Wallfahrtsjahr mit Marienfeier im Kölner Dom beendet

"Habe Heimweh nach Lourdes"

Wer einmal mit dem besonderen Geist des südfranzösischen Wallfahrtsortes in Kontakt gekommen ist, vergisst das so schnell nicht mehr. Viele Pilgerreisende kehren immer wieder dorthin zurück. Manche ihr ganzes Leben lang.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Rosenkranzandacht und Festmesse des Deutschen Lourdes Vereins / © Beatrice Tomasetti (DR)
Rosenkranzandacht und Festmesse des Deutschen Lourdes Vereins / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Es gibt Menschen, die kommen einfach nicht los von diesem außergewöhnlichen Ort mit den vielen frommen Beterinnen und Betern, die an der Grotte von Massabielle, wo die Gottesmutter 1858 der 14-jährigen Bernadette Soubirous erschienen ist, niederknien und dort Stunde um Stunde in sich gekehrt mit dem Rosenkranz in der Hand verharren. Sie zeigen sich be- und gerührt von den zahlreichen Kranken in ihren Rollstühlen, die fürsorglich von freiwilligen Helfern geschoben werden und das Stadtbild, aber auch die Szene bei den Gottesdiensten und allabendlichen Lichterprozessionen durch den Heiligen Bezirk beherrschen.

Jedenfalls übt diese Mischung aus ganz selbstverständlich demonstriertem Glauben und praktizierter Solidarität und Nächstenliebe eine magische Anziehungskraft auf Millionen von Besucherinnen und Besuchern aus allen Teilen der Welt aus, so dass Lourdes jährlich in der Summe mehr als sechs Millionen Pilgerreisende zählt. Für die, die zum ersten Mal kommen, vielleicht nur als Touristen dort angespült werden, ist nicht unbedingt zu greifen, was genau diesen besonderen Geist von Lourdes ausmacht, aber auch sie spüren sofort, dass ihnen alles, was sie hier an Begegnungen, Gebeten und Gesängen erleben, gut tut. Und dass sie verändert, vielleicht auch wie „verwandelt“ oder „geheilt“ in ihren Alltag heimkehren und sich in ihren Herzen für immer eine gewisse Sehnsucht eingräbt. Das sei das eigentliche Wunder von Lourdes – neben den offiziell anerkannten – heißt es: die Erfahrung von Trost, Zuversicht und Stärkung im Glauben, die nach Wiederholung drängt.

Lourdes-Missionen an 18 Orten des Erzbistums

Von all dem auch etwas außerhalb dieses Marienwallfahrtortes erfahrbar zu machen – gerade für diejenigen, die aufgrund ihres Alters oder körperlicher Einschränkung selbst nicht mehr in der Lage sind, nach Lourdes zu reisen – war das Anliegen von den Verantwortlichen des Deutschen Lourdesvereins, Domkapitular Monsignore Markus Hofmann und Pfarrer Wilhelm Darscheid aus Bergisch Gladbach-Paffrath, als sie im Monat Oktober ein Reliquiar der Heiligen Bernadette sowie einen Stein aus der Grotte von Massabielle und eine Marienfigur ins Erzbistum Köln geholt haben, um – über die Diözese verteilt – an 18 verschiedenen Orten Lourdes-Missionen zu feiern. Die 19. und letzte Station fand nun an diesem Sonntag mit der traditionellen Marienfeier, die immer aus Beichte, Rosenkranzandacht, Eucharistiefeier und Lichterprozession besteht, im Kölner Dom statt. Gleichzeitig endete damit das Wallfahrtsjahr 2023, in dem knapp 400 Pilgerinnen und Pilger über den Deutschen Lourdesverein nach Lourdes und Fatima gereist waren, wie der stellvertretende Vereinsvorsitzende Darscheid bekannt gab.

Johanna Spies, Malteserin

"Was ich dort erlebe, lässt mich demütig und dankbar sein und begleitet mich über das ganze Jahr."

Und in der Tat muss nur das erste typische Lourdes-Lied mit seinem langgezogenen "Avee, avee, Avee Maria!" angestimmt werden, und schon glaubt man sich in den südfranzösischen Pyrenäenort, die "Stadt der Wunder", wie dieser manchmal auch genannt wird, versetzt. So auch Johanna Spies, die schon fünf Mal den Lazarettwagen der Zugwallfahrt als Malteserin begleitet hat und sich nun bei diesem Gottesdienst über das Wiedersehen mit den von ihr betreuten Kranken, aber auch die Gemeinschaft im Kollegenkreis freut. "Da lebt Lourdes umgehend wieder auf", strahlt sie. Zuletzt noch war die 30-Jährige Pfingsten mit dabei. "Wir begleiten Menschen, die sonst nicht nach Lourdes könnten", erklärt sie und schwärmt von diesem "total spirituellen Ort", der Kranke stärke und Hoffnung schenke und an dem sie selbst für ihren ehrenamtlichen Dienst viel zurückbekomme.

