Marc-Andre Mawution kann sich noch gut erinnern: Als der heute 33-Jährige ein Kind war, durfte zuhause kein Wort Nouchi über seine Lippen kommen. "Meine Eltern hatten es mir verboten und wollten, dass ich korrektes Französisch spreche. Trotzdem hat mich diese Sprache interessiert. Schließlich sprachen meine Freunde in der Schule Nouchi."
Heute arbeitet der Priester in der Kirchengemeinde Sankt Augustin in Abobote, einem dicht besiedelten Stadtteil im Norden der ivorischen Wirtschaftsmetropole Abidjan. Es galt einst als Einwandererviertel und bis heute als eher ärmlich. In Gesprächen merkt Mawution oft, wie schwer es vielen Menschen fällt, Französisch zu verwenden - die Nationalsprache der Elfenbeinküste. "Viele haben frühzeitig die Schule abgebrochen, um eine Arbeit zu finden." Statt der Sprache der einstigen Kolonialmacht sprechen sie Nouchi, heute die inoffizielle Sprache des 27,5-Millionen-Einwohner Landes.
Nouchi galt früher als Gossensprache
Nouchi entstand in den 1970er Jahren, als die Landflucht einsetzte und immer mehr Menschen in Abidjan nach Arbeit suchten. Die Basis bilden verschiedene indigene Sprachen, von denen es im ganzen Land 75 gibt, neben Französisch. Lange war Nouchi, was übersetzt etwa "Schnurrbart" bedeutet, verpönt und galt als Gossensprache.
Heute merkt Priester Mawution, wie wichtig sie für seine tägliche Arbeit geworden ist. "In den Gottesdiensten sind viele Menschen eingeschlafen, wenn ich meine Predigt auf Französisch hielt. Als ich aber die Zettel zur Seite gelegt und eine Sprache gesprochen habe, zu der sie Zugang haben, konnten sie sich auch Wochen später noch erinnern, was ich gesagt habe."
Gottesdienste werden zwar schon lange überall in Afrika in lokalen Sprachen gefeiert. Zugang haben damit aber nur die Mitglieder einer bestimmten ethnischen Gruppe, nicht unbedingt alle Gemeindemitglieder. Im persönlichen Gespräch stellt der Priester zudem fest, dass er besser in Kontakt mit Menschen kommt - und nahbarer wird.
Eine Bibel auf Nouchi
Ein Ziel ist nun, die Bibel in Nouchi zu übersetzen. "Ein großes Projekt" nennt Mawution das. Nouchi ist eine gesprochene Sprache, die bislang kaum verschriftlicht wurde. Vor allem aber ist sie sehr dynamisch. Wörter und ihre Bedeutung können sich binnen weniger Monate ändern. Jeder Sprecher kann selbst neue Worte kreieren, was beispielsweise ivorische Künstler tun und damit in ganz Westafrika Fans begeistern. Auch regional unterscheidet sich das Vokabular.
Initiator des Projekts ist der Rechtsanwalt Yves Kone. Schon jetzt übersetzen er und acht weitere Nouchi-Begeisterte täglich das Evangelium und stellen es auf ihrer Facebook-Seite "Evangile en Nouchi" online - ehrenamtlich. Auslöser war 2019 ein Facebook-Post über Glaubensfragen, den Kone auf Nouchi verfasste. Auf dem ganzen Kontinent gilt Facebook als "Königin der Sozialen Netzwerke" und soll lokalen Medien zufolge allein in der Elfenbeinküste zwischen 3,5 und 4,5 Millionen Nutzer haben. "Der Zuspruch war enorm", erinnert sich Kone - und sein Ziel stand fest: Die Elfenbeinküste braucht eine
Bibel auf Nouchi.
Mühsame Übersetzungsarbeit
"Das wird eine lange Arbeit sein. Wann die Übersetzung fertig ist, wissen wir nicht", sagt Pfarrer Mawution. Sie soll schließlich auch von einem Audio-Projekt begleitet werden, für das die Bibel komplett eingesprochen werden muss. Umsetzen sollen das professionelle Sprecher. "Nouchi ist schließlich die Sprache der Straße, und viele Sprecher können gar nicht lesen", erklärt Rechtsanwalt Kone.
Dabei ist die Übersetzung alles andere als leicht. "Die Mitglieder unseres Teams gehören unterschiedlichen Konfessionen an, sodass wir immer über Formulierungen diskutieren. Ein Wort kann viele unterschiedliche Bedeutungen haben - weshalb präzises Arbeiten wichtig ist." Immer wieder stehen sie aber noch vor einem anderen Problem: Manche Wörter wie Dromedar gibt es gar nicht, weil die Tiere in der Elfenbeinküste schlicht nicht existieren. "Ich musste es umschreiben - und habe es Pferd mit einer großen Beule genannt."