DOMRADIO.DE: Eigentlich reden in den letzten Jahren alle davon, dass die Bevölkerung immer älter wird und es viel mehr alte Menschen als junge gibt. Eine Grabstätte kostet locker ein paar Tausend Euro. Provokant gesagt: Müssten da nicht auch die Friedhöfe viel voller werden und die Kasse klingeln?
Pfarrer Jürgen Quandt (Geschäftsführer des Friedhofsverbands Berlin Stadtmitte): Nein, das Gegenteil ist der Fall. Einfach deswegen, weil sich in den letzten Jahrzehnten in den Städten und den großräumigen Ballungsgebieten das Bestattungsverhalten komplett verändert hat. Sarg-Bestattungen werden immer mehr zur Ausnahme. Hier in Berlin sind nur noch 15 bis maximal 17 Prozent aller Bestattungen Sarg-Bestattungen. Der Rest sind Urnenbestattungen und davon wiederum mehr als die Hälfte nicht in einer Grabstätte, sondern in einer Gemeinschaftsgrabanlage.
Das hat zur Folge, dass auf den Friedhöfen weniger Fläche gebraucht wird. Auf den ursprünglichen Friedhöfen werden immer mehr Flächen überflüssig. Das ist einer der Hauptgründe, warum wir immer mehr Überhangsflächen auf Friedhofsflächen haben.
DOMRADIO.DE: Wie sind denn die kirchlichen Friedhöfe im Vergleich zu den städtischen Friedhöfen finanziell aufgestellt?
Quandt: Es gibt sowohl für die städtischen Friedhöfe, wie auch für die konfessionellen Friedhöfe Gebührenordnungen. Wenn jemand eine Bestattung bei einer Friedhofsverwaltung anmeldet, dann kauft er nicht ein Produkt, sondern er erwirbt eine Dienstleistung, die mit einer festgelegten Gebühr bezahlt werden muss. Das heißt man zahlt dafür, dass einem für eine gewisse Zeit – in Berlin sind das 20 Jahre – ein Begräbnisplatz zur Verfügung gestellt werden. Die staatlichen und die konfessionellen Gebührenordnungen differieren nur ein bisschen, aber nicht wesentlich.
Was die konfessionellen und die städtischen Friedhöfe voneinander unterscheidet ist das Thema Grünpflege. Die städtischen Friedhöfe hier in Berlin bekommen aus dem Haushalt des Landes Berlin eine sogenannte Grünpflegepauschale. Das ist so wie bei allen öffentlichen Parks auch. Genau das bekommen die konfessionellen Friedhofsträger nicht. Sie müssten die Mittel für die Grünpflege anders aufbringen. Dafür stehen aber erstmal keine Mittel zur Verfügung. Das macht den Unterschied aus.
DOMRADIO.DE: Viele Friedhöfe denken an den Verkauf, das ist für einige eine Lösung. Aber gibt es da Grenzen für die weitere Nutzung oder könnte es sein, dass wir in ein paar Jahren Freizeitparks auf alten Friedhofsflächen finden?
Quandt: Wir haben hier in Berlin schon etliche Beispiele, wo ehemaligen Friedhofsflächen umgenutzt wurden. Wir haben im Bezirk Neukölln und im Bezirk Prenzlauer Berg zwei ehemalige Friedhofsflächen, die inzwischen öffentliche Grünanlagen geworden sind, dort sind keine Gräber mehr vorhanden.
Es gibt aber auch Beispiele dafür, dass entwidmete Friedhofsflächen zu Bauland entwickelt wurden. Das ist aus meiner Sicht auch gerechtfertigt und notwendig, weil es überhaupt keine Möglichkeit für einen finanziellen Ersatz für diese Flächen gibt. Die müssen trotzdem in irgendeiner Weise unterhalten werden. Denn sie verursachen Kosten, ohne dass sie noch Einnahmen bringen. Das heißt, man muss also über Nutzungsmöglichkeiten nachdenken, die sich einigermaßen wirtschaftlich darstellen lassen.
DOMRADIO.DE: Sie haben es gerade selber schon gesagt: Es gibt Gräber mit einer Ruhezeit von 20 Jahren, die sind dann noch nicht abgelaufen. Das heißt Bauabschnitte oder Verkaufsabschnitte können nur Schritt für Schritt veräußert werden. Gibt es denn von Seiten Ihres Verbandes schon Projekte, die man auf kleineren Flächen erst mal nutzen könnte?
Quandt: Wir haben natürlich etliche Friedhofsflächen, auf denen noch nie Bestattungen durchgeführt worden sind. Das sind entweder Reserveflächen oder ehemalige Wirtschaftsflächen, die heute eben auch für den wirtschaftlichen Betrieb der Friedhöfe nicht mehr erforderlich sind. Solche eher kleineren Flächen können natürlich in Bauland umgewandelt werden.
Aber auch Flächen, die ehemals mit Gräbern belegt waren, wo heute aber keine Grabstellen mehr sind und bei denen es keine Ruhefristen mehr gibt, können anderweitig benutzt werden.
Das Interview führte Heike Sicconi.