In nur einem Jahr verliert Lorenz Kopp seine Tante, die Großmutter und einen Cousin. "Drei Todesfälle – das war eine große Zäsur in meinem Leben und hat mich lange unfassbar traurig gemacht", erzählt der 29-jährige Student. Man sieht ihm an, dass diese Erfahrung Spuren hinterlassen und er immer noch mit seinen Gefühlen zu kämpfen hat, wenn er sich daran erinnert. "In dieser Zeit war ich froh, Menschen um mich zu haben, die für mich da waren. Aber plötzlich waren da auch diese Fragen: Was ist das Leben, und was ist der Tod? Was bedeutet Endlichkeit? Was kommt danach, und kommt überhaupt noch etwas?" Mit einem Mal sei er dem christlichen Glauben sehr nah gekommen, schildert Lorenz rückblickend. "Ich kann das kaum beschreiben, aber in meiner unendlichen Trauer fühlte ich mich von Gott berührt und wollte diesem Weg nachspüren."
Lorenz wächst mit einem katholischen Vater und einer Mutter, die gebürtig von den Philippinen stammt, in Köln auf. Die Eltern sind sich uneins, ob das Kind getauft werden soll oder nicht. Schließlich finden sie, dass es das später einmal in aller Freiheit selbst entscheiden solle. In der Schule nimmt Lorenz trotzdem am katholischen Religionsunterricht teil und geht mit seinem Vater auch sonntags in die Kirche. "In meinem Studium geht es viel um Ursache und Wirkung, um technokratische Gesetzmäßigkeiten, aber irgendwie war da immer auch die Sehnsucht nach etwas ganz anderem: nach einem beseelten Leben, nach Halt und Orientierung", erklärt Lorenz.
Auch Evrim Ulutas ist konfessionslos groß geworden. Der 19-Jährige, der in wenigen Wochen an der Prisma-Schule in Langenfeld sein Abitur macht, will aber nicht, dass das so bleibt. "Die meisten meiner Freunde sind Christen, ich selbst habe in der Grundschule erst den evangelischen Religionsunterricht besucht und auch die Schulmessen. Ab der 9. Klasse bin ich dann ins katholische Fach gewechselt." Aus dieser für ihn selbstverständlichen Teilnahme sei über Jahre ein Prozess der Entscheidungsfindung geworden. "Nun will ich mich endlich auch offiziell der Kirche zugehörig fühlen. Als Kind hatte ich im Vergleich zu den anderen nie eine Religion, aber immer das Gefühl, dass da irgendetwas fehlt." Dass andere in ihrem Glauben immer etwas zu feiern gehabt hätten – die Muslime Gemeinschaftsfeste in der Moschee und die Christen vor allem ja Weihnachten und Ostern – sei für ihn zwar normal gewesen, habe er für sich aber vermisst. "Nur bei mir gab es so etwas nicht. Ich hatte nie einen Bezugspunkt, ich hatte nichts."
Das möchte der junge Mann, der seine Wurzeln in einer liberalen türkischen Familie hat, wie er selbst über seine Herkunft sagt, nun ändern: mit dem konsequenten Schritt, katholisch zu werden und sich taufen zu lassen. "Die Taufe ist wie ein Spatenstich, mit dem ich meinen ganz persönlichen Glaubensprozess von jetzt an beginne", unterstreicht Evrim, der sich auf den großen Tag wahnsinnig freut – genau genommen auf die Nacht. Denn gemeinsam mit Lorenz und weiteren Taufbewerberinnen und -bewerbern aus seinem FIDES-Kurs wird er von Pater Sebastian Annas in der Osternacht in St. Andreas, der Innenstadtkirche unweit des Domes, getauft – so wie es schon in der Urkirche Brauch war, als die frühen Christen die Taufe mit der Auferstehung zusammen begingen.
Der Impuls zur Taufe sei aus dem Nichts gekommen, erklärt Evrim. Als er diesen Wunsch dann seinen Freunden mitgeteilt habe, hätten sich alle mit ihm gefreut, aber natürlich auch nachgebohrt: Warum? Und warum jetzt? "Trotzdem hatte ich zu keiner Zeit mit Widerständen zu kämpfen. Alle finden das gut. Eigentlich habe ich nur Unterstützung gespürt, was mich nochmals zusätzlich motiviert hat. Auch der FIDES-Kurs war klasse", lobt er das Team, das ihn auf seinem Weg begleitet hat. Und mit Nachdruck erklärt der angehende Abiturient: "Das ist für mich der richtige Schritt, mit dem sich viele Fragen beantworten lassen, ohne dass ich von jetzt auf gleich der perfekte Christ sein muss." Kirche habe er immer als schön und wohltuend erlebt – gerade auch in seiner Düsseldorfer Gemeinde St. Apollinaris. "Die Leute geben einem das Gefühl, dazu zu gehören", stellt Evrim fest.
Ein richtiges Fest will Evrim aus seiner Taufe machen, mit Familie und Freunden feiern. Schließlich beginnt für den jungen Erwachsenen noch einmal etwas Neues. Und auch Zukunftspläne hat der angehende Abiturient schon geschmiedet: Ein Lehramtsstudium für Realschule soll es nach dem Abi sein – das steht fest. Und am liebsten an der Katholischen Universität in Eichstätt.
"Der Glaube ist eine Befreiung", so erlebt es Lorenz Kopp für sich, Christ zu werden. "Er befreit von Ängsten, Alltagszwängen, Klischees. Mit Jesus erlebe ich, was mein Menschsein ausmacht. Er hat vorgelebt, auf was es ankommt. Seine Taten geben mir Mut und Hoffnung." Glaube, Familie, Liebe – das sei doch das Wesentliche im Leben, erst recht wenn man spüre, wie fragil es sei. "Gleichzeitig suche ich das Grenzenlose, Allumfassende. In Jesus Christus habe ich das gefunden", erklärt Lorenz. Ein Leben aus dem Glauben, aber auch das Gemeinschaftserlebnis eines Gottesdienstes täten ihm gut, bekennt der Student. "Da kann ich innehalten, mich selbst hören und mein Inneres nach außen kehren." In der Messe werde ihm bewusst, dass der Mensch ein Individuum, aber auch etwas Göttliches sei. "Ich freue mich auf die Taufe. Diesen Schritt mache ich ganz allein für mich."
Und die Institution Kirche? Klar müsse man den Missbrauch und seine Auswirkungen kritisch sehen. Und er könnte auch die verstehen, die austreten würden. "Aber das hat nichts mit meinem Glauben zu tun. Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass wir unser Augenmerk mehr auf das Gute richten. Denn ich kenne niemanden, der die Botschaft Jesu Christi wirklich ablehnt."
Geradezu bedauern würde er, dass die Zeit der Vorbereitung bei der Glaubensinformation FIDES nun vorbei sei. "Die Beschäftigung mit der Bibel hat mir viel bedeutet. Das Schöne daran, jeder sieht einen Text nochmals anders, und immer kann man ihn auf das eigene Leben anwenden." Außerdem ermutigten die Evangelien dazu, seine Talente zu nutzen und aus dem eigenen Leben etwas zu machen. "Schade eigentlich", findet Kopp, "dass viele ihr Christsein nicht offen zeigen, so gesehen ihre Überzeugung für sich behalten." Gott würde ja gerade zum Gegenteil ermutigen.