DOMRADIO.DE: Sie marschieren am Karsamstag in Stuttgart nicht nur beim Ostermarsch mit, Sie halten dort auch eine Rede. Was wird der Kern dieser Rede sein?
Wiltrud Rösch-Metzler ("pax christi"-Diözesanvorsitzende Rottenburg-Stuttgart): Der Friedensbewegung wird ja oft vorgeworfen, wir hätten nichts erreicht. So will ich in meiner Rede einigen Spuren nachgehen, was wir in Wirklichkeit doch erreicht haben. Mir ist auch wichtig, dass wir angesichts all des Leids und der Not um uns herum und unserer großen Aufgabe, Krieg zu verhindern, die Hoffnung nicht verlieren.
DOMRADIO.DE: Wer in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg von Verhandlungen spricht oder gar von Abrüstung, so die gängige Kritik, spiele Putin in die Hände und liefere die Ukraine dem Aggressor aus. Was entgegnen Sie?
Rösch-Metzler: Da bitte ich die Menschen, doch einmal auf das Leid zu schauen, das Krieg mit sich bringt, auf die Zerstörung, die vielen Toten. Und zwar nicht nur die toten Soldaten, sondern auch die toten Zivilisten. Da kann es doch nicht die einzige Perspektive sein, weiter Waffen zu liefern und weiter Krieg zu führen. Wir müssen doch im Namen der Menschlichkeit appellieren, die Kriege zu beenden. Und wie ist ein Ende der Kriege zu bewerkstelligen? Das geht doch nur über Waffenstillstand und Verhandlungen.
DOMRADIO.DE: Tatsächlich haben alle Verhandlungen nach der russischen Annexion der Krim 2014 am Ende nichts gebracht, sondern zur heutigen Situation geführt. Glauben Sie wirklich, dass es möglich ist, mit Putin auf Augenhöhe zu verhandeln?
Rösch-Metzler: Da muss ich widersprechen. In meinen Augen war das Minsker Abkommen, also Minsk II, ein gutes Abkommen. Denn beide Seiten hatten sich ja verpflichtet, ihre schweren Waffen zurückzuziehen und den gegenseitigen Beschuss einzustellen. Dass sie sich nicht daran gehalten haben, war allerdings nicht nur ein Fehler der russischen Seite.
Der Beschuss hat auf beiden Seiten zugenommen. Rufen wir uns doch noch einmal das Interview der damaligen Bundeskanzlerin Merkel in Erinnerung, die sinngemäß sagte, das Verhandlungsergebnis sei vor allem erzielt worden, um der Ukraine Zeit zu geben, sich zu bewaffnen. So können Verhandlungen nicht geführt werden.
DOMRADIO.DE: Aber wie stellen Sie sich in der aktuellen Situation Verhandlungen mit jemandem wie Putin vor?
Rösch-Metzler: Es finden ja die ganze Zeit über Verhandlungen statt, es gibt Gefangenenaustausche, es gab das Getreideabkommen. Es ist nicht so, dass gar keine Gespräche möglich sind. Klar, es ist brutal schwierig, unter diesen Umständen Verhandlungen zu führen. Ich weiß nicht, ob die ukrainische Seite bereit ist, Verhandlungen zu führen. Ich weiß auch nicht, ob die russische Seite bereit ist, Verhandlungen zu führen.
Aber ich habe zufällig eine Sitzung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gehört und zufällig war gerade der russische Vertreter dran. Er sprach von Verhandlungen. Also ist es nicht aus der Welt, an Verhandlungen zu denken. Und es ist die Aufgabe von Politikern wie unserer Außenministerin oder unseres Bundeskanzlers, all ihre Kraft dafür einzusetzen, die Diplomatie zu stärken und zu schauen, dass Gesprächsfäden nicht abreißen.
DOMRADIO.DE: Der Bundesverteidigungsminister will die Bundeswehr wieder kriegstüchtig machen. Waffenproduzenten haben Hochkonjunktur. Wie klingt das für Sie?
Rösch-Metzler: Wir müssen deutlich machen, wohin das führt. Aufrüstung heißt, die andere Seite rüstet auch auf. Das führt zu Eskalation, das macht die Welt nicht sicherer. Wir haben wahnsinnig gefährliche Waffen. Wir haben Atomwaffen in den Händen vieler Akteure. Angesichts dieser Lage nicht vorsichtiger damit umzugehen und von Kriegstüchtigkeit zu reden, finde ich nicht verantwortbar.
Wir sollten besser von Friedenstüchtigkeit reden. Das ist uns doch immer so gesagt worden, dass wir in diesem Friedensprojekt Europa aufwachsen, dass wir dieses Friedensprojekt Europa gestalten, dass wir mit unseren ehemaligen Feinden in Frieden leben und dass wir damit auch weltweit ein Beispiel sind. Das bedeutet doch auch, dass wir uns nicht dieser militärischen Aufrüstung anschließen.
DOMRADIO.DE: Zuletzt gab es Rufe nach Verhandlungen von unterschiedlicher Seite, von Papst Franziskus zum Beispiel oder vom SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich. Was zeigt das in Ihren Augen?
Rösch-Metzler: Es ist sehr wichtig, dass so etwas gesagt wird, dass der Papst das sagt, dass Rolf Mützenich das sagt. Es öffnet wieder den Horizont, weil es doch einige Menschen nachdenklich stimmt: Muss denn der Krieg immer so weitergehen?
Jetzt war es ja auch möglich, im UNO-Sicherheitsrat einen Waffenstillstand für Gaza zu beschließen. Im sechsten Monat des Krieges hat auch die Bundesregierung sich durchgerungen, einen Waffenstillstand in Gaza zu befürworten.
Also bleibt es wichtig, über Verhandlungen und Waffenstillstand nachzudenken und dafür einzutreten. Dafür gehen wir jetzt auch an Ostern auf die Straße und unterstützen Positionen wie die von Papst Franziskus und von Rolf Mützenich.
DOMRADIO.DE: "pax christi" ist eine katholische Friedensbewegung. Inwiefern begründen Sie Ihren Einsatz für Frieden und Abrüstung aus Ihrem Glauben heraus?
Rösch-Metzler: Uns leitet natürlich die Bergpredigt. Das Beispiel der Gewaltlosigkeit, das Jesus uns gibt, ist ein wahnsinniger Ansporn und war ja auch in der Geschichte schon für viele Menschen ein Ansporn. Ich denke zum Beispiel an Mahatma Gandhi, für den die Bergpredigt sehr wichtig war, oder an Martin Luther King. Das ist für uns der Kern unseres Glaubens an den Frieden Christi. Nicht umsonst nennen wir uns "pax christi". Für uns ist es Anstoß und Aufgabe, uns in seiner Nachfolge zu bewegen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.