Nach den Parlamentswahlen in Spanien

"Vox ist dabei, ziemlich intensiv zu fischen"

Zum ersten Mal seit Ende der Franco-Diktatur ist in Spanien einer Rechtsaußen-Partei der Sprung ins Nationalparlament gelungen. Die Vox-Partei polarisiert und versucht im katholischen Millieu zu fischen. Ein Blick auf den Wahlausgang in Spanien.

Santiago Abascal, Vox-Partei / © Marta Fernández Jara (dpa)
Santiago Abascal, Vox-Partei / © Marta Fernández Jara ( dpa )

DOMRADIO.DE: 75 Prozent der Spanier haben sich an der Wahl beteiligt. Politikverdrossenheit ist also nicht wirklich im Land zu erkennen, oder?

Stephan Gras (Pfarrer der deutschen katholischen Gemeinde in Barcelona): Das ist ganz bemerkenswert. In Katalonien ist sogar der Anteil der Wahlbeteiligung um 14 Prozent nach oben geschnellt, auf über 77 Prozent. Das finde ich tatsächlich bemerkenswert.

DOMRADIO.DE: Wie erklären Sie sich das?

Gras: Ich erkläre mir das, weil die Menschen ganz offensichtlich sehr eng an das politische Geschehen angekoppelt sind. Das ist umso bemerkenswerter, weil es im Jahr 2011 hier in Spanien ja noch eine Bewegung gab, zu der der ehemalige spanische Ministerpräsident José Luis Zapatero sagte, die Menschen seien politikverdrossen. Das hat sich erheblich geändert, das politische Interesse ist richtig hoch. Dazu haben natürlich auch die Entwicklungen der vergangenen Jahre, vor allem auch der Korruptionsskandal innerhalb der Partido Popular mit beigetragen.

DOMRADIO.DE: Die Vox-Partei wird mit 24 Abgeordneten und ungefähr zehn Prozent ins Parlament einziehen. Wenn man das vergleichen will, ist die Partei so eine Art AfD? Die Vox-Partei hat unter anderem auch vor, eine Mauer in den Enklaven zu Marokko bauen zu lassen.

Gras: Ja, das ist richtig. Die Vox-Partei stellt jetzt insgesamt 24 Abgeordnete. Da lassen sich schon Ähnlichkeiten zum Parteiprogramm der AfD finden. Interessant ist zum Beispiel Folgendes: Die Caritas hier in Barcelona hat in der vorigen Woche noch einen Rundbrief verschickt, mit insgesamt acht Forderungen, an denen politische Parteien gemessen werden mögen. Da spielte auch die Integrationspolitik eine ganz wichtige Rolle und insbesondere nochmal die Hinwendung zu unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen. Das ist etwas, was sich zum Beispiel bei Vox im Parteiprogramm nur in negativster Weise findet.

DOMRADIO.DE: Was sagt Ihre Gemeinde dazu? Es ist ja nicht alles schwarz und weiß zu sehen, die Vox-Partei will zum Beispiel auch traditionelle Familienwerte stärken, ebenso das Brauchtum. Das sind eigentlich Sachen, die im katholischen Milieu ganz gut ankommen.

Gras: Das ist absolut richtig. Vox ist im Moment dabei, im katholischen Milieu ziemlich intensiv zu fischen. Es gab innerhalb der letzten 14 Tage zum Beispiel eine Äußerung des derzeitigen Ministerpräsidenten Sánchez, der ein Fragezeichen hinter die Aussagen gesetzt hat, ob sich ein moderner spanischer Staat wirklich noch eine komplette "Semana Santa" (Heilige Woche vor Ostern, Anm. d. Red.) mit ihren ganzen Prozessionen und dem damit verbundenen Arbeitsausfall leisten könne. Da hat natürlich Vox sofort die Gegenposition bezogen.

Hier in Katalonien bzw. in Barcelona ist es allerdings so, dass Vox nur einen einzigen Abgeordneten stellt. Ich nehme weder in der Gemeinde, noch in Gesprächen mit spanischen Priestern hier in Barcelona wahr, dass Vox in besonderer Weise im katholischen Milieu präsent wäre.

DOMRADIO.DE: Jetzt ist Katalonien ein ganz wichtiger Punkt, den Sie angesprochen haben. Wir erinnern uns alle noch an die Abspaltungsbemühungen vor zwei, drei Jahren. Wie ist denn grundsätzlich bei Ihnen in der Region die Stimmung? Man kann eigentlich sagen, dass es vor zwei Jahren eher ein bisschen "Anti-Spanisch" gewesen ist, oder?

Gras: Richtig, das kann man sagen. Man muss allerdings differenziert auf Katalonien schauen. Zum Beispiel in der Provinz Barcelona sind insgesamt elf Abgeordnete von separatistischen Parteien gewählt worden, aber 21 Abgeordnete von Parteien, die sich nicht für den Separatismus aussprechen. Das sieht jetzt landesweit in ganz Katalonien etwas anders aus. Da haben die Separatisten 22 Sitze von 48 bekommen.

Aber Barcelona ist nun doch eher, und in der deutschsprachigen katholischen Gemeinde natürlich im Besonderen, international aufgestellt. Die Menschen sind in internationalen Arbeitsverhältnissen. Gerade hier haben viele Sorge, weil seit dem Erstarken des katalanischen Unabhängigkeitgedankens über 3.000 Firmen ihren Steuersitz aus Katalonien ins restliche Spanien abgezogen haben.

DOMRADIO.DE: Es steht ja auch noch zur Debatte, ob eine Regionalpartei aus Katalonien eventuell noch in die Regierungskoalition reinkommt.

Gras: Das könnte eventuell sein. Die Regierungsbildung hier in Spanien wird sehr schwierig. Ministerpräsident Sánchez ist ja genau mit seiner vorigen Regierung über die katalanischen Regionalparteien gestolpert.

Da war es so, dass knapp nachdem in Madrid der Prozess gegen die zwölf Politiker begann, die seinerzeit hier die Abstimmung über die Unabhängigkeit in Katalonien federführend durchführen ließen, die katalanischen Nationalisten Ministerpräsident Sánchez ihre Unterstützung entzogen haben. Darüber kam diese Regierung letztlich zu Fall. Das könnte jetzt in einer neuen Koalition wieder sehr spannend werden, wenn da eine gebildet wird.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Pedro Sánchez, Ministerpräsident von Spanien und Kandidat der sozialistischen Partei PSOE / © Cèzaro De Luca (dpa)
Pedro Sánchez, Ministerpräsident von Spanien und Kandidat der sozialistischen Partei PSOE / © Cèzaro De Luca ( dpa )
Quelle:
DR