Unter den letzten Pontifikaten gehörte es eigentlich zum guten Ton, dass neben Funktionsträgern der Kurie vor allem die Erzbischöfe großer Metropolen der Weltkirche relativ schnell nach ihrer Ernennung das Kardinalspurpur bekamen. Kölns Kardinal Woelki ist dafür ein gutes Beispiel. Am 27. August 2011 trat er sein Amt als Erzbischof von Berlin an, und schon am 12. Februar 2012 ernannte ihn Papst Benedikt XVI. zum Kardinal. Sein Nachfolger, Heiner Koch, wurde am 15. September 2015 neuer Berliner Erzbischof, und ist bis zum heutigen Tag nicht in den Päpstlichen Senat berufen worden.
Schaut man sich das aktuelle Kardinalskollegium an, so finden sich dort im Moment acht Vertreter, die aus Deutschland stammen. Diese sind (nach Ernennungsdatum geordnet): Friedrich Wetter, Walter Kasper, Paul Josef Cordes, Walter Brandmüller, Reinhard Marx, Rainer Maria Woelki, Gerhard Ludwig Müller und Karl-Josef Rauber. Unter 80 - und damit im Falle eines Konklaves wahlberechtigt - sind von ihnen nur drei. Gemessen an der Anzahl der Katholiken ist Deutschland kardinalsmäßig in der Weltkirche also noch recht gut vertreten.
Warum ernennt der Papst einen Kardinal?
Bei der Auswahl von Kandidaten für die Ernennung ist der Papst völlig frei. In der Regel gibt es drei Gründe, warum der Papst einen Bischof oder Geistlichen in den Kardinalsstand beruft: 1. Sein Bischofssitz ist traditionell mit der Kardinalswürde verbunden, 2. Er bekleidet eine wichtige Funktion in der Kurie oder 3. Er erhält den Titel als Ehrung. Eine Teilnahme an der Papstwahl ist für Kardinäle bis zum 80. Lebensjahr möglich. Nicht selten wurden und werden aber auch Priester oder Bischöfe zu Kardinälen ernannt, die diese Altersgrenze längst überschritten haben.
Bei den gegenwärtigen deutschen Kardinälen finden sich alle drei Varianten: Woelki, Marx und Wetter leiten oder leiteten jeweils ein Bistum, mit dem die Kardinalswürde traditionell verknüpft ist. Kasper, Müller und Cordes wurden als Kurienbeamte ernannt, Brandmüller und Rauber wurden erst im Ruhestand mit dem Titel geehrt.
Wer käme sonst als deutscher Kardinal in Frage?
Bis zur Wahl von Franziskus waren es die großen und bedeutenden Bistümer, die mit einem Kardinal rechnen konnten, aber auch Berlin als Hauptstadtbistum hatte seit Julius Döpfner 1958 immer einen Kardinal an der Spitze. Schaut man in die jüngere Geschichte, gab es deutsche Kardinäle außer in München, Köln und Berlin auch in Paderborn, Mainz, Essen und Münster. (Obwohl Münster nur einige Wochen lang Kardinalssitz war. Kardinal von Galen verstarb schon kurz nach seiner Rückkehr aus Rom.)
In diesen Bistümern waren es aber weniger die Bischofssitze, die für die Ernennungen maßgeblich waren, sondern mehr die persönlichen Verdienste der jeweiligen Bischöfe. So wurde die Ernennung von Karl Lehmann (Mainz) zum Kardinal durch Johannes Paul II. als Verdienst für seinen langjährigen Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz und auch als lange überfällig gewertet. Die gleichzeitige Ernennung Johannes-Joachim Degenhardts (Paderborn) hingegen überraschte die Öffentlichkeit in Deutschland.
Wir wissen, dass Franziskus bei einigen Ernennungen geografisch an die Ränder geht, was jüngst wieder einige Kandidaten für das Konsistorium 2020 zeigen, wie zum Beispiel Kirchenmänner aus Ruanda oder Brunei. Franziskus geht aber auch thematisch an die Ränder und ernennt Priester, die für ihren Glauben inhaftiert waren oder sich für Arme und Ausgegrenzte engagieren. Da wäre es also auch nicht ausgeschlossen, dass statt des Erzbischofs von Berlin ein Obdachlosenseelsorger aus der Hauptstadt Kardinal wird.
(Nicht) Kardinäle außerhalb Deutschlands
Berlin ist allerdings nicht das einzige Bistum, welches zur Zeit nicht von einem Kardinal geleitet wird, obwohl dies in der Vergangenheit regelmäßig der Fall war. Auch der Pariser Erzbischof Michel Aupetit, bereits über zwei Jahre im Amt, trägt immer noch kein Kardinalspurpur. Allerdings wird sein Vorgänger André Kardinal Vingt-Trois in wenigen Wochen erst 78 Jahre alt und zählt damit im Falle eines Konklaves noch zu den möglichen Papstwählern.
Ebenso wie Paris wartet auch Venedig bis heute auf einen Kardinal, denn die dortigen Patriarchen werden traditionell zu Kardinälen erhoben. Francesco Moraglia ist bereits seit 2012 Patriarch von Venedig, gehört aber nicht dem Kardinalskollegium an. Äußerlich ist dieser Unterschied aber kaum zu bemerken, da der Patriarch von Venedig als nichtliturgische Gewänder ebenfalls Rot trägt, ohne Kardinal zu sein. Ähnliches gilt auch für den Erzbischof von Salzburg, welcher die Ehrentitel „legatus natus“ („geborener Legat“) und „Primas Germaniae“ trägt und damit auch das entsprechende Rot.
Es wird im weiteren Verlauf des Pontifikats von Papst Franziskus sicherlich noch zu der einen oder anderen Überraschung kommen, was die Kardinalsernennungen anbelangt. Mit dem Konsistorium 2020 wird das Kollegium der Purpurträger aber erstmals zu über 50 Prozent aus Personen bestehen, die vom gegenwärtigen Papst ernannt worden sind, was für die Wahl eines Nachfolgers nicht unerheblich sein wird.
Renardo Schlegelmilch und Jan Hendrik Stens
Info: Hier gibt es eine Übersicht über die acht aktuellen deutschen Kardinäle und ihre Ämter.