DOMRADIO.DE: In Deutschland gibt es Dauerfrost und in den Kirchen sind die Heizungen aus. Wie wärmen Sie sich in einem Gottesdienst?
Matthias Braun (Dipl.-Ing. Architekt beim Amt für Bau- und Kunstpflege in Hannover): Man sollte sich schon mal eine dicke Jacke anziehen und einen Schal.
DOMRADIO.DE: Menschen können sich warm anziehen, Kunstobjekte und Instrumente aber nicht. Ist die Kälte ein Problem? Zum Beispiel für die Kunst oder für die Holzbänke?
Braun: Es ist ein Problem, dass man das pauschal nicht sagen kann. Wir empfehlen, dass man jetzt verstärkt einen Blick auf die relative Luftfeuchtigkeit im Raum werfen sollte. Das heißt, dass man in der Kirche Klimadatenlogger installiert, mindestens einen pro Kirche und möglichst einen an der Orgel.
Und dann sollte man bestimmte Werte relativer Luftfeuchtigkeit nicht überschreiten. Das beschränken wir auf etwa 70 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit. Alles, was unter 70 Prozent liegt, ist in der Regel ungefährlich für das Inventar.
DOMRADIO.DE: Das heißt, es geht nicht nur um die Kälte alleine, sondern auch die Luftfeuchtigkeit.
Braun: Ja, umso kälter der Raum ist, desto weniger Luftfeuchtigkeit kann die Luft aufnehmen. Insofern kommt es sehr auf den Raumfeuchtegehalt an. Ist dieser zu hoch, kann es zu Kondensat- und Schimmelbildung in der Orgel und auf Kunstgegenständen kommen.
DOMRADIO.DE: Eine Band, die bei uns in der Kirche aufgetreten ist, klang sehr dissonant, als hätten sie ihre Instrumente vorher nicht aufeinander abgestimmt. Ist da auch die Kälte mit Schuld?
Braun: Ja, natürlich. Gerade Blechbläser sind angewiesen darauf, eine gewisse Raumtemperatur zu haben.
DOMRADIO.DE: Viele Gemeinden schwenken um und gehen für den Gottesdienst ins Gemeindehaus. Die Heizung in der Kirche bleibt über Wochen aus und auch der Atem der Gottesdienstbesucher fehlt. Was halten Sie davon?
Braun: Das ist per se nicht gefährlich. Im Gegenteil. Wir haben das häufiger, dass sich Kirchengemeinden zur Winterkirche ins Gemeindehaus zurückziehen, den großen Gottesdienst an Weihnachten aber in der Kirche feiern wollen.
Das birgt das Risiko, dass in die Kirchen sehr viel Luftfeuchtigkeit durch die Atemluft oder durch feuchte Kleidung, feuchte Schuhe hereingetragen wird. Dann steigt die Luftfeuchtigkeit sprunghaft an. Das ist ein Risiko für den Raum und das Inventar.
DOMRADIO.DE: Das heißt, wenn man einen Mittelweg anstrebt, müsste man an den Feiertagen die Kirche heizen?
Braun: Das ist natürlich schwierig, weil Kirchengemeinden auch eine gesellschaftliche Verantwortung tragen. Wenn man die Kirche aber ausnahmsweise nutzen möchte, sollte man sie langsam und behutsam aufheizen.
Außerdem sollte man vorher festlegen, wie viel Grad man überhaupt erreichen möchte. Ursprünglich hat man – das war mehr oder weniger überregional so – 16 Grad Celsius als Obergrenze für eine Nutzungstemperatur festgelegt. Jetzt muss jede Kirchengemeinde darüber nachdenken, ob sie diese 16 Grad immer noch haben will oder ob man sie auch auf zwölf Grad reduzieren kann?
Gerade wenn es so kalt ist wie im Augenblick und es Dauerfrost gibt, ist das auch noch ausreichend. Wenn Sie von einer sehr kalten Außentemperatur in die Kirche reinkommen, die auf zwölf Grad geheizt ist, wird das immer noch als angenehm empfunden.
DOMRADIO.DE: Entweicht durch das Maskentragen weniger Atemluft in die Kirche und dadurch weniger Feuchtigkeit? Gibt es da Untersuchungen?
Braun: Untersuchungen sind mir da nicht bekannt. Aber die Atemluft ist ja – wie gesagt – nur eine Komponente. Das andere ist, wenn Sie gerade draußen Regenwetter haben oder es schön schneit an Weihnachten, dann bringen Sie auch darüber Feuchtigkeit in den Raum rein.
Das Interview führte Tobias Fricke.