"Was ich dort erlebe, lässt mich demütig und dankbar sein und begleitet mich über das ganze Jahr." Immer wieder beeindrucke sie das Nebeneinander dieser vielen Souvenirläden mit ihrem äußerlichen "Plingpling" und dieses tiefen spürbaren Glaubens. "Irgendwie ist das verrückt, aber auch ergreifend. Natürlich will sich jeder ein Andenken mit nach Hause bringen, ein Symbol, das ihn an Lourdes erinnert. Dabei kann man das Eigentliche ja doch nicht kaufen; schließlich nimmt man ja etwas ganz anderes, Innerliches, viel Tieferes mit."

Petra Batalia ist eine von denen, die richtig mit dem "Lourdes-Virus" infiziert sind. 40 Mal sei sie schon dort gewesen, das erste Mal vor der Kinderkommunion, berichtet die 51-Jährige, die aufgrund einer Spastik gehbehindert ist und im Rollstuhl sitzt. "Lourdes ist meine geistige Heimat. Und wenn ich nicht dahin fahre, habe ich Heimweh", erklärt sie. Unter Pilgern sei man eben Familie.

Die Kranken haben selbstverständlich Vorfahrt

Wer sich später der Lichterprozession durch den Dom anschließt, kommt schnell zu derselben Erkenntnis. Hier reihen sich alle Generationen aus allen Teilen der Welt ein: kleine Kinder und Jugendliche genauso wie ihre Eltern und viele ältere Menschen, die auf die Fürsprache der Heiligen Bernadette etwas geben und vermutlich selbst schon einmal an der Gebetsgrotte gekniet haben und seitdem diese unvergessliche Erinnerung in ihrem Herzen tragen. Dass auch hier die Kranken Vorfahrt haben, versteht sich von selbst. Und alle halten sie das Licht von Lourdes, die kleine Papierlaterne, in ihren Händen, mit der sie eine konkrete Bitte an die Gottesmutter verbinden. Dabei singen sie "Lauda Jerusalem" oder das unverkennbare "Magnificat" – so wie sie es schon oft in Lourdes getan haben.

Pfarrer Klaus Holzamer

"Die Sehnsucht des Menschen nach Fülle kann man eine Zeit lang ausblenden oder übertönen. Stillen kann sie nur der, der sie in unser Herz gelegt hat."

Die Bedeutung von Heimat und Beheimatung bei Gott greift auch Pfarrer Klaus Holzamer, der Seelsorger für die deutschsprachigen Pilger in Lourdes, in seiner Predigt auf. Gerade in einer Zeit, in der sich die Vorzeichen unseres Lebens in Kirche und Gesellschaft geradezu schwindelerregend veränderten, wie er ausführt, sich Jugendliche als verlorene Generation betrachteten und die Säkularisierung der Welt – auch angesichts einer falsch verstandenen Freiheit – immer weiter voranschreite, sei Heimat, die Verortung in Gott, etwas Zentrales. Andernfalls bleibe eine Leere ohne Hoffnung. „Sonst gleichen wir einem Schiff, das den rettenden Anker gekappt hat und mit seiner Besatzung auf den Wogen und Wellen der Meere treibt und ohne Aussicht auf einen Zielhafen dem Untergang geweiht ist“, so Holzamer wörtlich. „Die Sehnsucht des Menschen nach Fülle kann man eine Zeit lang ausblenden oder übertönen. Stillen kann sie nur der, der sie in unser Herz gelegt hat.“

Rosenkranzandacht und Festmesse des Deutschen Lourdes Vereins / © Beatrice Tomasetti (DR)
Rosenkranzandacht und Festmesse des Deutschen Lourdes Vereins / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Lourdes sei vielen zu einem Stück Heimat, zu einem Zufluchtsort geworden; „zu einem Stück Heimat, wo unsere himmlische Mutter auf uns wartet“.  Hier lasse sich das Paradies erahnen. Da der Mensch die Fähigkeit zum Aufbruch in sich trage, er ein „homo viator“, ein Wanderer und Pilger sei, könne es ihm auch gelingen, die Entfremdung zwischen ihm und Gott zu überwinden, macht der Gast aus den Pyrenäen Mut. „Werden wir zu Pilgern der Hoffnung, zur pilgernden Kirche!“, ruft Holzamer den Menschen im Kölner Dom abschließend entgegen.

Quelle:
DR