Vor zehn Jahren wurde das Holocaust-Mahnmal eröffnet

Kein steinerner Schlussstrich

Heute ist es ein Touristenmagnet, der jährlich rund zwei Millionen Besucher anzieht: Das vor zehn Jahren eröffnete Holocaust-Mahnmal in Berlin. Dabei drohte das Projekt mehr als ein Mal zu scheitern.

Autor/in:
Birgit Wilke
Besuchermagnet: Holocaust-Mahnmal (KNA)
Besuchermagnet: Holocaust-Mahnmal / ( KNA )

Michelle Obama war mit ihren Töchtern dort, vor wenigen Wochen besichtigte auch der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras das Denkmal. Und für fast jeden "normalen" Berlin-Touristen ist es ein "Muss": Das Mahnmal zum Gedenken an die Ermordung der Juden Europas in Berlin-Mitte. Vor zehn Jahren, am 10. Mai 2005, wurde das Stelenfeld eingeweiht.

Würdigungen von Vertretern der Politik

Vertreter von Bundesregierung und Bundestag haben die Bedeutung des Holocaust-Mahnmals in Berlin für die Erinnerungskultur gewürdigt. "Mitten im Herzen Berlins, mitten im Parlaments- und Regierungsviertel, direkt neben dem Brandenburger Tor erinnert das Holocaust-Denkmal an die unerträglichen Verbrechen, die im Namen des deutschen Volkes an den Juden Europas begangen worden sind", sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) am Donnerstag bei einem Festakt zum 10. Jahrestag der Übergabe des Denkmals an die Öffentlichkeit. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ist die zentrale Holocaustgedenkstätte Deutschlands.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) betonte, dass das Holocaust-Mahnmal zusammen mit dem unterirdischen "Ort der Information" alle künftigen Generationen mahnen soll, die Menschenrechte nie wieder anzutasten. Das Denkmal sei der "Stein gewordene Ausdruck" für die Deutschen, sich an diese Selbstverpflichtung zu halten.

Zwei Millionen Besucher pro Jahr

Wer zum Brandenburger Tor geht, kommt in der Regel auch zum Holocaust-Mahnmal, das ist die Erfahrung der Mahnmals-Stiftung. Pro Jahr sind es nach ihren Angaben rund zwei Millionen Menschen. Der dazugehörige, unterirdische "Ort der Information" hat überdies eine halbe Millionen Besucher. Entworfen hat das Denkmal der US-amerikanische Architekt Peter Eisenman.

Jahrelanger Streit um Errichtung

Eisenman bekannte bei der Eröffnung, für ihn grenze es fast an ein Wunder, dass das Mahnmal mit seinen 2.711 Betonstelen wirklich gebaut wurde. Tatsächlich hatte es jahrelang Streit über den Sinn des Vorhabens gegeben, um einen angemessenen Ort und die konkrete Ausführung. Mehrmals stand das Vorhaben ganz auf der Kippe.

Der Anstoß zu dem Projekt, das nun auf einer Fläche drei Mal so groß wie ein Fußballfeld verwirklicht ist, kam bereits 1988 von einem Kreis um die Publizistin Lea Rosh. Zu den Unterstützern zählten der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt und der Schriftsteller Günter Grass. Der Fall der Mauer sowie der Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin führten in den 1990er Jahren dazu, dass das Mahnmalsprojekt zum Gegenstand einer grundsätzlichen Debatte über das Selbstverständnis der Deutschen am Ende des 20. Jahrhunderts und ihren Umgang mit dem Holocaust wurde.

1999 beschloss der Bundestag schließlich den Bau. Zugleich nahm er den Vorschlag des damaligen Kulturstaatsministers Michael Naumann (SPD) auf, das Stelenfeld um einen unterirdischen "Ort der Information" zu ergänzen. Dort finden die Besucher Fakten über die Hintergründe der Ermordung von mehr als sechs Millionen europäischer Juden durch die Nationalsozialisten.

Kosten höher als veranschlagt

Zugleich wuchsen die veranschlagten Kosten auf 27,6 Millionen Euro, das Doppelte der ursprünglichen Planungen. Immer wieder musste der Baubeginn verschoben werden: So gab es Sicherheitsbedenken wegen der US-Botschaft, die in unmittelbarer Nähe gebaut wurde.

An den Rand des Scheiterns geriet das Projekt auch durch die Beteiligung der Firma Degussa, weil eines ihrer Tochterunternehmen im Zweiten Weltkrieg das Giftgas für die Konzentrationslager produziert hatte. Dass sie den Graffitischutz der Stelen liefern sollte, führte zu internationalen Protesten, wurde jedoch schließlich hingenommen.

Schließlich konnten der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, das Mahnmal am 10. Mai 2005 einweihen.

Risse im Beton

Neben viel Zustimmung gibt es nach wie vor auch kritische Stimmen. Stiftungsdirektor Uwe Neumärker wird nicht müde zu betonen, dass diese auch nicht verstummen sollen. Wichtig sei, dass es niemanden kalt lasse. "Das Mahnmal soll kein steinerner Schlussstrich sein."

Zu Graffiti-Schmierereien an den Stelen kommt es inzwischen seltener als früher. Auch als Kletterpark ist das Mahnmal nun offenbar weniger attraktiv für Kinder und Jugendliche. Ein ernstes Problem aber bleibt: Bereits nach den ersten Wintern traten in den Betonkörpern Risse auf, die immer wieder ausgebessert werden müssen. Ein Verfahren zur Klärung der Verantwortlichkeiten läuft. Inzwischen ist laut Stiftung fast jede Stele betroffen. Den Erfolg des Mahnmals könnten diese Schäden aber nicht beeinträchtigen, betont Eisenman. Jeder wisse, dass das Material arbeite.

Die Stiftung, die inzwischen auch für das Denkmal für die ermordeten Homosexuellen, das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma sowie für den Gedenkort für die Euthanasie-Opfer zuständig ist, hofft, dass das Verfahren bald abgeschlossen und auch die Kostenfrage geregelt wird.

 


Quelle:
KNA