Warum es kein Public Viewing in katholischen Kirchen gibt

Kein Jubel im Gotteshaus

Ab diesem Donnerstag rollt der Ball bei der Fußball-WM in Russland. Viele daheimgebliebene Fans treffen sich, um die Spiele gemeinsam zu schauen. Auch Kirchen laden zum Public Viewing - allerdings nur evangelische. Warum ist das so?

Public Viewing: Nicht in katholischen Kirchen / © Rene Tillmann (dpa)
Public Viewing: Nicht in katholischen Kirchen / © Rene Tillmann ( dpa )

DOMRADIO.DE: Während es mittlerweile tatsächlich auch viele evangelische Gemeinden gibt in Deutschland, die ihre Kirchengebäude zum Public Viewing öffnen, ist das in katholischen Kirchen nicht der Fall. Gemeinsam in den Kirchenbänken Deutschland zujubeln, vielleicht die Nationalhymne zu Beginn von der Orgel begleitet, das könnte doch ganz interessant sein, warum ist Public Viewing in Kirchen bisher nur eine Sache der evangelischen Kirche?

Martin Korden (Theologie-Redaktion): Ich würde sagen, das hängt, wie so oft, mit dem unterschiedlichen Kirchen-Verständnis zusammen. Hier bezogen vor allem auf das Kirchengebäude. Das ist für die Katholiken ein sakraler, ein heiliger Ort und für die Protestanten - kurz gesagt - eben nicht. Insofern haben evangelische Christen auch kein Problem damit, dass irgendetwas in einer Kirche nicht gehen soll, was auch an anderen Orten geht. Die katholische Kirche würde dagegen sagen, was in der Kirche passiert, sollte im Einklang mit der besonderen Würde dieses Ortes stehen und dementsprechend angemessen sein, weil es eben ein sakraler Ort ist.

DOMRADIO.DE: Aber was genau ist denn ein sakraler Ort und worin unterscheidet er sich von nicht sakralen?

Korden: Eine katholische Kirche ist ein sakraler Ort, vor allem deshalb, weil hier in der Regel das Allerheiligste aufbewahrt wird – im Tabernakel, also die gewandelte Hostie, in der nach katholischem Verständnis Christus selbst gegenwärtig ist. Das wird in den Kirchen angezeigt durch das brennende ewige Licht in der Nähe des Tabernakels und zeigt die gläubige Überzeugung an: Gott ist in dieser Kirche gegenwärtig. Und zwar eben konkret, nicht in Bildern und auch nicht in einer Art Erfahrung, so wie man in der Natur beispielsweise sagen könnte, dass sie voll ist von Zeichen Gottes oder von Gottes Herrlichkeit, wie man in vielen Liedern besingt. In der Kirche ist Jesus da. Darum wird die Kirche zum herausragenden Ort für den Gottesdienst, für das Gebet – und dann soll man diesem Raum mit einer gewissen Würde begegnen.

DOMRADIO.DE: Wäre das beim Schauen eines Fußballspiel nicht gegeben?

Korden: Das mag vielleicht eine Ansichtssache sein, aber ich würde viel früher argumentieren und sagen: Warum soll man sich ein Fußballspiel ausgerechnet in einem sakralen Raum ansehen? Die katholische Variante könnte die sein: Man feiert gemeinsam Gottesdienst und trifft sich hinterher zum gemeinsamen Public Viewing im benachbarten Pfarrheim oder auf der großen Wiese mit Grillen, angeschlagenem Fässchen, Singen, vielleicht selber ein paar Bälle hin und her spielen, alles was dazu gehört. Das ist alles doch viel stimmiger an diesen Orten. Ich behaupte, wer eine Kirche betritt in dem Wissen darum, dass hier tatsächlich Gott in besonderer Weise nahe ist, betritt diesen Raum in einer Haltung, die sich nicht darin ausdrückt, jetzt unbedingt ein Fußballspiel anschauen zu wollen.

DOMRADIO.DE: Das sehen die evangelischen Christen, die daran teilnehmen, möglicherweise anders.

Korden: Ganz sicher ist das so. Und man kann genau genommen mit evangelischen Christen darüber als Katholik auch gar nicht in Streit geraten. Denn Protestanten lehnen ja ab, dass ihre Kirche ein Ort im katholischen Verständnis wäre. Das war schon ein wichtiger Aspekt in der Reformation, also in der Zeit im 16. Jahrhundert als die evangelische Kirche entstand. Damals haben Protestanten in Abgrenzung Wert auf die Feststellung gelegt, dass es bestimmte sakrale Orte gar nicht geben kann in der Welt. Gott verbinde sich zwar mit der Welt. Gott ist da, wo er wirkt: Niemals aber könne er sich an bestimmte Orte binden oder irgendwo näher erfahrbar sein, als woanders. Insofern kann es für evangelische Christen in der gleichen Konsequenz auch keinen Unterschied geben, ob man in der Kirche Fußball schaut oder im Pfarrheim nebenan.

Das Interview führte Verena Tröster.


Martin Korden / © Ide Lödige
Martin Korden / © Ide Lödige
Quelle:
DR