch zum Weltfamilientreffen nach Aussage von Dublins Polizeichef "das größte Ereignis, das Irland in den vergangenen 40 Jahren organisiert hat". Zwar standen die Themen Missbrauch und Kinderschutz von Beginn an auf dem Programm des Treffens. Derzeit scheint sie aber das gesamte Ereignis gekapert zu haben.
Brandbrief an die Gläubigen
Vielleicht mag sich Franziskus auch deshalb entschieden haben, am Montag einen Brandbrief an die Gläubigen weltweit zu schreiben. Darin bittet er um Vergebung für das Versagen der Kirche und ruft gleichzeitig dazu auf, dass alle sich engagieren müssen, um "Klerikalismus" und eine "Kultur des Verschweigens" zu beenden.
Zunächst hatte der Vatikan zwei Tage gebraucht, um mit einer Erklärung des Pressesprechers auf den lange vorher angekündigten US-Bericht zu reagieren. Da hatten einige Kritiker schon zum Boykott von Dublin aufgerufen.
Doch dem widersprach selbst Marie Collins, prominente Überlebende von Missbrauch, Kritikerin und ehemaliges Mitglied der Päpstlichen Kinderschutzkommission. Noch verschärft wurde die Debatte durch die Absage des Bostoner Kardinals Sean O'Malley, der sich in seinem eigenen Priesterseminar um aktuelle, noch ungeklärte Vorkommnisse kümmern muss, sowie durch die Absage von Kardinal Donald Wuerl, der 18 Jahre lang Bischof von Pittsburgh war. In dem Pennsylvania-Bericht wird sein Name mehrfach kritisch genannt.
Konkrete Maßnahmen?
Dublins Erzbischof Diarmuid Martin sagte in seiner Predigt am Sonntag noch einmal, der Papst müsse in Irland "offen über unsere Vergangenheit, aber auch über unsere Zukunft sprechen". Es reiche nicht, sich nur zu entschuldigen. Ob Franziskus in Irland konkretere Maßnahmen nennt als in seinem Brief vom Montag, ist indes unsicher.
Das eigentliche Thema des Dubliner Treffens droht derweil ins Hintertreffen zu geraten. Unter dem etwas blumigen Titel "Das Evangelium der Familie. Freude für die Welt" soll es um einen realistischen Blick auf die Lage von Familien weltweit und ihren Alltag gehen; geliefert vor allem von Ehepaaren und Familien selbst, wie Kurienkardinal Kevin Farrell erläuterte. Sein "Dikasterium für Laien, Familie und Leben" hat das Treffen wesentlich mit vorbereitet.
Grundlage solle das 2016 veröffentlichte Papstschreiben "Amoris laetitia" über Ehe und Familie sein.
Das wurde bislang vor allem wegen der Diskussion um die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion wahrgenommen. In Dublin soll es auch um andere Teile des Dokuments gehen. Etwa um die Schönheit ehelicher Liebe, verantwortete Elternschaft oder darum, dass eine "übertriebene Idealisierung" die Ehe nicht erstrebenswerter und attraktiver gemacht, sondern das Gegenteil bewirkt habe.
Ein größerer Katholikentag
Mit 37.000 Dauerteilnehmern kommt das Weltfamilientreffen einem größeren Katholikentag nahe. Zum Open-Air-Festival mit dem Papst am Samstagabend werden dann 85.000 und zur Abschlussmesse am Sonntag gar bis zu 500.000 Teilnehmer erwartet. Vor der Abschlussmesse am Sonntagnachmittag fliegt Franziskus vormittags für eine Stunde in Irlands größten Marienwallfahrtsort Knock im Westen des Landes.
Obschon der Papstbesuch kein offizieller Staatsbesuch ist, trifft das Kirchenoberhaupt am Samstagvormittag auch Staatspräsident Michael Higgins und Premierminister Leo Varadkar. Varadkar will den Papst auch daran erinnern, wie sich die Auffassungen der Iren zu Homosexualität, Familienformen und Abtreibung geändert haben. Im Mai stimmten zwei Drittel für eine Änderung des bislang sehr strengen Abtreibungsverbots. Dass die Diskussion nicht einfach wird, räumt Farrell ein.
Insofern setzt sich fort, was Johannes Paul II. im Sinn hatte, als er 1994 im UN-Jahr der Familie zum ersten katholischen Weltfriedentreffen nach Rom lud. Den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zu Familie, Geschlechtern und Familienplanung sollen katholische Alternativen entgegengestellt werden. Dafür mag die Kirche teilweise gute Argumente haben. Ihre angeschlagene Glaubwürdigkeit erschwert deren Vermittlung allerdings sehr.