Warnung schreckt Politik auf

"Wir tun alles, um jüdisches Leben zu schützen"

Die Warnung von Zentralratspräsident Schuster davor, in überwiegend muslimischen Vierteln die Kippa zu tragen, wird als Alarmsignal gewertet. Aber es gibt auch Kritik.

Jüdische Kinder feiern Pessach (KNA)
Jüdische Kinder feiern Pessach / ( KNA )

Die Warnung des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, Juden sollten sich überlegen, wo sie sich zu erkennen geben, hat die Politik alarmiert. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sicherte den in Deutschland lebenden Juden erneut umfassende Sicherheit zu. "Juden sollten sich niemals wieder in Deutschland verstecken müssen", sagte Maas dem "Tagesspiegel" in Berlin. "Wir tun alles, um jüdisches Leben bei uns zu schützen". Jeder Übergriff gegen Juden sei "einer gegen uns alle." Wer jüdisches Leben attackiere, werde "mit der ganzen Härte des Rechtsstaates verfolgt werden."

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), wertete Schusters Warnung als "Alarmsignal". Die Äußerung unterstreiche «auf dramatische Weise, wie verunsichert jüdische Mitbürger in unserem Land mittlerweile sind», sagte der CDU-Politiker. Gesellschaft und Staat müssten alles unternehmen, dass sich Juden in Deutschland sicher fühlen können. Jeder habe das Recht, seine Religion frei zu leben. Dazu gehöre auch, dass Gläubige sich nach außen zu erkennen geben können, unterstrich Kauder: "Dies muss jeder in unserer Gesellschaft tolerieren."

Schuster hatte am Donnerstag Juden davor gewarnt, in überwiegend von Muslimen bewohnten Stadtvierteln - besonders in Berlin - die Kippa zu tragen. Juden sollten sich zwar nicht aus Angst verstecken, und die meisten jüdischen Einrichtungen seien gut gesichert. Dennoch stelle sich die Frage, ob es sinnvoll sei, sich in bestimmten Vierteln als Jude zu erkennen zu geben.

"Keine besonderen Problemviertel"

Die Berliner Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) wies im rbb-Hörfunk Schusters Einschätzung zurück, Antisemitismus trete vor allem in Stadtteilen mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil auf. Kolat sagte, statistisch gesehen gebe es keine besonderen Problemviertel. Zwar sei in Berlin die Zahl antisemitischer Vorfälle in den vergangenen Jahren gestiegen. Diese kämen aber zum größten Teil aus der rechtsextremen Szene.

Auch der angehende Rabbiner Armin Langer zeigte sich "enttäuscht" von den Äußerungen. Langer sagte der "tageszeitung", mit Äußerungen wie von Schuster würden Vorurteile geschürt. "Solche Aussagen stammen ja meist von Leuten, die selbst nicht in Vierteln wie Neukölln leben und keinen Kontakt zu Muslimen haben", unterstrich der angehende Geistliche. Die jüdisch-muslimische Initiative "Salaam-Schalom" in Berlin-Neukölln lud Schuster zwischenzeitlich zu einem Besuch in dem Stadtviertel ein. Der Zentralratspräsident stammt aus Würzburg.

Antisemitimus als gesamtgesellschaftliches Problem

Die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, sagte, die Angst vieler Juden vor Übergriffen und physischer Gewalt habe einen realen Hintergrund. Tatsächlich seien viele muslimische Jugendliche Antisemiten. Allerdings sei weder der Islam noch der Islamismus das Problem. Antisemitismus sei vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Gefahr.

Auch der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) warnte davor, die Debatte auf Muslime verkürzen. Die Sorgen Schusters müsse man aber ernst nehmen. "Es gibt in Deutschland Gegenden, in denen sollte man sich besser nicht als Jude, Homosexueller, Muslim oder Migrant zeigen oder zu erkennen geben", sagte Beck der "Berliner Zeitung". Mit solchen "No-Go-Areas" dürfe man sich jedoch nicht abfinden.

Verfassungsschutz sieht keine aktuelle Gefahr

Der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, sieht aktuell keine Gefahr für Juden in Deutschland. Es gebe keine konkreten Hinweise auf Anschläge auf jüdische Einrichtungen, sagte Maaßen in Berlin. Allerdings gebe es eine hohe abstrakte Gefahr. Die größte Bedrohung gehe vom islamistischen Terrorismus aus. Es habe aber auch unter den Rechtsextremisten die Gewaltbereitschaft zugenommen, sagte Maaßen beim Jugendkongress des Zentralrates und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland.


Judentum in Deutschland  (dpa)
Judentum in Deutschland / ( dpa )
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epd