DOMRADIO.DE: Sie haben die EU massiv kritisiert. Warum ist es für Sie ein Unding, dass Rüstungsgüter aus der EU nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert werden?
Prälat Karl Jüsten (kath. Vorsitzender der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung): Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien sind in ihrer Region als Konfliktparteien engagiert. Saudi-Arabien ist etwa Kriegspartei in Jemen. Für uns ist es untragbar, dass Rüstungsexporte an Länder gehen, die Kriegsparteien sind, weil sie dazu beitragen, dass diese Kriege perpetuiert werden und kein Ende finden.
DOMRADIO.DE: Die neue Bundesregierung hat angekündigt, dass sie ein neues Rüstungsexport-Kontroll-Gesetz schaffen will. Die GKKE begrüßt diese Ankündigung. Was müsste dieses Kontroll-Gesetz beinhalten?
Jüsten: Das ist eine langjährige Forderung der beiden Kirchen, weil ein solches Gesetz klare Richtlinien festlegen würde, die nicht nur Empfehlungen sind. Daran muss sich dann jede Bundesregierung halten. Es wären klare Leitplanken, nach welchen Kriterien Waffen exportiert werden dürfen. Also zum Beispiel könnte dann der Export von Kleinwaffen geregelt sein. Es könnte klar geregelt sein, welche Länder überhaupt Nutznießer von Rüstungsexporten werden dürfen und welche nicht.
DOMRADIO.DE: Sie fordern auch, dass die Entscheidung über Rüstungsexporte vom Wirtschaftsministerium auf das Auswärtige Amt verlagert wird. Warum wäre dieser Schritt aus Ihrer Sicht wichtig?
Jüsten: Das Wirtschaftsministerium hat ganz andere Interessen als das Auswärtige Amt. Im Wirtschaftsministerium geht es darum, möglichst viele Wirtschaftsgüter ins Ausland zu exportieren, um die Gewinne in unserem Land zu steigern. Deshalb ist das für das Wirtschaftsministerium immer schon schwer, bei der Exportpolitik restriktiv zu sein, weil sie damit im Grunde genommen Geschäft verändern.
Das Auswärtige Amt hat einen anderen Blick auf die Themen. Es schaut, ob die Rüstungsexporte in unsere Friedens- und Sicherheitspolitik und eben auch, ob sie in unsere Menschenrechtspolitik passen. Die können viel freier darüber entscheiden und sagen "Nein, diese Waffen bitte nicht an diese Länder". Deshalb glauben wir, dass das Ressort im Auswärtigen Amt besser aufgehoben wäre.
DOMRADIO.DE: Sie fordern strengere Regeln für Rüstungsexporte aus Deutschland und der EU. Nun ist die Rüstungsindustrie aber ein lukrativer Wirtschaftszweig. Sind Sie denn zuversichtlich, dass es diese strengeren Regeln wirklich geben wird, wenn das auf Kosten der Wirtschaft geht?
Jüsten: Naja, zumindest Rot-Grün und auch die FDP haben sich jetzt dazu verpflichtet, sodass wir zunächst einmal davon ausgehen, dass wir sie da auch beim Wort nehmen können. Die Grünen und natürlich auch sie SPD sind außerdem aus der Friedensbewegung hervorgegangen. Wir gehen davon aus, dass die Anhänger dieser Parteien die Gewählten beobachten werden. Deshalb sind wir optimistisch.
DOMRADIO.DE: Heute haben Sie den 25. Rüstungsexportbericht in Berlin vorgestellt. Negativ-Punkte haben Sie bereits angesprochen. Gibt es auch positive Entwicklungen?
Jüsten: Ja, die Rüstungsexporte sind insgesamt im vergangenen Jahr zurückgegangen - nachdem das letzte Jahr ein extrem hohes Jahr war. Das ist sicher positiv zu vermerken. Wir müssen gucken, ob der Trend weiter anhält.
Das Interview führte Dagmar Peters.