Portugals Bischöfe rufen die Bevölkerung auf, sich massiv an den vorgezogenen Parlamentswahlen an diesem Sonntag zu beteiligen. Vor allem mit Blick auf die "großen gesellschaftlichen Probleme" sei das nötiger denn je. Neben wachsender Armut im Land macht die Bischofskonferenz auch ganz konkret den "Lebensschutz" als Problem aus.
Zwar spielte das Thema Sterbehilfe im Wahlkampf keine übergeordnete Rolle; dennoch beschäftigte die von der sozialistischen Minderheitsregierung angestoßene Einführung aktiver und medizinisch begleiteter Sterbehilfe das ganze Jahr über die politische und gesellschaftliche Debatte im Land.
Gesellschaft gespalten
"Die geplante Legalisierung von Sterbehilfe hat die Gesellschaft gespalten", meint die Vorsitzende der portugiesischen Caritas Rita Valadas im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Das zeigten auch die jüngsten Meinungsumfragen. Demnach sprach sich tatsächlich nur eine knappe Mehrheit von 50,5 Prozent für aktive Sterbehilfe aus; 25,6 Prozent lehnten sie ab, 23,9 Prozent zeigten sich unentschlossen.
Im Dezember hatte Portugals konservativer Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa bereits zum zweiten Mal sein Veto gegen das von der linken Parlamentsmehrheit verabschiedete Legalisierungsgesetz eingelegt. Er forderte Parlament und Regierung auf, präziser festzulegen, ab welcher Krankheitsstufe Sterbehilfe erlaubt sein solle.
Die regierenden Sozialisten warfen dem konservativen Katholiken vor, immer wieder nach neuen Ausreden für ein Veto zu suchen, um die Legalisierung hinauszuschieben. Und tatsächlich könnte das nun die Folge sein: Denn sollten sich am Sonntag die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse in Lissabon verändern, könnte das auch das vorläufige Aus für die Legalisierung bedeuten.
Die Sozialisten von Ministerpräsident Antonio Costa (PS), der sich gemeinsam mit dem Linksblock (BE) und weiteren Kleinparteien für die Legalisierung einsetzt, gelten zwar als Favoriten. Laut einer Umfrage der Katholischen Universität Lissabon dürfen sie auf 37 Prozent der Stimmen hoffen; allerdings dicht gefolgt von den Konservativen von Oppositionsführer Rui Rio (PSD) mit 33 Prozent.
Letztere zögern zwar, für eine klare Ablehnung von Sterbehilfe einzutreten. Doch würden sie im Fall eines Wahlsiegs zur Regierungsbildung von der rechtskonservativen CDS und vor allem den von Rechtspopulisten der Chega-Partei abhängen. "Chega, bislang nur mit einem einzigen Abgeordneten im Parlament, könnten am Sonntag zur drittstärksten Fraktion aufsteigen", erklärt der Politologe Fernando Haro von der Europa-Universität in Lissabon. "Und sowohl CDS als auch die Rechtspopulisten machen kein Geheimnis daraus, gegen die Einführung aktiver Sterbehilfe zu sein."
Es kommt auf die Stärke der Linksparteien an
Und selbst wenn die Sozialisten wie erwartet wiedergewählt werden, hängt es von der Stärke der Linksparteien ab, ob es im Parlament noch eine ausreichende Mehrheit für eine Legalisierung geben wird. 2021 stimmten von 227 anwesenden Parlamentariern 138 dafür, 84 dagegen und 5 enthielten sich.
Alle Wahlprognosen sagen einen deutlichen Stimmenverlust vor allem für den Linksblock voraus. Viele Portugiesen machen ihn und die Kommunisten für die derzeitige politische Instabilität und die Neuwahlen verantwortlich. Beide Parteien verließen das lose Bündnis mit der sozialistischen Minderheitsregierung und stimmten gegen den Haushalt 2022, was letztendlich die vorgezogenen Wahlen provozierte.
"Ich glaube, es sollte eine Volksbefragung über die Legalisierung von Sterbehilfe geben, damit klar wird, ob es dafür wirklich eine ausreichende Mehrheit in der sehr katholischen Bevölkerung gibt", meint Caritas-Vorsitzende Valadas. Auch die Vereinigung Katholischer Ärzte (AMCP) forderte die Parteien auf, ihre Position zum Thema öffentlich zu machen. Auch sie bat zudem, dass die politischen Kräfte ein Referendum zulassen.
Vor einem Jahr hatten sich die Linksparteien im Parlament klar gegen ein solches Referendum ausgesprochen. Das Argument: Bei der bislang letzten Volksabstimmung von 2007 zu freiwilligem Schwangerschaftsabbruch hatten nur 44 Prozent der Wähler überhaupt ihre Stimme abgegeben. Ein Referendum werde also mutmaßlich nicht klar die wirkliche Meinung der Portugiesen zum Thema widerspiegeln, so eine Sprecherin der Sozialisten.